Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

(ohne dadurch Freienwalde in den unverdienten Ruf der Eleganz
bringen zu wollen) als hörte man Seide rauschen, während
Buckow wie im Friesrock bei Seite steht.

Wo liegt denn nun aber die wirkliche märkische Schweiz?
Wir werden uns einen Dualismus, wie auch sonst wohl, gefallen
lassen müssen. Freienwalde ist immerhin eine Dame, Buckow ist
eine ländliche Schönheit, die mit nacktem Fuß in den See tritt
und unter Weidenzweigen ihr Haar flicht. Nun wähle jeder nach
seinem Sinn. Binnen Kurzem wird sich solche Wahl erleichtern.
Die neu-projectirte Eisenbahn zwischen Berlin und Küstrin, führt,
auf kürzeste Entfernung, an Buckow vorüber und einmal in den
Verkehr hineingezogen, wird das "Aschenputtel" von heute, ihren
bevorzugten Schwestern vielleicht schon morgen gefährlich werden.

Buckow liegt in einem Kesselthale, dessen Sohle (wir über-
sehen dabei zwei kleinere Seen) von einem großen See gebildet
wird. Dieser See hat die Form eines abgestumpften Halbmonds,
ist also bohnen- oder nierenförmig und heißt der Schermützel-
See
. Wir werden noch weiter von ihm hören. An der concaven
Seite des Sees, ziemlich genau an der Stelle, wo sich das hüg-
lige Erdreich in den See hineinbuchtet, liegt die Stadt, von der
aus sich in kürzester Zeit und mit leichtester Mühe, die verschie-
densten Ausflüge in die Umgegend ermöglichen. Alle diese Ausflüge,
verschieden wie sie sind, lassen sich nichts-destoweniger in drei ganz
bestimmte Gruppen bringen, in Spazierfahrten über den See, in
Besteigung des Bollersdorfer Plateaus, (westlich vom See) oder
in Wanderungen durch die Thäler und Schluchten der nach Nord
und Ost hin gelegenen "märkischen Schweiz." Die Parthieen, die
sich innerhalb der letzteren bieten, sind zahlreich und anmuthig,
(ich beschreibe dieselben zum Theil im nächsten Kapitel) der eigent-
liche Zauber aber, den Buckow übt, besteht nicht in der Schönheit
dieser oder jener Details, sondern einfach in dem Blick auf den
schönen, tief gelegenen, schon in seiner Erscheinung halb märchen-
haften See, der sich von keinem Punkt der umgebenden Höhen
her, schöner und malerischer ausnimmt, als von dem Bollersdorfer

12*

(ohne dadurch Freienwalde in den unverdienten Ruf der Eleganz
bringen zu wollen) als hörte man Seide rauſchen, während
Buckow wie im Friesrock bei Seite ſteht.

Wo liegt denn nun aber die wirkliche märkiſche Schweiz?
Wir werden uns einen Dualismus, wie auch ſonſt wohl, gefallen
laſſen müſſen. Freienwalde iſt immerhin eine Dame, Buckow iſt
eine ländliche Schönheit, die mit nacktem Fuß in den See tritt
und unter Weidenzweigen ihr Haar flicht. Nun wähle jeder nach
ſeinem Sinn. Binnen Kurzem wird ſich ſolche Wahl erleichtern.
Die neu-projectirte Eiſenbahn zwiſchen Berlin und Küſtrin, führt,
auf kürzeſte Entfernung, an Buckow vorüber und einmal in den
Verkehr hineingezogen, wird das „Aſchenputtel“ von heute, ihren
bevorzugten Schweſtern vielleicht ſchon morgen gefährlich werden.

