verwahrlost, er gab ihm einen neuen Geist, und dieser Geist war es, der sich sieben Jahre später ruhmreich in jenen kleinen Käm- pfen bewährte, die einem ruhmlosen Großkampf folgten. Bei Al- tenzaun, dreiviertel Meile oberhalb der Sandauer Fähre, am 26. October, waren es die Mittenwaldner Jäger, die den Elb- übergang des Blücher'schen Corps zu decken hatten. Sie thaten es mit Ruhm und Geschick. Die Jäger kehrten nicht nach Mit- tenwalde zurück; York selbst nur auf wenige Tage (im Januar 1807),*) dann rief ihn die Noth des Vaterlandes dorthin, wo damals allein noch Preußen war, -- nach Königsberg. Die Mit- tenwaldner aber waren stolz auf ihren York, und als nach schwe- ren Jahren der Erniedrigung alles Volk in Preußenland zu Ge- wehr und Lanze griff und "Landwehr" wurde, da griffen die Mittenwaldner zur Büchse und wurden -- Jäger. Wenigstens deutet darauf die Gedächtnißtafel in der Kirche hin, wo die Na- men der Gefallenen, fast ausnahmelos die Bezeichnung J., F.-J. und G.-J., d. h. also Jäger, Freiwilliger Jäger und Garde- Jäger tragen.
Das Haus, das Major von York bewohnte, existirt noch. Es ist jetzt ein Gasthaus, in der Hauptstraße der Stadt gelegen, und führt, wie billig, den Namen "Hotel York." Ueber der Hausthür befindet sich eine Nische und an derselben Stelle, wo sonst wohl ein "Mohr" oder ein "Engel" zu stehen pflegt, steht hier eine Büste des alten York. Auch in den Zimmern findet sich sein Bild. Die Lokalität ist im Großen und Ganzen noch ganz dieselbe wie sie vor 60 Jahren war: hinter dem Hause ein Hof und hinter dem Hof ein Garten, beide, Hof und Garten, von Stall- und Wirthschaftsgebäuden umstellt, an denen sich malerisch die Treppen und Stiegen im Zickzack an den Außenwänden ent- lang ziehen. Im Innern des Hauses hat sich natürlich viel ver-
*) Droysen erzählt: "Als York in das Zimmer trat, ward er von seiner Frau, seinen Kindern nicht wieder erkannt. Aber das Vögelchen im Käfig flatterte wie vor Freuden hoch auf und sank dann todt hin".
verwahrloſt, er gab ihm einen neuen Geiſt, und dieſer Geiſt war es, der ſich ſieben Jahre ſpäter ruhmreich in jenen kleinen Käm- pfen bewährte, die einem ruhmloſen Großkampf folgten. Bei Al- tenzaun, dreiviertel Meile oberhalb der Sandauer Fähre, am 26. October, waren es die Mittenwaldner Jäger, die den Elb- übergang des Blücher’ſchen Corps zu decken hatten. Sie thaten es mit Ruhm und Geſchick. Die Jäger kehrten nicht nach Mit- tenwalde zurück; York ſelbſt nur auf wenige Tage (im Januar 1807),*) dann rief ihn die Noth des Vaterlandes dorthin, wo damals allein noch Preußen war, — nach Königsberg. Die Mit- tenwaldner aber waren ſtolz auf ihren York, und als nach ſchwe- ren Jahren der Erniedrigung alles Volk in Preußenland zu Ge- wehr und Lanze griff und „Landwehr“ wurde, da griffen die Mittenwaldner zur Büchſe und wurden — Jäger. Wenigſtens deutet darauf die Gedächtnißtafel in der Kirche hin, wo die Na- men der Gefallenen, faſt ausnahmelos die Bezeichnung J., F.-J. und G.-J., d. h. alſo Jäger, Freiwilliger Jäger und Garde- Jäger tragen.
Das Haus, das Major von York bewohnte, exiſtirt noch. Es iſt jetzt ein Gaſthaus, in der Hauptſtraße der Stadt gelegen, und führt, wie billig, den Namen „Hotel York.“ Ueber der Hausthür befindet ſich eine Niſche und an derſelben Stelle, wo ſonſt wohl ein „Mohr“ oder ein „Engel“ zu ſtehen pflegt, ſteht hier eine Büſte des alten York. Auch in den Zimmern findet ſich ſein Bild. Die Lokalität iſt im Großen und Ganzen noch ganz dieſelbe wie ſie vor 60 Jahren war: hinter dem Hauſe ein Hof und hinter dem Hof ein Garten, beide, Hof und Garten, von Stall- und Wirthſchaftsgebäuden umſtellt, an denen ſich maleriſch die Treppen und Stiegen im Zickzack an den Außenwänden ent- lang ziehen. Im Innern des Hauſes hat ſich natürlich viel ver-
*) Droyſen erzählt: „Als York in das Zimmer trat, ward er von ſeiner Frau, ſeinen Kindern nicht wieder erkannt. Aber das Vögelchen im Käfig flatterte wie vor Freuden hoch auf und ſank dann todt hin“.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0167"n="155"/>
verwahrloſt, er gab ihm einen neuen Geiſt, und dieſer Geiſt war<lb/>
es, der ſich ſieben Jahre ſpäter ruhmreich in jenen kleinen Käm-<lb/>
pfen bewährte, die einem ruhmloſen Großkampf folgten. Bei Al-<lb/>
