nen hofmännischen Qualitäten. Als Soldat -- ohne ihn über- schätzen zu wollen -- erhob er sich, trotzdem er immer der Mann blieb, der "von der Pike auf" gedient hatte, weit über die Classe jener Corpsführer, die auf die Ordre eines Vorgesetzten hin, ihre Truppe prompt in's Feuer zu führen verstehen. Hätte seine mili- tärische Laufbahn mit der Erstürmung Ofens abgeschlossen, so würde er einfach einer jener "braven Soldaten" gewesen sein, wie deren unsere Kriegsgeschichte so viele aufzuweisen hat; sein zwei- maliges und jedesmal entscheidendes Eingreifen in die Schlacht bei Szalankament aber zeigt ihn uns allerdings, wenn nicht als einen wirklichen Feldherrn, so doch als einen Soldaten von höheren Gaben. Beide male handelte er ohne Ordre und folgte nur seiner persönlichen Erkenntniß dessen, was der gegebene Moment erheischte. Sein Auge und sein Charakter bewährten sich dabei gleichmäßig; er hatte den ruhigen Blick, das Richtige, das was noth that, zu erkennen, und er hatte den Muth, das als richtig Erkannte auf eigene Verantwortung hin auszuführen. Dieser Blick und dieser Muth gehören schon zu den selteneren Gaben.
Was ihm andererseits fehlte, das erkennen wir am besten, wenn wir sein militärisches Auftreten mit dem seines Nebenbuh- lers Schöning vergleichen. Schöning, wiewohl es ihm versagt blieb, in wirklich großen Verhältnissen zu wirken, geht dennoch, so oft er auftritt, jedesmal über das Alltägliche hinaus. Nicht zu- frieden damit, den Moment zu begreifen, begreift er die Situa- tion überhaupt. Es genügt ihm nicht, ein Nächstliegendes zu thun oder zu berechnen, sondern die Rücksicht auf das Ganze bestimmt seine Haltung. Am lehrreichsten nach dieser Seite hin, ist Schönings Auftreten vor Ofen. Kaum auf den Höhen erschienen, kaum begrüßt von der großen Christenarmee, die in weitem Halb- kreis die Festung umlagerte, rückte Schöning klingenden Spiels vor, und jede Deckung oder Vorsichtsmaßregel verschmähend, brachte er sich auf Einen Schlag in Linie mit dem Belagerungsheer. Der ungedeckte Vormarsch kostete Opfer und das ganze Manöver, glän- zend wie es war, fand nichts destoweniger lebhaften Tadel bei den
nen hofmänniſchen Qualitäten. Als Soldat — ohne ihn über- ſchätzen zu wollen — erhob er ſich, trotzdem er immer der Mann blieb, der „von der Pike auf“ gedient hatte, weit über die Claſſe jener Corpsführer, die auf die Ordre eines Vorgeſetzten hin, ihre Truppe prompt in’s Feuer zu führen verſtehen. Hätte ſeine mili- täriſche Laufbahn mit der Erſtürmung Ofens abgeſchloſſen, ſo würde er einfach einer jener „braven Soldaten“ geweſen ſein, wie deren unſere Kriegsgeſchichte ſo viele aufzuweiſen hat; ſein zwei- maliges und jedesmal entſcheidendes Eingreifen in die Schlacht bei Szalankament aber zeigt ihn uns allerdings, wenn nicht als einen wirklichen Feldherrn, ſo doch als einen Soldaten von höheren Gaben. Beide male handelte er ohne Ordre und folgte nur ſeiner perſönlichen Erkenntniß deſſen, was der gegebene Moment erheiſchte. Sein Auge und ſein Charakter bewährten ſich dabei gleichmäßig; er hatte den ruhigen Blick, das Richtige, das was noth that, zu erkennen, und er hatte den Muth, das als richtig Erkannte auf eigene Verantwortung hin auszuführen. Dieſer Blick und dieſer Muth gehören ſchon zu den ſelteneren Gaben.