Buckow liegt in einem Keſſelthale, deſſen Sohle (wir über-
ſehen dabei zwei kleinere Seen) von einem großen See gebildet
wird. Dieſer See hat die Form eines abgeſtumpften Halbmonds,
iſt alſo bohnen- oder nierenförmig und heißt der Schermützel-
See
. Wir werden noch weiter von ihm hören. An der concaven
Seite des Sees, ziemlich genau an der Stelle, wo ſich das hüg-
lige Erdreich in den See hineinbuchtet, liegt die Stadt, von der
aus ſich in kürzeſter Zeit und mit leichteſter Mühe, die verſchie-
denſten Ausflüge in die Umgegend ermöglichen. Alle dieſe Ausflüge,
verſchieden wie ſie ſind, laſſen ſich nichts-deſtoweniger in drei ganz
beſtimmte Gruppen bringen, in Spazierfahrten über den See, in
Beſteigung des Bollersdorfer Plateaus, (weſtlich vom See) oder
in Wanderungen durch die Thäler und Schluchten der nach Nord
und Oſt hin gelegenen „märkiſchen Schweiz.“ Die Parthieen, die
ſich innerhalb der letzteren bieten, ſind zahlreich und anmuthig,
(ich beſchreibe dieſelben zum Theil im nächſten Kapitel) der eigent-
liche Zauber aber, den Buckow übt, beſteht nicht in der Schönheit
dieſer oder jener Details, ſondern einfach in dem Blick auf den
ſchönen, tief gelegenen, ſchon in ſeiner Erſcheinung halb märchen-
haften See, der ſich von keinem Punkt der umgebenden Höhen
her, ſchöner und maleriſcher ausnimmt, als von dem Bollersdorfer

