Wriezen und Freienwalde eine eigne Zunft der Hechtreißer existirte. An den Markttagen fanden sich, aus den Bruchdörfern, hunderte von Kähnen in Wriezen ein und verkauften ihren Vorrath an Fischen und Krebsen an die dort versammelten Händler. Ein be- deutender Handel wurde getrieben und der Fisch-Ertrag des Oder- bruchs ging bis Böhmen, Baiern, Hamburg, ja (vielleicht die ge- räucherten Aale) bis nach Italien. Kein Wunder deshalb, daß in diesen Gegenden, unter allem Haus- und Küchengeräth der Fischkessel obenan stand und so sehr als wichtigstes Stück der Ausstattung betrachtet wurde, daß er, nach gesetzlicher Anordnung, beim Todesfall der Frau und bei Erbtheilungen dem überlebenden Gatten verblieb.
In großer Fülle lieferte die Bruchgegend Krebse (die Oder- krebse sind noch jetzt berühmt) und in manchen Jahren in solchem Ueberfluß, daß man zu Colerus Zeiten, Ausgangs des 16. Jahr- hunderts, sechs Schock schöne, große Krebse für 6 Pfennige meiß- nerischer Währung kaufte. Zu Küstrin wurde von 100 Schock durchgehender Krebse ein Schock als Zoll abgegeben, und Colerus versichert, daß dieser Zoll in einem Jahre 325,000 Schock Krebse eingetragen habe. Somit wären blos in dieser einen Stadt (Küstrin) in einem Jahre 321/2 Millionen Schock Krebse versteuert worden. Im Jahre 1719 war das Wasser der Oder, bei der großen Dürre, ungewöhnlich klein geworden; Fische und Krebse suchten die größ- ten Tiefen auf und diese wimmelten davon. Da das Wasser aber von der Hitze zu warm wurde, krochen die Krebse auf's Land ins Gras und wo sie sonst Kühlung erwarteten, selbst auf die Bäume, um sich unter das Laub zu bergen, von welchen sie wie Obst herabgeschüttelt wurden. Auch die gemeine Flußschildkröte war im Bruch so häufig, daß sie von Wriezen fuhrenweise nach Böhmen und Schlesien versendet oder vielmehr abgeholt wurde.
Ein so lebendiges Gewimmel im Wasser mußte nothwendig sehr vielen anderen Geschöpfen eine mächtige Lockspeise sein. Schwärme von wilden Gänsen und Enten bedeckten besonders im Frühjahr die Gewässer, unter welchen sich häufig die Löffelente, die Quack-
Wriezen und Freienwalde eine eigne Zunft der Hechtreißer exiſtirte. An den Markttagen fanden ſich, aus den Bruchdörfern, hunderte von Kähnen in Wriezen ein und verkauften ihren Vorrath an Fiſchen und Krebſen an die dort verſammelten Händler. Ein be- deutender Handel wurde getrieben und der Fiſch-Ertrag des Oder- bruchs ging bis Böhmen, Baiern, Hamburg, ja (vielleicht die ge- räucherten Aale) bis nach Italien. Kein Wunder deshalb, daß in dieſen Gegenden, unter allem Haus- und Küchengeräth der Fiſchkeſſel obenan ſtand und ſo ſehr als wichtigſtes Stück der Ausſtattung betrachtet wurde, daß er, nach geſetzlicher Anordnung, beim Todesfall der Frau und bei Erbtheilungen dem überlebenden Gatten verblieb.
