wir nach links hin in tiefe Sandgeleise, in die eigentliche Teupitzer Ge- gend ein. Es ist ein ganz eigenthümliches Haideland, vielleicht am meisten unsern Wedding-Parthieen verwandt, wo um den Plötzen- See herum, die Rehberge und die Ausläufer der Jungfern-Haide zusammenstoßen. Auch die Namen klingen ähnlich: "Sandkrug, Spiesberge" und "der hungrige Wolf." Hier wie dort sind es die alten wohlbekannten Elemente: "Sand und See, Kiefer und Kussel," die sich zu Landschaftsbildern zusammenstellen; aber so alltäglich die Dinge selber sind, so apart ist ihre Gruppirung, zu- mal in dieser Teupitzer Gegend. Die Kiefer, groß und klein, tritt nirgends (oder doch beinahe nirgends) in geschlossenen Massen auf; nicht en colonne steht sie da, sie bildet Schützenlinien, ein aufgelöstes Gefecht. Die Dämmerung unterstützt die Vorstellung eines Heerlagers. Dort auf der Kuppe stehen drei Alte und lugen aus; am Abhang lagert eine Feldwacht jungen Volks; eine lange Postenkette von Kusseln zieht sich am See entlang und reicht einem andern Lagertrupp die Hand. Dazwischen Sand und Moos und dann und wann ein Aehrenfeld, dünn, kümmerlich, ein bloßer Versuch, eine Anfrage an die Natur.
Es ist inzwischen immer heller geworden. Das Grau am Horizont wurde weiß, das Weiß wurde isabell-, dann rosenfarben; nun schießt es wie Feuerlilien auf, der Sand verschwindet, See- und Morgenkühle wehen uns an, und während der Sonnenball hinter der Teupitzer Kirche aufsteigt, fahren wir in die noch stille Straße des Städtchens ein.
Der Wagen hält vor der Post, schrägüber vom "goldnen Stern." Der goldne Stern ist ein Eckhaus; vor seiner Thür steht ein Akazienbaum und an dem Laubenvorbau lehnt der Wirth, seines Zeichens ein Bäcker. Das ist eine gute Vorbedeutung. Un- ter allen Gewerksmeistern steht doch der Bäcker unserm innern Menschen am nächsten. Freundlich weist er mich zurecht, dem Mü- den ist leicht gebettet, und ich schicke mich an zu einer Stunde Morgenschlaf. Ein frischer Luftstrom zieht durch das Gazefenster, die Akazie draußen bewegt sich leise, die Tauben auf dem einge-
wir nach links hin in tiefe Sandgeleiſe, in die eigentliche Teupitzer Ge- gend ein. Es iſt ein ganz eigenthümliches Haideland, vielleicht am meiſten unſern Wedding-Parthieen verwandt, wo um den Plötzen- See herum, die Rehberge und die Ausläufer der Jungfern-Haide zuſammenſtoßen. Auch die Namen klingen ähnlich: „Sandkrug, Spiesberge“ und „der hungrige Wolf.“ Hier wie dort ſind es die alten wohlbekannten Elemente: „Sand und See, Kiefer und Kuſſel,“ die ſich zu Landſchaftsbildern zuſammenſtellen; aber ſo alltäglich die Dinge ſelber ſind, ſo apart iſt ihre Gruppirung, zu- mal in dieſer Teupitzer Gegend. Die Kiefer, groß und klein, tritt nirgends (oder doch beinahe nirgends) in geſchloſſenen Maſſen auf; nicht en colonne ſteht ſie da, ſie bildet Schützenlinien, ein aufgelöſtes Gefecht. Die Dämmerung unterſtützt die Vorſtellung eines Heerlagers. Dort auf der Kuppe ſtehen drei Alte und lugen aus; am Abhang lagert eine Feldwacht jungen Volks; eine lange Poſtenkette von Kuſſeln zieht ſich am See entlang und reicht einem andern Lagertrupp die Hand. Dazwiſchen Sand und Moos und dann und wann ein Aehrenfeld, dünn, kümmerlich, ein bloßer Verſuch, eine Anfrage an die Natur.