12*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0191" n="179"/>
(ohne dadurch Freienwalde in den unverdienten Ruf der Eleganz<lb/>
bringen zu wollen) als hörte man Seide rau&#x017F;chen, während<lb/>
Buckow wie im Friesrock bei Seite &#x017F;teht.</p><lb/>
        <p>Wo liegt denn nun aber die <hi rendition="#g">wirkliche</hi> märki&#x017F;che Schweiz?<lb/>
Wir werden uns einen Dualismus, wie auch &#x017F;on&#x017F;t wohl, gefallen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en mü&#x017F;&#x017F;en. Freienwalde i&#x017F;t immerhin eine Dame, Buckow i&#x017F;t<lb/>
eine ländliche Schönheit, die mit nacktem Fuß in den See tritt<lb/>
und unter Weidenzweigen ihr Haar flicht. Nun wähle jeder nach<lb/>
&#x017F;einem Sinn. Binnen Kurzem wird &#x017F;ich &#x017F;olche Wahl erleichtern.<lb/>
Die neu-projectirte Ei&#x017F;enbahn zwi&#x017F;chen Berlin und Kü&#x017F;trin, führt,<lb/>
auf kürze&#x017F;te Entfernung, an Buckow vorüber und einmal in den<lb/>
Verkehr hineingezogen, wird das &#x201E;A&#x017F;chenputtel&#x201C; von heute, ihren<lb/>
bevorzugten Schwe&#x017F;tern vielleicht &#x017F;chon morgen gefährlich werden.</p><lb/>
        <p>Buckow liegt in einem Ke&#x017F;&#x017F;elthale, de&#x017F;&#x017F;en Sohle (wir über-<lb/>
&#x017F;ehen dabei zwei kleinere Seen) von einem großen See gebildet<lb/>
wird. Die&#x017F;er See hat die Form eines abge&#x017F;tumpften Halbmonds,<lb/>
i&#x017F;t al&#x017F;o bohnen- oder nierenförmig und heißt der <hi rendition="#g">Schermützel-<lb/>
See</hi>. Wir werden noch weiter von ihm hören. An der concaven<lb/>
Seite des Sees, ziemlich genau an der Stelle, wo &#x017F;ich das hüg-<lb/>
lige Erdreich in den See hineinbuchtet, liegt die Stadt, von der<lb/>
aus &#x017F;ich in kürze&#x017F;ter Zeit und mit leichte&#x017F;ter Mühe, die ver&#x017F;chie-<lb/>
den&#x017F;ten Ausflüge in die Umgegend ermöglichen. Alle die&#x017F;e Ausflüge,<lb/>
ver&#x017F;chieden wie &#x017F;ie &#x017F;ind, la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich nichts-de&#x017F;toweniger in drei ganz<lb/>
be&#x017F;timmte Gruppen bringen, in Spazierfahrten über den See, in<lb/>
Be&#x017F;teigung des Bollersdorfer Plateaus, (we&#x017F;tlich vom See) oder<lb/>
in Wanderungen durch die Thäler und Schluchten der nach Nord<lb/>
und O&#x017F;t hin gelegenen &#x201E;märki&#x017F;chen Schweiz.&#x201C; Die Parthieen, die<lb/>
&#x017F;ich innerhalb der letzteren bieten, &#x017F;ind zahlreich und anmuthig,<lb/>
(ich be&#x017F;chreibe die&#x017F;elben zum Theil im näch&#x017F;ten Kapitel) der eigent-<lb/>
liche Zauber aber, den Buckow übt, be&#x017F;teht nicht in der Schönheit<lb/>
die&#x017F;er oder jener Details, &#x017F;ondern einfach in dem Blick auf den<lb/>
&#x017F;chönen, tief gelegenen, &#x017F;chon in &#x017F;einer Er&#x017F;cheinung halb märchen-<lb/>
haften See, der &#x017F;ich von keinem Punkt der umgebenden Höhen<lb/>
her, &#x017F;chöner und maleri&#x017F;cher ausnimmt, als von dem Bollersdorfer<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">12*</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0191] (ohne dadurch Freienwalde in den unverdienten Ruf der Eleganz bringen zu wollen) als hörte man Seide rauſchen, während Buckow wie im Friesrock bei Seite ſteht. Wo liegt denn nun aber die wirkliche märkiſche Schweiz? Wir werden uns einen Dualismus, wie auch ſonſt wohl, gefallen laſſen müſſen. Freienwalde iſt immerhin eine Dame, Buckow iſt eine ländliche Schönheit, die mit nacktem Fuß in den See tritt und unter Weidenzweigen ihr Haar flicht. Nun wähle jeder nach ſeinem Sinn. Binnen Kurzem wird ſich ſolche Wahl erleichtern. Die neu-projectirte Eiſenbahn zwiſchen Berlin und Küſtrin, führt, auf kürzeſte Entfernung, an Buckow vorüber und einmal in den Verkehr hineingezogen, wird das „Aſchenputtel“ von heute, ihren bevorzugten Schweſtern vielleicht ſchon morgen gefährlich werden. Buckow liegt in einem Keſſelthale, deſſen Sohle (wir über- ſehen dabei zwei kleinere Seen) von einem großen See gebildet wird. Dieſer See hat die Form eines abgeſtumpften Halbmonds, iſt alſo bohnen- oder nierenförmig und heißt der Schermützel- See. Wir werden noch weiter von ihm hören. An der concaven Seite des Sees, ziemlich genau an der Stelle, wo ſich das hüg- lige Erdreich in den See hineinbuchtet, liegt die Stadt, von der aus ſich in kürzeſter Zeit und mit leichteſter Mühe, die verſchie- denſten Ausflüge in die Umgegend ermöglichen. Alle dieſe Ausflüge, verſchieden wie ſie ſind, laſſen ſich nichts-deſtoweniger in drei ganz beſtimmte Gruppen bringen, in Spazierfahrten über den See, in Beſteigung des Bollersdorfer Plateaus, (weſtlich vom See) oder in Wanderungen durch die Thäler und Schluchten der nach Nord und Oſt hin gelegenen „märkiſchen Schweiz.“ Die Parthieen, die ſich innerhalb der letzteren bieten, ſind zahlreich und anmuthig, (ich beſchreibe dieſelben zum Theil im nächſten Kapitel) der eigent- liche Zauber aber, den Buckow übt, beſteht nicht in der Schönheit dieſer oder jener Details, ſondern einfach in dem Blick auf den ſchönen, tief gelegenen, ſchon in ſeiner Erſcheinung halb märchen- haften See, der ſich von keinem Punkt der umgebenden Höhen her, ſchöner und maleriſcher ausnimmt, als von dem Bollersdorfer 12*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/191
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/191>, abgerufen am 04.05.2024.