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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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lassen wir den in Riemen hängenden Hintersitz seinem Schicksal
und setzen uns auf das Vorderbrett unmittelbar neben den Flaus-
rock, nicht gewillt, eine zweifelhafte Bequemlichkeit auf Kosten bes-
serer Unterhaltung zu erkaufen. Denn es unterhält sich schlecht auf
den Rücken andrer Leute los.

Noch einmal ein Peitschenknips, diesmal nicht in die Luft,
sondern in die Weichen des Einspänners, und über das Straßen-
pflasters hin, das noch die alten Traditionen des Ortes wahrt,
holpert und rasselt unser Wagen, dessen Hintersitz die komischsten
Sprünge macht, aus der Stadt hinaus, in den Freienwalder Kiez
hinein, bis plötzlich das Holpern und Rasseln einem süßen Gefühl
der Glätte und jenem leis knirschenden, im Kiessand mahlenden
Tone weicht, den jeder kennt, der aus dem Sturm und Drang
schlecht gepflasterter Straßen in den stillen Hafen einer Chaussee
eingemündet ist.

Der Weg, derselbe, der von Freienwalde nach Falkenberg
führte, ist glatt, der Abend schön. Duft und Nebel steigen aus
den Wiesengründen auf; der Wald zur Linken, wie es im Liede
heißt, steht schwarz und schweigend und nur vor uns, nach Nord-
westen hin, glüht noch der Abendhimmel in wunderbaren Farben-
spielen durch die Nebel hindurch. Es ist just die Stunde, um den
Schloßberg und die Burg der Uchtenhagen zu besuchen; die
Landschaft selbst ist wie ein weites Thor aufgethan, roth und gol-
den, um in das Land der Sage einzuführen.

Es labt uns das Bild und die Frische des Abends, aber
endlich haben wir abgeschlossen mit der Landschaft und ihrem Reiz,
und fühlen ein leises Unbehagen über das Schweigen unsres Füh-
rers, an dessen Seite wir doch Platz genommen, um bequemerer
Unterhaltung willen. Die ersten Hügelparthien liegen bereits hinter
uns, wir müssen bald halben Weges sein, aber er schweigt noch
immer. Da der Berg nicht zum Propheten kommt, so bleibt nichts
andres übrig, als das alte Auskunftsmittel, und blindlings in die
allerbequemste Form der Unterhaltung hineintappend, beginn ich
mit der Frage:


laſſen wir den in Riemen hängenden Hinterſitz ſeinem Schickſal
und ſetzen uns auf das Vorderbrett unmittelbar neben den Flaus-
rock, nicht gewillt, eine zweifelhafte Bequemlichkeit auf Koſten beſ-
ſerer Unterhaltung zu erkaufen. Denn es unterhält ſich ſchlecht auf
den Rücken andrer Leute los.

Noch einmal ein Peitſchenknips, diesmal nicht in die Luft,
ſondern in die Weichen des Einſpänners, und über das Straßen-
pflaſters hin, das noch die alten Traditionen des Ortes wahrt,
holpert und raſſelt unſer Wagen, deſſen Hinterſitz die komiſchſten
Sprünge macht, aus der Stadt hinaus, in den Freienwalder Kiez
hinein, bis plötzlich das Holpern und Raſſeln einem ſüßen Gefühl
der Glätte und jenem leis knirſchenden, im Kiesſand mahlenden
Tone weicht, den jeder kennt, der aus dem Sturm und Drang
ſchlecht gepflaſterter Straßen in den ſtillen Hafen einer Chauſſee
eingemündet iſt.

Der Weg, derſelbe, der von Freienwalde nach Falkenberg
führte, iſt glatt, der Abend ſchön. Duft und Nebel ſteigen aus
den Wieſengründen auf; der Wald zur Linken, wie es im Liede
heißt, ſteht ſchwarz und ſchweigend und nur vor uns, nach Nord-
weſten hin, glüht noch der Abendhimmel in wunderbaren Farben-
ſpielen durch die Nebel hindurch. Es iſt juſt die Stunde, um den
Schloßberg und die Burg der Uchtenhagen zu beſuchen; die
Landſchaft ſelbſt iſt wie ein weites Thor aufgethan, roth und gol-
den, um in das Land der Sage einzuführen.

Es labt uns das Bild und die Friſche des Abends, aber
endlich haben wir abgeſchloſſen mit der Landſchaft und ihrem Reiz,
und fühlen ein leiſes Unbehagen über das Schweigen unſres Füh-
rers, an deſſen Seite wir doch Platz genommen, um bequemerer
Unterhaltung willen. Die erſten Hügelparthien liegen bereits hinter
uns, wir müſſen bald halben Weges ſein, aber er ſchweigt noch
immer. Da der Berg nicht zum Propheten kommt, ſo bleibt nichts
andres übrig, als das alte Auskunftsmittel, und blindlings in die
allerbequemſte Form der Unterhaltung hineintappend, beginn ich
mit der Frage:


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[309/0321] laſſen wir den in Riemen hängenden Hinterſitz ſeinem Schickſal und ſetzen uns auf das Vorderbrett unmittelbar neben den Flaus- rock, nicht gewillt, eine zweifelhafte Bequemlichkeit auf Koſten beſ- ſerer Unterhaltung zu erkaufen. Denn es unterhält ſich ſchlecht auf den Rücken andrer Leute los. Noch einmal ein Peitſchenknips, diesmal nicht in die Luft, ſondern in die Weichen des Einſpänners, und über das Straßen- pflaſters hin, das noch die alten Traditionen des Ortes wahrt, holpert und raſſelt unſer Wagen, deſſen Hinterſitz die komiſchſten Sprünge macht, aus der Stadt hinaus, in den Freienwalder Kiez hinein, bis plötzlich das Holpern und Raſſeln einem ſüßen Gefühl der Glätte und jenem leis knirſchenden, im Kiesſand mahlenden Tone weicht, den jeder kennt, der aus dem Sturm und Drang ſchlecht gepflaſterter Straßen in den ſtillen Hafen einer Chauſſee eingemündet iſt. Der Weg, derſelbe, der von Freienwalde nach Falkenberg führte, iſt glatt, der Abend ſchön. Duft und Nebel ſteigen aus den Wieſengründen auf; der Wald zur Linken, wie es im Liede heißt, ſteht ſchwarz und ſchweigend und nur vor uns, nach Nord- weſten hin, glüht noch der Abendhimmel in wunderbaren Farben- ſpielen durch die Nebel hindurch. Es iſt juſt die Stunde, um den Schloßberg und die Burg der Uchtenhagen zu beſuchen; die Landſchaft ſelbſt iſt wie ein weites Thor aufgethan, roth und gol- den, um in das Land der Sage einzuführen. Es labt uns das Bild und die Friſche des Abends, aber endlich haben wir abgeſchloſſen mit der Landſchaft und ihrem Reiz, und fühlen ein leiſes Unbehagen über das Schweigen unſres Füh- rers, an deſſen Seite wir doch Platz genommen, um bequemerer Unterhaltung willen. Die erſten Hügelparthien liegen bereits hinter uns, wir müſſen bald halben Weges ſein, aber er ſchweigt noch immer. Da der Berg nicht zum Propheten kommt, ſo bleibt nichts andres übrig, als das alte Auskunftsmittel, und blindlings in die allerbequemſte Form der Unterhaltung hineintappend, beginn ich mit der Frage:

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/321>, abgerufen am 28.12.2024.