datische Schroffheit und rücksichtslose Derbheit mit einem scharfen Erkennen des eigenen Vortheils glücklich vereinen. Er war voll jener scharfen Lebensklugheit, der wir bei allen denen begegnen, die ein brennendes Verlangen nach Bereicherung tragen, und besaß in hohem Maße die Kunst (ganz wie bei Szalankament), einen glücklich gegebenen Moment zu benutzen; aber er besaß nicht die Kunst, einen solchen Moment durch feines Spiel, durch einen klug geschürzten Knoten herbeizuführen. Das aber ist der Unter- schied zwischen praktischer Lebensklugheit und Intrigue. Der "Prak- tiker" nutzt die Situation, der Intriguant macht sie. Jener wird meist realere, dieser in der Regel mehr ideelle Zwecke verfolgen; der Intriguant wird böser, gefährlicher, der "Praktiker" aber wird meist selbstsüchtiger sein.
Die Hofgeschichte jener Tage bietet zwei Beispiele, die diesen Unterschied recht klar in's Auge stellen. Als der Streit zwischen Schöning und Barfus auf seiner Höhe stand und niemand vor- aussagen mochte, wie er enden würde, verdarb Schöning sein eige- nes Spiel durch die agressive Weise, in der er vorging. Sein Hochmuth, seine Rechthaberei halfen den "richtigen Moment" be- reiten, auf den Barfus wartete oder vielleicht auch nicht wartete, den er aber als richtigen Moment zu benutzen verstand, sobald er gekommen war. Diese Benutzung zeigte sich einfach darin, daß er der anmaßlichen oder doch der allzusicheren Sprache Schönings, womit dieser seine Sache vor dem Kurfürsten führte, einen Ton der Devotion gegenüberstellte. Dieser Ton der Devotion hatte nichts von einer Intrigue an sich, er war das einfache Resultat des Schlusses: "Wo Anmaßung verletzt hat, wird Devotion dop- pelt willkommen sein." Und der Erfolg bewies, daß dieser Schluß ein richtiger gewesen war.
So weit reichten die Gaben unseres Barfus. Als es sich aber sechs Jahre später darum handelte, Eberhard Danckelmann, den Günstling des Kurfürsten, durch ein combinirtes Spiel, ein für allemal aus der Gunst seines Herrn zu entfernen, reichte es nicht aus, eine sich bietende Situation einfach zu benutzen, son-
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datiſche Schroffheit und rückſichtsloſe Derbheit mit einem ſcharfen Erkennen des eigenen Vortheils glücklich vereinen. Er war voll jener ſcharfen Lebensklugheit, der wir bei allen denen begegnen, die ein brennendes Verlangen nach Bereicherung tragen, und beſaß in hohem Maße die Kunſt (ganz wie bei Szalankament), einen glücklich gegebenen Moment zu benutzen; aber er beſaß nicht die Kunſt, einen ſolchen Moment durch feines Spiel, durch einen klug geſchürzten Knoten herbeizuführen. Das aber iſt der Unter- ſchied zwiſchen praktiſcher Lebensklugheit und Intrigue. Der „Prak- tiker“ nutzt die Situation, der Intriguant macht ſie. Jener wird meiſt realere, dieſer in der Regel mehr ideelle Zwecke verfolgen; der Intriguant wird böſer, gefährlicher, der „Praktiker“ aber wird meiſt ſelbſtſüchtiger ſein.