tenzaun, dreiviertel Meile oberhalb der Sandauer Fähre, am<lb/>
26. October, waren es die Mittenwaldner Jäger, die den Elb-<lb/>
übergang des Blücher’ſchen Corps zu decken hatten. Sie thaten<lb/>
es mit Ruhm und Geſchick. Die Jäger kehrten nicht nach Mit-<lb/>
tenwalde zurück; York ſelbſt nur auf wenige Tage (im Januar<lb/>
1807),<noteplace="foot"n="*)">Droyſen erzählt: „Als York in das Zimmer trat, ward er von<lb/>ſeiner Frau, ſeinen Kindern nicht wieder erkannt. Aber das Vögelchen im<lb/>
Käfig flatterte wie vor Freuden hoch auf und ſank dann todt hin“.</note> dann rief ihn die Noth des Vaterlandes dorthin, wo<lb/>
damals allein noch Preußen war, — nach Königsberg. Die Mit-<lb/>
tenwaldner aber waren ſtolz auf ihren York, und als nach ſchwe-<lb/>
ren Jahren der Erniedrigung alles Volk in Preußenland zu Ge-<lb/>
wehr und Lanze griff und „Landwehr“ wurde, da griffen die<lb/>
Mittenwaldner zur <hirendition="#g">Büchſe</hi> und wurden —<hirendition="#g">Jäger</hi>. Wenigſtens<lb/>
deutet darauf die Gedächtnißtafel in der Kirche hin, wo die Na-<lb/>
men der Gefallenen, faſt ausnahmelos die Bezeichnung J., F.-J.<lb/>
und G.-J., d. h. alſo Jäger, Freiwilliger Jäger und Garde-<lb/>
Jäger tragen.</p><lb/><p>Das Haus, das Major von York bewohnte, exiſtirt noch.<lb/>
Es iſt jetzt ein Gaſthaus, in der Hauptſtraße der Stadt gelegen,<lb/>
und führt, wie billig, den Namen „<hirendition="#g">Hotel York</hi>.“ Ueber der<lb/>
Hausthür befindet ſich eine Niſche und an derſelben Stelle, wo<lb/>ſonſt wohl ein „Mohr“ oder ein „Engel“ zu ſtehen pflegt, ſteht<lb/>
hier eine Büſte des alten York. Auch in den Zimmern findet ſich<lb/>ſein Bild. Die Lokalität iſt im Großen und Ganzen noch ganz<lb/>
dieſelbe wie ſie vor 60 Jahren war: hinter dem Hauſe ein Hof<lb/>
und hinter dem Hof ein Garten, beide, Hof und Garten, von<lb/>
Stall- und Wirthſchaftsgebäuden umſtellt, an denen ſich maleriſch<lb/>
die Treppen und Stiegen im Zickzack an den Außenwänden ent-<lb/>
lang ziehen. Im Innern des Hauſes hat ſich natürlich viel ver-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[155/0167]
verwahrloſt, er gab ihm einen neuen Geiſt, und dieſer Geiſt war
es, der ſich ſieben Jahre ſpäter ruhmreich in jenen kleinen Käm-
pfen bewährte, die einem ruhmloſen Großkampf folgten. Bei Al-
tenzaun, dreiviertel Meile oberhalb der Sandauer Fähre, am
26. October, waren es die Mittenwaldner Jäger, die den Elb-
übergang des Blücher’ſchen Corps zu decken hatten. Sie thaten
es mit Ruhm und Geſchick. Die Jäger kehrten nicht nach Mit-
tenwalde zurück; York ſelbſt nur auf wenige Tage (im Januar
1807), *) dann rief ihn die Noth des Vaterlandes dorthin, wo
damals allein noch Preußen war, — nach Königsberg. Die Mit-
tenwaldner aber waren ſtolz auf ihren York, und als nach ſchwe-
ren Jahren der Erniedrigung alles Volk in Preußenland zu Ge-
wehr und Lanze griff und „Landwehr“ wurde, da griffen die
Mittenwaldner zur Büchſe und wurden — Jäger. Wenigſtens
deutet darauf die Gedächtnißtafel in der Kirche hin, wo die Na-
men der Gefallenen, faſt ausnahmelos die Bezeichnung J., F.-J.
und G.-J., d. h. alſo Jäger, Freiwilliger Jäger und Garde-
Jäger tragen.
Das Haus, das Major von York bewohnte, exiſtirt noch.
Es iſt jetzt ein Gaſthaus, in der Hauptſtraße der Stadt gelegen,
und führt, wie billig, den Namen „Hotel York.“ Ueber der
Hausthür befindet ſich eine Niſche und an derſelben Stelle, wo
ſonſt wohl ein „Mohr“ oder ein „Engel“ zu ſtehen pflegt, ſteht
hier eine Büſte des alten York. Auch in den Zimmern findet ſich
ſein Bild. Die Lokalität iſt im Großen und Ganzen noch ganz
dieſelbe wie ſie vor 60 Jahren war: hinter dem Hauſe ein Hof
und hinter dem Hof ein Garten, beide, Hof und Garten, von
Stall- und Wirthſchaftsgebäuden umſtellt, an denen ſich maleriſch
die Treppen und Stiegen im Zickzack an den Außenwänden ent-
lang ziehen. Im Innern des Hauſes hat ſich natürlich viel ver-
*) Droyſen erzählt: „Als York in das Zimmer trat, ward er von
ſeiner Frau, ſeinen Kindern nicht wieder erkannt. Aber das Vögelchen im
Käfig flatterte wie vor Freuden hoch auf und ſank dann todt hin“.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/167>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.