nächsten Fall. Sie haben zudem die ruhige Ueberlegenheit der herr- schenden Kaste.
Die Schiffer blicken, wie wir gesehen haben, mit getheil- ter Empfindung auf den Schleppdampfer; -- nicht so die Floß- führer. Diese geben sich ungeschwächt einer einzigen Empfindung und zwar ihrem polnischen, oder böhmisch-oberschlesischen Hasse hin. Sie können es wagen. Das Floß, das an manchen Stellen die halbe Breite der Oder deckt, kann wohl den Schleppschiffen, aber das Schleppschiff kann nie und nimmer (wenigstens nicht ernstlich) dem Floße gefährlich werden. Es liegt also kein Grund vor, wes- halb sie mit ihrer Abneigung hinter dem Berge halten sollten. Zu dieser Abneigung liegen allerdings die triftigsten Gründe vor. Die Schleppdampfer nämlich, da sie, wie eben angedeutet, den Flößen in Wahrheit weder nützen noch schaden können, be- gnügen sich damit, die reizbare slavische Natur zu nergeln und zu ärgern. Wie Reiter, die lustig durch einen Tümpel jagen, alles, was in der Nähe ist, nach rechts und links hin mit Wasser und Schlamm bespritzen, so jagen hier die Dampfer an dem schwer- fällig zur Seite liegenden Floß vorüber und unterhalten sich damit, das Floß unter Wasser zu setzen. Die zur Seite gedrückte Welle eilt, immer höher werdend, auf das Floß zu; jetzt trifft sie den ersten Balken und spritzt hoch auf. Aber nicht genug damit; die Hälfte der Welle setzt sich unter dem Floß hin fort und überall da, wo eine Lücke sich bietet, nach oben tretend, setzt sie, an sechs, acht Stellen zugleich, das Floß unter Wasser. Nun sollte man glauben, die Flößer müßten gleichgültig sein gegen ein solches Fußbad; aber, als wäre es Feuer, sieht man jetzt die Besatzung des Floßes auf den Bäumen und Querbalken hin und her sprin- gen, als gält' es vor ihrem bittersten Feinde zu fliehen. Diese Zickzacksprünge nehmen sich wunderlich genug, dabei ebenso komisch wie malerisch aus. Mit vielem Geschick wissen sie immer eine Stelle zu treffen, wo ein Querbalken, ein Holzblock, oder am liebsten einer jener Erd- und Rasenhügel sich vorfindet, deren viele (oft ein Dutzend) sich über das Floß hin ausbreiten und einen wesent-
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nächſten Fall. Sie haben zudem die ruhige Ueberlegenheit der herr- ſchenden Kaſte.
Die Schiffer blicken, wie wir geſehen haben, mit getheil- ter Empfindung auf den Schleppdampfer; — nicht ſo die Floß- führer. Dieſe geben ſich ungeſchwächt einer einzigen Empfindung und zwar ihrem polniſchen, oder böhmiſch-oberſchleſiſchen Haſſe hin. Sie können es wagen. Das Floß, das an manchen Stellen die halbe Breite der Oder deckt, kann wohl den Schleppſchiffen, aber das Schleppſchiff kann nie und nimmer (wenigſtens nicht ernſtlich) dem Floße gefährlich werden. Es liegt alſo kein Grund vor, wes- halb ſie mit ihrer Abneigung hinter dem Berge halten ſollten. Zu dieſer Abneigung liegen allerdings die triftigſten Gründe vor. Die Schleppdampfer nämlich, da ſie, wie eben angedeutet, den Flößen in Wahrheit weder nützen noch ſchaden können, be- gnügen ſich damit, die reizbare ſlaviſche Natur zu nergeln und zu ärgern. Wie Reiter, die luſtig durch einen Tümpel jagen, alles, was in der Nähe iſt, nach rechts und links hin mit Waſſer und Schlamm beſpritzen, ſo jagen hier die Dampfer an dem ſchwer- fällig zur Seite liegenden Floß vorüber