Es iſt inzwiſchen immer heller geworden. Das Grau am Horizont wurde weiß, das Weiß wurde iſabell-, dann roſenfarben; nun ſchießt es wie Feuerlilien auf, der Sand verſchwindet, See- und Morgenkühle wehen uns an, und während der Sonnenball hinter der Teupitzer Kirche aufſteigt, fahren wir in die noch ſtille Straße des Städtchens ein.
Der Wagen hält vor der Poſt, ſchrägüber vom „goldnen Stern.“ Der goldne Stern iſt ein Eckhaus; vor ſeiner Thür ſteht ein Akazienbaum und an dem Laubenvorbau lehnt der Wirth, ſeines Zeichens ein Bäcker. Das iſt eine gute Vorbedeutung. Un- ter allen Gewerksmeiſtern ſteht doch der Bäcker unſerm innern Menſchen am nächſten. Freundlich weiſt er mich zurecht, dem Mü- den iſt leicht gebettet, und ich ſchicke mich an zu einer Stunde Morgenſchlaf. Ein friſcher Luftſtrom zieht durch das Gazefenſter, die Akazie draußen bewegt ſich leiſe, die Tauben auf dem einge-
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wir nach links hin in tiefe Sandgeleiſe, in die eigentliche Teupitzer Ge-
gend ein. Es iſt ein ganz eigenthümliches Haideland, vielleicht am
meiſten unſern Wedding-Parthieen verwandt, wo um den Plötzen-
See herum, die Rehberge und die Ausläufer der Jungfern-Haide
zuſammenſtoßen. Auch die Namen klingen ähnlich: „Sandkrug,
Spiesberge“ und „der hungrige Wolf.“ Hier wie dort ſind es
die alten wohlbekannten Elemente: „Sand und See, Kiefer und
Kuſſel,“ die ſich zu Landſchaftsbildern zuſammenſtellen; aber ſo
alltäglich die Dinge ſelber ſind, ſo apart iſt ihre Gruppirung, zu-
mal in dieſer Teupitzer Gegend. Die Kiefer, groß und klein, tritt
nirgends (oder doch beinahe nirgends) in geſchloſſenen Maſſen
auf; nicht en colonne ſteht ſie da, ſie bildet Schützenlinien, ein
aufgelöſtes Gefecht. Die Dämmerung unterſtützt die Vorſtellung
eines Heerlagers. Dort auf der Kuppe ſtehen drei Alte und lugen
aus; am Abhang lagert eine Feldwacht jungen Volks; eine lange
Poſtenkette von Kuſſeln zieht ſich am See entlang und reicht einem
andern Lagertrupp die Hand. Dazwiſchen Sand und Moos und
dann und wann ein Aehrenfeld, dünn, kümmerlich, ein bloßer
Verſuch, eine Anfrage an die Natur.
Es iſt inzwiſchen immer heller geworden. Das Grau am
Horizont wurde weiß, das Weiß wurde iſabell-, dann roſenfarben;
nun ſchießt es wie Feuerlilien auf, der Sand verſchwindet, See-
und Morgenkühle wehen uns an, und während der Sonnenball
hinter der Teupitzer Kirche aufſteigt, fahren wir in die noch ſtille
Straße des Städtchens ein.
Der Wagen hält vor der Poſt, ſchrägüber vom „goldnen
Stern.“ Der goldne Stern iſt ein Eckhaus; vor ſeiner Thür ſteht
ein Akazienbaum und an dem Laubenvorbau lehnt der Wirth,
ſeines Zeichens ein Bäcker. Das iſt eine gute Vorbedeutung. Un-
ter allen Gewerksmeiſtern ſteht doch der Bäcker unſerm innern
Menſchen am nächſten. Freundlich weiſt er mich zurecht, dem Mü-
den iſt leicht gebettet, und ich ſchicke mich an zu einer Stunde
Morgenſchlaf. Ein friſcher Luftſtrom zieht durch das Gazefenſter,
die Akazie draußen bewegt ſich leiſe, die Tauben auf dem einge-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/145>, abgerufen am 27.11.2024.
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