Die Bilder, die sich noch gegenwärtig in Cossenblatt befin- den, (neuerdings, Sommer 1863, nach Königs-Wusterhausen ge- schafft) tragen zwar zufällig diese Inschrift nicht; sie sind aber nichts destoweniger in tormentis gemalt, und sehen auch danach aus.
Nach diesen historischen Vorbemerkungen schicken wir uns nun- mehr, unsern Plauderplatz unter der Weinlaube des Prediger- hauses aufgebend, zum Besuch des Schlosses selber an.
Die Lage desselben ist nicht günstig. Ein Schloß, ein Her- renhaus, wo die Natur nicht Berg, nicht See geboten hat, muß entweder, nur wenig zurücktretend, sich in gleicher Linie mit der Dorfgasse erheben, oder aber inmitten eines Parks liegen, hinter dessen Bäumen es sich halb versteckt. Das Cossenblatter Schloß thut weder das eine, noch das andere. Der Platz an der Dorf- gasse war schon vergeben (das alte Herrenhaus nahm diesen Platz ein), und so erhebt sich das Schloß hinter dem jetzigen Amtshof, dessen Wirthschaftsgebäude zugleich die Auffahrt zum Schlosse bil- den. Dehnte sich nun unmittelbar hinter dem Amtshof ein Park, ein Wald aus, aus dem das blendend weiße Schloß hier und da hervorschimmerte, so würde durch die sonderbare Art der Auffahrt nicht viel verloren sein, ja sie könnte vielleicht einer poetisch male- rischen Wirkung Vorschub leisten; aber dieser Wald fehlt, und wie auf einer Tischplatte, über die man ein graugrünes Tuch gelegt hat, steht das Schloß da, unvermittelt, ohne Vor- und Hintergrund, wie eine Tempelruine in der Wüste. Dieser Aus- druck aber soll nur das Unvermittelte des Aufsteigens bezeichnen, denn Schloß Cossenblatt, wie viel ihm im Uebrigen fehlen mag, ist jedenfalls keine Ruine, vielmehr liegt es in einer gewissen Stattlichkeit und Wohlerhaltenheit da, die auf den ersten Blick überrascht. Erst ein Eingehen in die Details zeigt, daß dies letztere mehr scheinbar als wirklich ist.
Wir stehen nun in Front des fast wie Kreide in der Sonne blitzenden Schlosses, das aus einem Corps de Logis und zwei Flügeln besteht. Der erste Eindruck, wenn wir von dem Un- malerischen der Lage absehen, ist architektonisch kein ungünstiger, und erst die Rückfront des Baues zeigt uns seine Schwächen: die
Die Bilder, die ſich noch gegenwärtig in Coſſenblatt befin- den, (neuerdings, Sommer 1863, nach Königs-Wuſterhauſen ge- ſchafft) tragen zwar zufällig dieſe Inſchrift nicht; ſie ſind aber nichts deſtoweniger in tormentis gemalt, und ſehen auch danach aus.
Nach dieſen hiſtoriſchen Vorbemerkungen ſchicken wir uns nun- mehr, unſern Plauderplatz unter der Weinlaube des Prediger- hauſes aufgebend, zum Beſuch des Schloſſes ſelber an.
Die Lage deſſelben iſt nicht günſtig. Ein Schloß, ein Her- renhaus, wo die Natur nicht Berg, nicht See geboten hat, muß entweder, nur wenig zurücktretend, ſich in gleicher Linie mit der Dorfgaſſe erheben, oder aber inmitten eines Parks liegen, hinter deſſen Bäumen es ſich halb verſteckt. Das Coſſenblatter Schloß thut weder das eine, noch das andere. Der Platz an der Dorf- gaſſe war ſchon vergeben (das alte Herrenhaus nahm dieſen Platz ein), und ſo erhebt ſich das Schloß hinter dem jetzigen Amtshof, deſſen Wirthſchaftsgebäude zugleich die Auffahrt zum Schloſſe bil- den. Dehnte ſich nun unmittelbar hinter dem Amtshof ein Park, ein Wald aus, aus dem das blendend weiße Schloß hier und da hervorſchimmerte, ſo würde durch die ſonderbare Art der Auffahrt nicht viel verloren ſein, ja ſie könnte vielleicht einer poetiſch male- riſchen Wirkung Vorſchub leiſten; aber dieſer Wald fehlt, und wie auf einer Tiſchplatte, über die man ein graugrünes Tuch gelegt hat, ſteht das Schloß da, unvermittelt, ohne Vor- und Hintergrund, wie eine Tempelruine in der Wüſte. Dieſer Aus- druck aber ſoll nur das Unvermittelte des Aufſteigens bezeichnen, denn Schloß Coſſenblatt, wie viel ihm im Uebrigen fehlen mag, iſt jedenfalls keine Ruine, vielmehr liegt es in einer gewiſſen Stattlichkeit und Wohlerhaltenheit da, die auf den erſten Blick überraſcht. Erſt ein Eingehen in die Details zeigt, daß dies letztere mehr ſcheinbar als wirklich iſt.