und unterhalten ſich damit, das Floß unter Waſſer zu ſetzen. Die zur Seite gedrückte Welle eilt, immer höher werdend, auf das Floß zu; jetzt trifft ſie den erſten Balken und ſpritzt hoch auf. Aber nicht genug damit; die Hälfte der Welle ſetzt ſich unter dem Floß hin fort und überall da, wo eine Lücke ſich bietet, nach oben tretend, ſetzt ſie, an ſechs, acht Stellen zugleich, das Floß unter Waſſer. Nun ſollte man glauben, die Flößer müßten gleichgültig ſein gegen ein ſolches Fußbad; aber, als wäre es Feuer, ſieht man jetzt die Beſatzung des Floßes auf den Bäumen und Querbalken hin und her ſprin- gen, als gält’ es vor ihrem bitterſten Feinde zu fliehen. Dieſe Zickzackſprünge nehmen ſich wunderlich genug, dabei ebenſo komiſch wie maleriſch aus. Mit vielem Geſchick wiſſen ſie immer eine Stelle zu treffen, wo ein Querbalken, ein Holzblock, oder am liebſten einer jener Erd- und Raſenhügel ſich vorfindet, deren viele (oft ein Dutzend) ſich über das Floß hin ausbreiten und einen weſent-
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nächſten Fall. Sie haben zudem die ruhige Ueberlegenheit der herr-
ſchenden Kaſte.
Die Schiffer blicken, wie wir geſehen haben, mit getheil-
ter Empfindung auf den Schleppdampfer; — nicht ſo die Floß-
führer. Dieſe geben ſich ungeſchwächt einer einzigen Empfindung
und zwar ihrem polniſchen, oder böhmiſch-oberſchleſiſchen Haſſe hin.
Sie können es wagen. Das Floß, das an manchen Stellen die
halbe Breite der Oder deckt, kann wohl den Schleppſchiffen, aber
das Schleppſchiff kann nie und nimmer (wenigſtens nicht ernſtlich)
dem Floße gefährlich werden. Es liegt alſo kein Grund vor, wes-
halb ſie mit ihrer Abneigung hinter dem Berge halten ſollten.
Zu dieſer Abneigung liegen allerdings die triftigſten Gründe
vor. Die Schleppdampfer nämlich, da ſie, wie eben angedeutet,
den Flößen in Wahrheit weder nützen noch ſchaden können, be-
gnügen ſich damit, die reizbare ſlaviſche Natur zu nergeln und zu
ärgern. Wie Reiter, die luſtig durch einen Tümpel jagen, alles,
was in der Nähe iſt, nach rechts und links hin mit Waſſer und
Schlamm beſpritzen, ſo jagen hier die Dampfer an dem ſchwer-
fällig zur Seite liegenden Floß vorüber und unterhalten ſich damit,
das Floß unter Waſſer zu ſetzen. Die zur Seite gedrückte Welle
eilt, immer höher werdend, auf das Floß zu; jetzt trifft ſie den
erſten Balken und ſpritzt hoch auf. Aber nicht genug damit; die
Hälfte der Welle ſetzt ſich unter dem Floß hin fort und überall
da, wo eine Lücke ſich bietet, nach oben tretend, ſetzt ſie, an ſechs,
acht Stellen zugleich, das Floß unter Waſſer. Nun ſollte man
glauben, die Flößer müßten gleichgültig ſein gegen ein ſolches
Fußbad; aber, als wäre es Feuer, ſieht man jetzt die Beſatzung
des Floßes auf den Bäumen und Querbalken hin und her ſprin-
gen, als gält’ es vor ihrem bitterſten Feinde zu fliehen. Dieſe
Zickzackſprünge nehmen ſich wunderlich genug, dabei ebenſo komiſch
wie maleriſch aus. Mit vielem Geſchick wiſſen ſie immer eine Stelle
zu treffen, wo ein Querbalken, ein Holzblock, oder am liebſten
einer jener Erd- und Raſenhügel ſich vorfindet, deren viele (oft
ein Dutzend) ſich über das Floß hin ausbreiten und einen weſent-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/15>, abgerufen am 25.11.2024.
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