Fruchtbarkeit; gegentheils, das Vorland, das sich dem Auge bietet, macht kaum den Eindruck eines gehegten Stück Wiesenlands, und die Raps- und Gerstenfelder, die sich golden dahinter ausdehnen, werden dem Auge durch endlos sich hinziehende, prosaisch ausse- hende Dämme und Deiche entzogen, die aber freilich, indem sie die Niederung gegen die früheren Ueberschwemmungen sicher stellten, erst den Reichthum schufen, der sich jetzt hinter diesen Deich-Linien verbirgt.
Der Reichthum dieser Gegenden spricht nicht in goldenen Fel- dern zu uns, aber wir erkennen ihn doch an seinen ersten und natürlichsten Folgen -- an den Dörfern, die er geschaffen. Da giebt es kein Strohdach mehr, der rothe Ziegel lacht überall aus dem Grün der Wiesen hervor, und statt der dürftig hölzernen Kirchthürme des vorigen Jahrhunderts, die kümmerlich wie ein Schilderhaus auf dem Kirchendach zu sitzen pflegten, wachsen jetzt in solidem Backsteinbau, -- die Campanellen Italiens heiter co- pirend, -- die Kirchthürme in die Luft. An diesem Reichthum nehmen die Dörfer des andern (rechten) Oderufers Theil, und an- steigend an der Hügelkette gelegen, die sich eine Meile unterhalb Küstrin, am rechten Oderufer hinzuziehen beginnt, gesellen sich Schönheit und malerische Lage (viel mehr als man in diesen Ge- genden erwartet) zu dem Eindruck des Reichthums und beinahe holländischer Sauberkeit.
Nun sind wir über Amt Kienitz (ein altes Dorf, vor zwei Jahrhunderten dem General Goertzke, dem "Paladin des großen Kurfürsten" gehörig) und nun über Kloster Zellin hinaus; der Fluß wird schmäler aber tiefer und das Landschaftsbild verändert sich. Der Barnim liegt hinter uns und wir fahren in die Uker- mark hinein. Es sind sehr ähnliche Uferlandschaften, wie sie die Umgegend Stettins dem Auge bietet. Andere Namen, in nichts mehr an die triviale Komik von "Güstebiese" oder "Lietzegörike" erinnernd, tauchen auf, -- Namen voll poetischem Klang und Schimmer: Hohen-Saathen, Raduhn und Hohen-Krähnig.
Der Fluß bis dahin, im Wesentlichen, in einem Bette flie-
Fruchtbarkeit; gegentheils, das Vorland, das ſich dem Auge bietet, macht kaum den Eindruck eines gehegten Stück Wieſenlands, und die Raps- und Gerſtenfelder, die ſich golden dahinter ausdehnen, werden dem Auge durch endlos ſich hinziehende, proſaiſch ausſe- hende Dämme und Deiche entzogen, die aber freilich, indem ſie die Niederung gegen die früheren Ueberſchwemmungen ſicher ſtellten, erſt den Reichthum ſchufen, der ſich jetzt hinter dieſen Deich-Linien verbirgt.
Der Reichthum dieſer Gegenden ſpricht nicht in goldenen Fel- dern zu uns, aber wir erkennen ihn doch an ſeinen erſten und natürlichſten Folgen — an den Dörfern, die er geſchaffen. Da giebt es kein Strohdach mehr, der rothe Ziegel lacht überall aus dem Grün der Wieſen hervor, und ſtatt der dürftig hölzernen Kirchthürme des vorigen Jahrhunderts, die kümmerlich wie ein Schilderhaus auf dem Kirchendach zu ſitzen pflegten, wachſen jetzt in ſolidem Backſteinbau, — die Campanellen Italiens heiter co- pirend, — die Kirchthürme in die Luft. An dieſem Reichthum nehmen die Dörfer des andern (rechten) Oderufers Theil, und an- ſteigend an der Hügelkette gelegen, die ſich eine Meile unterhalb Küſtrin, am rechten Oderufer hinzuziehen beginnt, geſellen ſich Schönheit und maleriſche Lage (viel mehr als man in dieſen Ge- genden erwartet) zu dem Eindruck des Reichthums und beinahe holländiſcher Sauberkeit.