Was ihm andererſeits fehlte, das erkennen wir am beſten, wenn wir ſein militäriſches Auftreten mit dem ſeines Nebenbuh- lers Schöning vergleichen. Schöning, wiewohl es ihm verſagt blieb, in wirklich großen Verhältniſſen zu wirken, geht dennoch, ſo oft er auftritt, jedesmal über das Alltägliche hinaus. Nicht zu- frieden damit, den Moment zu begreifen, begreift er die Situa- tion überhaupt. Es genügt ihm nicht, ein Nächſtliegendes zu thun oder zu berechnen, ſondern die Rückſicht auf das Ganze beſtimmt ſeine Haltung. Am lehrreichſten nach dieſer Seite hin, iſt Schönings Auftreten vor Ofen. Kaum auf den Höhen erſchienen, kaum begrüßt von der großen Chriſtenarmee, die in weitem Halb- kreis die Feſtung umlagerte, rückte Schöning klingenden Spiels vor, und jede Deckung oder Vorſichtsmaßregel verſchmähend, brachte er ſich auf Einen Schlag in Linie mit dem Belagerungsheer. Der ungedeckte Vormarſch koſtete Opfer und das ganze Manöver, glän- zend wie es war, fand nichts deſtoweniger lebhaften Tadel bei den
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nen hofmänniſchen Qualitäten. Als Soldat — ohne ihn über-
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blieb, der „von der Pike auf“ gedient hatte, weit über die Claſſe
jener Corpsführer, die auf die Ordre eines Vorgeſetzten hin, ihre
Truppe prompt in’s Feuer zu führen verſtehen. Hätte ſeine mili-
täriſche Laufbahn mit der Erſtürmung Ofens abgeſchloſſen, ſo
würde er einfach einer jener „braven Soldaten“ geweſen ſein, wie
deren unſere Kriegsgeſchichte ſo viele aufzuweiſen hat; ſein zwei-
maliges und jedesmal entſcheidendes Eingreifen in die Schlacht bei
Szalankament aber zeigt ihn uns allerdings, wenn nicht als einen
wirklichen Feldherrn, ſo doch als einen Soldaten von höheren
Gaben. Beide male handelte er ohne Ordre und folgte nur ſeiner
perſönlichen Erkenntniß deſſen, was der gegebene Moment erheiſchte.
Sein Auge und ſein Charakter bewährten ſich dabei gleichmäßig;
er hatte den ruhigen Blick, das Richtige, das was noth that, zu
erkennen, und er hatte den Muth, das als richtig Erkannte auf
eigene Verantwortung hin auszuführen. Dieſer Blick und dieſer
Muth gehören ſchon zu den ſelteneren Gaben.
Was ihm andererſeits fehlte, das erkennen wir am beſten,
wenn wir ſein militäriſches Auftreten mit dem ſeines Nebenbuh-
lers Schöning vergleichen. Schöning, wiewohl es ihm verſagt
blieb, in wirklich großen Verhältniſſen zu wirken, geht dennoch,
ſo oft er auftritt, jedesmal über das Alltägliche hinaus. Nicht zu-
frieden damit, den Moment zu begreifen, begreift er die Situa-
tion überhaupt. Es genügt ihm nicht, ein Nächſtliegendes zu
thun oder zu berechnen, ſondern die Rückſicht auf das Ganze
beſtimmt ſeine Haltung. Am lehrreichſten nach dieſer Seite hin, iſt
Schönings Auftreten vor Ofen. Kaum auf den Höhen erſchienen,
kaum begrüßt von der großen Chriſtenarmee, die in weitem Halb-
kreis die Feſtung umlagerte, rückte Schöning klingenden Spiels
vor, und jede Deckung oder Vorſichtsmaßregel verſchmähend, brachte
er ſich auf Einen Schlag in Linie mit dem Belagerungsheer. Der
ungedeckte Vormarſch koſtete Opfer und das ganze Manöver, glän-
zend wie es war, fand nichts deſtoweniger lebhaften Tadel bei den
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/106>, abgerufen am 27.11.2024.
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