Die Hofgeſchichte jener Tage bietet zwei Beiſpiele, die dieſen Unterſchied recht klar in’s Auge ſtellen. Als der Streit zwiſchen Schöning und Barfus auf ſeiner Höhe ſtand und niemand vor- ausſagen mochte, wie er enden würde, verdarb Schöning ſein eige- nes Spiel durch die agreſſive Weiſe, in der er vorging. Sein Hochmuth, ſeine Rechthaberei halfen den „richtigen Moment“ be- reiten, auf den Barfus wartete oder vielleicht auch nicht wartete, den er aber als richtigen Moment zu benutzen verſtand, ſobald er gekommen war. Dieſe Benutzung zeigte ſich einfach darin, daß er der anmaßlichen oder doch der allzuſicheren Sprache Schönings, womit dieſer ſeine Sache vor dem Kurfürſten führte, einen Ton der Devotion gegenüberſtellte. Dieſer Ton der Devotion hatte nichts von einer Intrigue an ſich, er war das einfache Reſultat des Schluſſes: „Wo Anmaßung verletzt hat, wird Devotion dop- pelt willkommen ſein.“ Und der Erfolg bewies, daß dieſer Schluß ein richtiger geweſen war.
So weit reichten die Gaben unſeres Barfus. Als es ſich aber ſechs Jahre ſpäter darum handelte, Eberhard Danckelmann, den Günſtling des Kurfürſten, durch ein combinirtes Spiel, ein für allemal aus der Gunſt ſeines Herrn zu entfernen, reichte es nicht aus, eine ſich bietende Situation einfach zu benutzen, ſon-
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datiſche Schroffheit und rückſichtsloſe Derbheit mit einem ſcharfen
Erkennen des eigenen Vortheils glücklich vereinen. Er war voll
jener ſcharfen Lebensklugheit, der wir bei allen denen begegnen,
die ein brennendes Verlangen nach Bereicherung tragen, und beſaß
in hohem Maße die Kunſt (ganz wie bei Szalankament), einen
glücklich gegebenen Moment zu benutzen; aber er beſaß nicht die
Kunſt, einen ſolchen Moment durch feines Spiel, durch einen klug
geſchürzten Knoten herbeizuführen. Das aber iſt der Unter-
ſchied zwiſchen praktiſcher Lebensklugheit und Intrigue. Der „Prak-
tiker“ nutzt die Situation, der Intriguant macht ſie. Jener wird
meiſt realere, dieſer in der Regel mehr ideelle Zwecke verfolgen;
der Intriguant wird böſer, gefährlicher, der „Praktiker“ aber wird
meiſt ſelbſtſüchtiger ſein.
Die Hofgeſchichte jener Tage bietet zwei Beiſpiele, die dieſen
Unterſchied recht klar in’s Auge ſtellen. Als der Streit zwiſchen
Schöning und Barfus auf ſeiner Höhe ſtand und niemand vor-
ausſagen mochte, wie er enden würde, verdarb Schöning ſein eige-
nes Spiel durch die agreſſive Weiſe, in der er vorging. Sein
Hochmuth, ſeine Rechthaberei halfen den „richtigen Moment“ be-
reiten, auf den Barfus wartete oder vielleicht auch nicht wartete,
den er aber als richtigen Moment zu benutzen verſtand, ſobald er
gekommen war. Dieſe Benutzung zeigte ſich einfach darin, daß er
der anmaßlichen oder doch der allzuſicheren Sprache Schönings,
womit dieſer ſeine Sache vor dem Kurfürſten führte, einen Ton
der Devotion gegenüberſtellte. Dieſer Ton der Devotion hatte
nichts von einer Intrigue an ſich, er war das einfache Reſultat
des Schluſſes: „Wo Anmaßung verletzt hat, wird Devotion dop-
pelt willkommen ſein.“ Und der Erfolg bewies, daß dieſer Schluß
ein richtiger geweſen war.
So weit reichten die Gaben unſeres Barfus. Als es ſich
aber ſechs Jahre ſpäter darum handelte, Eberhard Danckelmann,
den Günſtling des Kurfürſten, durch ein combinirtes Spiel, ein
für allemal aus der Gunſt ſeines Herrn zu entfernen, reichte es
nicht aus, eine ſich bietende Situation einfach zu benutzen, ſon-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/109>, abgerufen am 27.11.2024.
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