sich Roth, und als der unerschütterlich Gläubige, allem Widerpart zum Trotz, jenes Vertrauenslied anstimmte, das von Strophe zu Strophe ausruft:
Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lieb' in Ewigkeit,
da war das Herz der sonst frommen Frau in den Wirrsalen des Lebens bereits bitter und klein genug geworden, um sich abzu- wenden von einer starken Glaubenskraft, die über die Kraft ihres eigenen schwachen Herzens hinausging. Tiefe Schwermuth ergriff sie. Paul Gerhardt selbst aber, in jener Freudigkeit, wie sie das Vorgefühl nahen Sieges, endlicher Erhörung leiht, schlug seine Bibel auf und las die Worte des Psalmisten: "Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn: er wird's wohl machen". Wie ein Funken fiel das Wort in seine Brust. Er athmete höher auf; die Stube wurde ihm zu eng, und auf- und abschreitend in den Gängen des Probsteigartens, entstanden die ersten Strophen jenes Trostliedes:
Befiehl Du Deine Wege Und was das Herze kränkt.
In freudigster Erregung eilte er in das Haus zurück; em- pfand er sich jetzt doch als den Träger einer Botschaft, der kein Herz widerstehen könne, und siehe da, an der schwermüthigen Stim- mung seiner Frau erprobte dies Lied zuerst seine wunderbare Kraft. Alles Leid floß hin in Thränen, alle Trübsal wurde Licht, und eh noch der Rausch gehobenster Empfindung vorüber war, war auch schon die Hülfe da -- ein Abgesandter, ein Brief, der den Probst von Mittenwalde als Diakonus an die Berliner Nicolai- kirche berief. Er reichte seiner Hausfrau den Brief und sagte ruhig: "Siehe wie Gott sorget; Befiehl dem Herrn Deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohl machen".
Paul Gerhardt verließ Mittenwalde im Juli 1657; dem wei- tern Gange seines Lebens folgen wir an dieser Stelle nicht, aber
ſich Roth, und als der unerſchütterlich Gläubige, allem Widerpart zum Trotz, jenes Vertrauenslied anſtimmte, das von Strophe zu Strophe ausruft:
Alles Ding währt ſeine Zeit, Gottes Lieb’ in Ewigkeit,
da war das Herz der ſonſt frommen Frau in den Wirrſalen des Lebens bereits bitter und klein genug geworden, um ſich abzu- wenden von einer ſtarken Glaubenskraft, die über die Kraft ihres eigenen ſchwachen Herzens hinausging. Tiefe Schwermuth ergriff ſie. Paul Gerhardt ſelbſt aber, in jener Freudigkeit, wie ſie das Vorgefühl nahen Sieges, endlicher Erhörung leiht, ſchlug ſeine Bibel auf und las die Worte des Pſalmiſten: „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn: er wird’s wohl machen“. Wie ein Funken fiel das Wort in ſeine Bruſt. Er athmete höher auf; die Stube wurde ihm zu eng, und auf- und abſchreitend in den Gängen des Probſteigartens, entſtanden die erſten Strophen jenes Troſtliedes:
Befiehl Du Deine Wege Und was das Herze kränkt.
In freudigſter Erregung eilte er in das Haus zurück; em- pfand er ſich jetzt doch als den Träger einer Botſchaft, der kein Herz widerſtehen könne, und ſiehe da, an der ſchwermüthigen Stim- mung ſeiner Frau erprobte dies Lied zuerſt ſeine wunderbare Kraft. Alles Leid floß hin in Thränen, alle Trübſal wurde Licht, und eh noch der Rauſch gehobenſter Empfindung vorüber war, war auch ſchon die Hülfe da — ein Abgeſandter, ein Brief, der den Probſt von Mittenwalde als Diakonus an die Berliner Nicolai- kirche berief. Er reichte ſeiner Hausfrau den Brief und ſagte ruhig: „Siehe wie Gott ſorget; Befiehl dem Herrn Deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl machen“.
Paul Gerhardt verließ Mittenwalde im Juli 1657; dem wei- tern Gange ſeines Lebens folgen wir an dieſer Stelle nicht, aber
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ſich Roth, und als der unerſchütterlich Gläubige, allem Widerpart
zum Trotz, jenes Vertrauenslied anſtimmte, das von Strophe zu
Strophe ausruft:
Alles Ding währt ſeine Zeit,
Gottes Lieb’ in Ewigkeit,
da war das Herz der ſonſt frommen Frau in den Wirrſalen des
Lebens bereits bitter und klein genug geworden, um ſich abzu-
wenden von einer ſtarken Glaubenskraft, die über die Kraft ihres
eigenen ſchwachen Herzens hinausging. Tiefe Schwermuth ergriff
ſie. Paul Gerhardt ſelbſt aber, in jener Freudigkeit, wie ſie das
Vorgefühl nahen Sieges, endlicher Erhörung leiht, ſchlug ſeine
Bibel auf und las die Worte des Pſalmiſten: „Befiehl dem Herrn
deine Wege und hoffe auf ihn: er wird’s wohl machen“. Wie
ein Funken fiel das Wort in ſeine Bruſt. Er athmete höher auf;
die Stube wurde ihm zu eng, und auf- und abſchreitend in den
Gängen des Probſteigartens, entſtanden die erſten Strophen jenes
Troſtliedes:
Befiehl Du Deine Wege
Und was das Herze kränkt.
In freudigſter Erregung eilte er in das Haus zurück; em-
pfand er ſich jetzt doch als den Träger einer Botſchaft, der kein
Herz widerſtehen könne, und ſiehe da, an der ſchwermüthigen Stim-
mung ſeiner Frau erprobte dies Lied zuerſt ſeine wunderbare Kraft.
Alles Leid floß hin in Thränen, alle Trübſal wurde Licht, und
eh noch der Rauſch gehobenſter Empfindung vorüber war, war
auch ſchon die Hülfe da — ein Abgeſandter, ein Brief, der den
Probſt von Mittenwalde als Diakonus an die Berliner Nicolai-
kirche berief. Er reichte ſeiner Hausfrau den Brief und ſagte ruhig:
„Siehe wie Gott ſorget; Befiehl dem Herrn Deine Wege
und hoffe auf ihn, er wird’s wohl machen“.
Paul Gerhardt verließ Mittenwalde im Juli 1657; dem wei-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/163>, abgerufen am 23.11.2024.
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