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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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Figurenmann (der sich durch das hierlandes selten gebrauchte "mein
Herr" sofort als ein Mann von gewissen "Allüren" einführt) "es
richtet sich nach der Gegend."

"Ich dachte König und Königin."

"Versteht sich, versteht sich," unterbricht mich der Figuren-
mann, als sei er mißverstanden, "Königliches Haus und Goethe-
Schiller immer voran. Selbstverständlich." --

"Aber außerdem?"

"Ja, das war es eben, mein Herr. Hier herüber (dabei deu-
tete er, nach rechts hin, in die Sandgegenden der Neumark hinein)
verkauf ich wenig oder nichts; dann und wann einen "betenden
Knaben". Ich könnte von meinem Standpunkt aus sagen -- und
dabei überflog ein feines Lächeln sein Gesicht -- wo der gute
Boden aufhört, da fängt der "betende Knabe" an.

"Nun da gehen diese wohl in's Bruch," erwiederte ich lachend,
indem ich auf Flora und Aurora zeigte.

"Aurora und Flora gehen in's Bruch," wiederholte er mit
humoristischer Würde. "Auch Amor und Psyche." -- Ich nickte
verständnißvoll.

Wir standen nun auf und traten an die Schiffswandung.
Er sah, daß ich einen Blick in die Landschaft thun wollte und
wartete, bis ich die Unterhaltung wieder aufnehmen würde.

Das linke Oderufer ist hüglig und malerisch, das rechte flach
und reizlos. Der eigentliche Uferrand ist aber auch hier steil und
abschüssig und die Wandung mit Weidengebüsch besetzt. Das Was-
ser ist gelblich, flach, voll Inseln und Untiefen und die Passage,
selbst bei genauer Kenntniß des Fahrwassers, sehr schwierig. We-
nigstens um die Sommerzeit. Vorn am Bugspriet stehen zwei
Schiffsknechte (ich weiß nicht, ob man bei Flußdampfern von
"Matrosen" sprechen darf) mit langen Stangen und nehmen be-
ständig Messungen vor, die um so unerläßlicher sind, als die
Sandbänke ihre Stelle wechseln und heute hier, morgen da zu
finden sind.

Fluß, Ufer, Fahrt, alles hat den norddeutschen Charakter.

Figurenmann (der ſich durch das hierlandes ſelten gebrauchte „mein
Herr“ ſofort als ein Mann von gewiſſen „Allüren“ einführt) „es
richtet ſich nach der Gegend.“

„Ich dachte König und Königin.“

„Verſteht ſich, verſteht ſich,“ unterbricht mich der Figuren-
mann, als ſei er mißverſtanden, „Königliches Haus und Goethe-
Schiller immer voran. Selbſtverſtändlich.“ —

„Aber außerdem?“

„Ja, das war es eben, mein Herr. Hier herüber (dabei deu-
tete er, nach rechts hin, in die Sandgegenden der Neumark hinein)
verkauf ich wenig oder nichts; dann und wann einen „betenden
Knaben“. Ich könnte von meinem Standpunkt aus ſagen — und
dabei überflog ein feines Lächeln ſein Geſicht — wo der gute
Boden aufhört, da fängt der „betende Knabe“ an.

„Nun da gehen dieſe wohl in’s Bruch,“ erwiederte ich lachend,
indem ich auf Flora und Aurora zeigte.

„Aurora und Flora gehen in’s Bruch,“ wiederholte er mit
humoriſtiſcher Würde. „Auch Amor und Pſyche.“ — Ich nickte
verſtändnißvoll.

Wir ſtanden nun auf und traten an die Schiffswandung.
Er ſah, daß ich einen Blick in die Landſchaft thun wollte und
wartete, bis ich die Unterhaltung wieder aufnehmen würde.

Das linke Oderufer iſt hüglig und maleriſch, das rechte flach
und reizlos. Der eigentliche Uferrand iſt aber auch hier ſteil und
abſchüſſig und die Wandung mit Weidengebüſch beſetzt. Das Waſ-
ſer iſt gelblich, flach, voll Inſeln und Untiefen und die Paſſage,
ſelbſt bei genauer Kenntniß des Fahrwaſſers, ſehr ſchwierig. We-
nigſtens um die Sommerzeit. Vorn am Bugſpriet ſtehen zwei
Schiffsknechte (ich weiß nicht, ob man bei Flußdampfern von
„Matroſen“ ſprechen darf) mit langen Stangen und nehmen be-
ſtändig Meſſungen vor, die um ſo unerläßlicher ſind, als die
Sandbänke ihre Stelle wechſeln und heute hier, morgen da zu
finden ſind.

Fluß, Ufer, Fahrt, alles hat den norddeutſchen Charakter.

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[7/0019] Figurenmann (der ſich durch das hierlandes ſelten gebrauchte „mein Herr“ ſofort als ein Mann von gewiſſen „Allüren“ einführt) „es richtet ſich nach der Gegend.“ „Ich dachte König und Königin.“ „Verſteht ſich, verſteht ſich,“ unterbricht mich der Figuren- mann, als ſei er mißverſtanden, „Königliches Haus und Goethe- Schiller immer voran. Selbſtverſtändlich.“ — „Aber außerdem?“ „Ja, das war es eben, mein Herr. Hier herüber (dabei deu- tete er, nach rechts hin, in die Sandgegenden der Neumark hinein) verkauf ich wenig oder nichts; dann und wann einen „betenden Knaben“. Ich könnte von meinem Standpunkt aus ſagen — und dabei überflog ein feines Lächeln ſein Geſicht — wo der gute Boden aufhört, da fängt der „betende Knabe“ an. „Nun da gehen dieſe wohl in’s Bruch,“ erwiederte ich lachend, indem ich auf Flora und Aurora zeigte. „Aurora und Flora gehen in’s Bruch,“ wiederholte er mit humoriſtiſcher Würde. „Auch Amor und Pſyche.“ — Ich nickte verſtändnißvoll. Wir ſtanden nun auf und traten an die Schiffswandung. Er ſah, daß ich einen Blick in die Landſchaft thun wollte und wartete, bis ich die Unterhaltung wieder aufnehmen würde. Das linke Oderufer iſt hüglig und maleriſch, das rechte flach und reizlos. Der eigentliche Uferrand iſt aber auch hier ſteil und abſchüſſig und die Wandung mit Weidengebüſch beſetzt. Das Waſ- ſer iſt gelblich, flach, voll Inſeln und Untiefen und die Paſſage, ſelbſt bei genauer Kenntniß des Fahrwaſſers, ſehr ſchwierig. We- nigſtens um die Sommerzeit. Vorn am Bugſpriet ſtehen zwei Schiffsknechte (ich weiß nicht, ob man bei Flußdampfern von „Matroſen“ ſprechen darf) mit langen Stangen und nehmen be- ſtändig Meſſungen vor, die um ſo unerläßlicher ſind, als die Sandbänke ihre Stelle wechſeln und heute hier, morgen da zu finden ſind. Fluß, Ufer, Fahrt, alles hat den norddeutſchen Charakter.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/19>, abgerufen am 25.04.2024.