Nun ſind wir über Amt Kienitz (ein altes Dorf, vor zwei Jahrhunderten dem General Goertzke, dem „Paladin des großen Kurfürſten“ gehörig) und nun über Kloſter Zellin hinaus; der Fluß wird ſchmäler aber tiefer und das Landſchaftsbild verändert ſich. Der Barnim liegt hinter uns und wir fahren in die Uker- mark hinein. Es ſind ſehr ähnliche Uferlandſchaften, wie ſie die Umgegend Stettins dem Auge bietet. Andere Namen, in nichts mehr an die triviale Komik von „Güſtebieſe“ oder „Lietzegörike“ erinnernd, tauchen auf, — Namen voll poetiſchem Klang und Schimmer: Hohen-Saathen, Raduhn und Hohen-Krähnig.
Der Fluß bis dahin, im Weſentlichen, in einem Bette flie-
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Fruchtbarkeit; gegentheils, das Vorland, das ſich dem Auge bietet,
macht kaum den Eindruck eines gehegten Stück Wieſenlands, und
die Raps- und Gerſtenfelder, die ſich golden dahinter ausdehnen,
werden dem Auge durch endlos ſich hinziehende, proſaiſch ausſe-
hende Dämme und Deiche entzogen, die aber freilich, indem ſie die
Niederung gegen die früheren Ueberſchwemmungen ſicher ſtellten,
erſt den Reichthum ſchufen, der ſich jetzt hinter dieſen Deich-Linien
verbirgt.
Der Reichthum dieſer Gegenden ſpricht nicht in goldenen Fel-
dern zu uns, aber wir erkennen ihn doch an ſeinen erſten und
natürlichſten Folgen — an den Dörfern, die er geſchaffen. Da
giebt es kein Strohdach mehr, der rothe Ziegel lacht überall aus
dem Grün der Wieſen hervor, und ſtatt der dürftig hölzernen
Kirchthürme des vorigen Jahrhunderts, die kümmerlich wie ein
Schilderhaus auf dem Kirchendach zu ſitzen pflegten, wachſen jetzt
in ſolidem Backſteinbau, — die Campanellen Italiens heiter co-
pirend, — die Kirchthürme in die Luft. An dieſem Reichthum
nehmen die Dörfer des andern (rechten) Oderufers Theil, und an-
ſteigend an der Hügelkette gelegen, die ſich eine Meile unterhalb
Küſtrin, am rechten Oderufer hinzuziehen beginnt, geſellen ſich
Schönheit und maleriſche Lage (viel mehr als man in dieſen Ge-
genden erwartet) zu dem Eindruck des Reichthums und beinahe
holländiſcher Sauberkeit.
Nun ſind wir über Amt Kienitz (ein altes Dorf, vor zwei
Jahrhunderten dem General Goertzke, dem „Paladin des großen
Kurfürſten“ gehörig) und nun über Kloſter Zellin hinaus; der
Fluß wird ſchmäler aber tiefer und das Landſchaftsbild verändert
ſich. Der Barnim liegt hinter uns und wir fahren in die Uker-
mark hinein. Es ſind ſehr ähnliche Uferlandſchaften, wie ſie die
Umgegend Stettins dem Auge bietet. Andere Namen, in nichts
mehr an die triviale Komik von „Güſtebieſe“ oder „Lietzegörike“
erinnernd, tauchen auf, — Namen voll poetiſchem Klang und
Schimmer: Hohen-Saathen, Raduhn und Hohen-Krähnig.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/25>, abgerufen am 25.11.2024.
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