Wir ſtehen nun in Front des faſt wie Kreide in der Sonne blitzenden Schloſſes, das aus einem Corps de Logis und zwei Flügeln beſteht. Der erſte Eindruck, wenn wir von dem Un- maleriſchen der Lage abſehen, iſt architektoniſch kein ungünſtiger, und erſt die Rückfront des Baues zeigt uns ſeine Schwächen: die
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Die Bilder, die ſich noch gegenwärtig in Coſſenblatt befin-
den, (neuerdings, Sommer 1863, nach Königs-Wuſterhauſen ge-
ſchafft) tragen zwar zufällig dieſe Inſchrift nicht; ſie ſind aber nichts
deſtoweniger in tormentis gemalt, und ſehen auch danach aus.
Nach dieſen hiſtoriſchen Vorbemerkungen ſchicken wir uns nun-
mehr, unſern Plauderplatz unter der Weinlaube des Prediger-
hauſes aufgebend, zum Beſuch des Schloſſes ſelber an.
Die Lage deſſelben iſt nicht günſtig. Ein Schloß, ein Her-
renhaus, wo die Natur nicht Berg, nicht See geboten hat, muß
entweder, nur wenig zurücktretend, ſich in gleicher Linie mit der
Dorfgaſſe erheben, oder aber inmitten eines Parks liegen, hinter
deſſen Bäumen es ſich halb verſteckt. Das Coſſenblatter Schloß
thut weder das eine, noch das andere. Der Platz an der Dorf-
gaſſe war ſchon vergeben (das alte Herrenhaus nahm dieſen Platz
ein), und ſo erhebt ſich das Schloß hinter dem jetzigen Amtshof,
deſſen Wirthſchaftsgebäude zugleich die Auffahrt zum Schloſſe bil-
den. Dehnte ſich nun unmittelbar hinter dem Amtshof ein Park,
ein Wald aus, aus dem das blendend weiße Schloß hier und da
hervorſchimmerte, ſo würde durch die ſonderbare Art der Auffahrt
nicht viel verloren ſein, ja ſie könnte vielleicht einer poetiſch male-
riſchen Wirkung Vorſchub leiſten; aber dieſer Wald fehlt, und
wie auf einer Tiſchplatte, über die man ein graugrünes Tuch
gelegt hat, ſteht das Schloß da, unvermittelt, ohne Vor- und
Hintergrund, wie eine Tempelruine in der Wüſte. Dieſer Aus-
druck aber ſoll nur das Unvermittelte des Aufſteigens bezeichnen,
denn Schloß Coſſenblatt, wie viel ihm im Uebrigen fehlen mag,
iſt jedenfalls keine Ruine, vielmehr liegt es in einer gewiſſen
Stattlichkeit und Wohlerhaltenheit da, die auf den erſten Blick
überraſcht. Erſt ein Eingehen in die Details zeigt, daß dies letztere
mehr ſcheinbar als wirklich iſt.
Wir ſtehen nun in Front des faſt wie Kreide in der Sonne
blitzenden Schloſſes, das aus einem Corps de Logis und zwei
Flügeln beſteht. Der erſte Eindruck, wenn wir von dem Un-
maleriſchen der Lage abſehen, iſt architektoniſch kein ungünſtiger,
und erſt die Rückfront des Baues zeigt uns ſeine Schwächen: die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/126>, abgerufen am 27.11.2024.
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