In großer Fülle lieferte die Bruchgegend Krebſe (die Oder- krebſe ſind noch jetzt berühmt) und in manchen Jahren in ſolchem Ueberfluß, daß man zu Colerus Zeiten, Ausgangs des 16. Jahr- hunderts, ſechs Schock ſchöne, große Krebſe für 6 Pfennige meiß- neriſcher Währung kaufte. Zu Küſtrin wurde von 100 Schock durchgehender Krebſe ein Schock als Zoll abgegeben, und Colerus verſichert, daß dieſer Zoll in einem Jahre 325,000 Schock Krebſe eingetragen habe. Somit wären blos in dieſer einen Stadt (Küſtrin) in einem Jahre 32½ Millionen Schock Krebſe verſteuert worden. Im Jahre 1719 war das Waſſer der Oder, bei der großen Dürre, ungewöhnlich klein geworden; Fiſche und Krebſe ſuchten die größ- ten Tiefen auf und dieſe wimmelten davon. Da das Waſſer aber von der Hitze zu warm wurde, krochen die Krebſe auf’s Land ins Gras und wo ſie ſonſt Kühlung erwarteten, ſelbſt auf die Bäume, um ſich unter das Laub zu bergen, von welchen ſie wie Obſt herabgeſchüttelt wurden. Auch die gemeine Flußſchildkröte war im Bruch ſo häufig, daß ſie von Wriezen fuhrenweiſe nach Böhmen und Schleſien verſendet oder vielmehr abgeholt wurde.
Ein ſo lebendiges Gewimmel im Waſſer mußte nothwendig ſehr vielen anderen Geſchöpfen eine mächtige Lockſpeiſe ſein. Schwärme von wilden Gänſen und Enten bedeckten beſonders im Frühjahr die Gewäſſer, unter welchen ſich häufig die Löffelente, die Quack-
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Wriezen und Freienwalde eine eigne Zunft der Hechtreißer exiſtirte.
An den Markttagen fanden ſich, aus den Bruchdörfern, hunderte
von Kähnen in Wriezen ein und verkauften ihren Vorrath an
Fiſchen und Krebſen an die dort verſammelten Händler. Ein be-
deutender Handel wurde getrieben und der Fiſch-Ertrag des Oder-
bruchs ging bis Böhmen, Baiern, Hamburg, ja (vielleicht die ge-
räucherten Aale) bis nach Italien. Kein Wunder deshalb, daß
in dieſen Gegenden, unter allem Haus- und Küchengeräth der
Fiſchkeſſel obenan ſtand und ſo ſehr als wichtigſtes Stück der
Ausſtattung betrachtet wurde, daß er, nach geſetzlicher Anordnung,
beim Todesfall der Frau und bei Erbtheilungen dem überlebenden
Gatten verblieb.
In großer Fülle lieferte die Bruchgegend Krebſe (die Oder-
krebſe ſind noch jetzt berühmt) und in manchen Jahren in ſolchem
Ueberfluß, daß man zu Colerus Zeiten, Ausgangs des 16. Jahr-
hunderts, ſechs Schock ſchöne, große Krebſe für 6 Pfennige meiß-
neriſcher Währung kaufte. Zu Küſtrin wurde von 100 Schock
durchgehender Krebſe ein Schock als Zoll abgegeben, und Colerus
verſichert, daß dieſer Zoll in einem Jahre 325,000 Schock Krebſe
eingetragen habe. Somit wären blos in dieſer einen Stadt (Küſtrin)
in einem Jahre 32½ Millionen Schock Krebſe verſteuert worden.
Im Jahre 1719 war das Waſſer der Oder, bei der großen Dürre,
ungewöhnlich klein geworden; Fiſche und Krebſe ſuchten die größ-
ten Tiefen auf und dieſe wimmelten davon. Da das Waſſer aber
von der Hitze zu warm wurde, krochen die Krebſe auf’s Land ins
Gras und wo ſie ſonſt Kühlung erwarteten, ſelbſt auf die Bäume,
um ſich unter das Laub zu bergen, von welchen ſie wie Obſt
herabgeſchüttelt wurden. Auch die gemeine Flußſchildkröte war im
Bruch ſo häufig, daß ſie von Wriezen fuhrenweiſe nach Böhmen
und Schleſien verſendet oder vielmehr abgeholt wurde.
Ein ſo lebendiges Gewimmel im Waſſer mußte nothwendig
ſehr vielen anderen Geſchöpfen eine mächtige Lockſpeiſe ſein. Schwärme
von wilden Gänſen und Enten bedeckten beſonders im Frühjahr
die Gewäſſer, unter welchen ſich häufig die Löffelente, die Quack-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/206>, abgerufen am 27.11.2024.
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