jetzt noch, wo die Glaubwürdigkeit desselben wenigstens stark er- schüttert ist. Günthers Biograph (der spätere Kriegsminister von Boyen, der während des polnischen Feldzuges, als Adjutant des Generals, auch in persönlich-nahe Beziehungen zu demselben trat) spricht von der Mutter desselben als von einer "guten und frommen Frau," eine Bezeichnung, die er vermieden haben würde, wenn er irgend welche Veranlassung gehabt hätte, jenes Gerücht als begründet anzusehn. Die Frage bleibt freilich: wie konnte solch Gerücht überhaupt entstehen? welche Scheingründe waren thätig, um einer müßigen Erfindung wenigstens das Kleid einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu leihen? Es ist wahr, man hat von einer frappanten Aehnlichkeit zwischen dem General und dem großen König gesprochen, hat in dem Aufsteigen eines Bürgerlichen und Feldpredigersohns bis zum Freiherrn und zum General-Lieu- tenant den Beweis erblicken wollen, daß es mit dem also Aus- gezeichneten "noch etwas Besonderes auf sich gehabt haben müsse etc. etc.," aber man hat dabei übersehn oder über- sehen wollen, daß eine frappirende Aehnlichkeit zwischen den Hohen- zollern und den Offizieren ihrer Armee bis diesen Augenblick eine täglich wiederkehrende Erscheinung ist, und daß ferner die hohen Auszeichnungen, deren sich gegen das Ende seiner Tage hin unser General allerdings zu erfreuen hatte, ihm nicht vom großen Könige, sondern von den beiden Nachfolgern desselben, zumal von Friedrich Wilhelm III., zu Theil wurden. Kurz heraus, die Sache ist eine Mythe, für deren Entstehung wir, außer dem Umstand, daß das Oberst v. Wreech'sche Haus, das der Kronprinz in Ruppin be- wohnte, allerdings durch seinen bloßen Namen schon an die kurz vorhergegangenen intimen Beziehungen zur schönen Frau v. Wreech (in Tamsel bei Küstrin) erinnerte, keine andre Erklärung, als die Sucht des Menschenherzens finden können, hervorragende Persön- lichkeiten durch Ausstaffirung mit sogenannten "interessanten Ver- hältnissen" wo möglich noch interessanter zu machen.
Nach dieser Abschweifung, die zur Aufklärung über einen oft erwähnten Punkt nöthig war, fahr ich in Zusammenstellung des
jetzt noch, wo die Glaubwürdigkeit deſſelben wenigſtens ſtark er- ſchüttert iſt. Günthers Biograph (der ſpätere Kriegsminiſter von Boyen, der während des polniſchen Feldzuges, als Adjutant des Generals, auch in perſönlich-nahe Beziehungen zu demſelben trat) ſpricht von der Mutter deſſelben als von einer „guten und frommen Frau,“ eine Bezeichnung, die er vermieden haben würde, wenn er irgend welche Veranlaſſung gehabt hätte, jenes Gerücht als begründet anzuſehn. Die Frage bleibt freilich: wie konnte ſolch Gerücht überhaupt entſtehen? welche Scheingründe waren thätig, um einer müßigen Erfindung wenigſtens das Kleid einer gewiſſen Wahrſcheinlichkeit zu leihen? Es iſt wahr, man hat von einer frappanten Aehnlichkeit zwiſchen dem General und dem großen König geſprochen, hat in dem Aufſteigen eines Bürgerlichen und Feldpredigerſohns bis zum Freiherrn und zum General-Lieu- tenant den Beweis erblicken wollen, daß es mit dem alſo Aus- gezeichneten „noch etwas Beſonderes auf ſich gehabt haben müſſe ꝛc. ꝛc.,“ aber man hat dabei überſehn oder über- ſehen wollen, daß eine frappirende Aehnlichkeit zwiſchen den Hohen- zollern und den Offizieren ihrer Armee bis dieſen Augenblick eine täglich wiederkehrende Erſcheinung iſt, und daß ferner die hohen Auszeichnungen, deren ſich gegen das Ende ſeiner Tage hin unſer General allerdings zu erfreuen hatte, ihm nicht vom großen Könige, ſondern von den beiden Nachfolgern deſſelben, zumal von Friedrich Wilhelm III., zu Theil wurden. Kurz heraus, die Sache iſt eine Mythe, für deren Entſtehung wir, außer dem Umſtand, daß das Oberſt v. Wreech’ſche Haus, das der Kronprinz in Ruppin be- wohnte, allerdings durch ſeinen bloßen Namen ſchon an die kurz vorhergegangenen intimen Beziehungen zur ſchönen Frau v. Wreech (in Tamſel bei Küſtrin) erinnerte, keine andre Erklärung, als die Sucht des Menſchenherzens finden können, hervorragende Perſön- lichkeiten durch Ausſtaffirung mit ſogenannten „intereſſanten Ver- hältniſſen“ wo möglich noch intereſſanter zu machen.
Nach dieſer Abſchweifung, die zur Aufklärung über einen oft erwähnten Punkt nöthig war, fahr ich in Zuſammenſtellung des
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jetzt noch, wo die Glaubwürdigkeit deſſelben wenigſtens ſtark er-
ſchüttert iſt. Günthers Biograph (der ſpätere Kriegsminiſter von
Boyen, der während des polniſchen Feldzuges, als Adjutant des
Generals, auch in perſönlich-nahe Beziehungen zu demſelben trat)
ſpricht von der Mutter deſſelben als von einer „guten und
frommen Frau,“ eine Bezeichnung, die er vermieden haben
würde, wenn er irgend welche Veranlaſſung gehabt hätte, jenes
Gerücht als begründet anzuſehn. Die Frage bleibt freilich: wie
konnte ſolch Gerücht überhaupt entſtehen? welche Scheingründe
waren thätig, um einer müßigen Erfindung wenigſtens das Kleid
einer gewiſſen Wahrſcheinlichkeit zu leihen? Es iſt wahr, man hat
von einer frappanten Aehnlichkeit zwiſchen dem General und dem
großen König geſprochen, hat in dem Aufſteigen eines Bürgerlichen
und Feldpredigerſohns bis zum Freiherrn und zum General-Lieu-
tenant den Beweis erblicken wollen, daß es mit dem alſo Aus-
gezeichneten „noch etwas Beſonderes auf ſich gehabt
haben müſſe ꝛc. ꝛc.,“ aber man hat dabei überſehn oder über-
ſehen wollen, daß eine frappirende Aehnlichkeit zwiſchen den Hohen-
zollern und den Offizieren ihrer Armee bis dieſen Augenblick eine
täglich wiederkehrende Erſcheinung iſt, und daß ferner die hohen
Auszeichnungen, deren ſich gegen das Ende ſeiner Tage hin unſer
General allerdings zu erfreuen hatte, ihm nicht vom großen Könige,
ſondern von den beiden Nachfolgern deſſelben, zumal von Friedrich
Wilhelm III., zu Theil wurden. Kurz heraus, die Sache iſt eine
Mythe, für deren Entſtehung wir, außer dem Umſtand, daß das
Oberſt v. Wreech’ſche Haus, das der Kronprinz in Ruppin be-
wohnte, allerdings durch ſeinen bloßen Namen ſchon an die kurz
vorhergegangenen intimen Beziehungen zur ſchönen Frau v. Wreech
(in Tamſel bei Küſtrin) erinnerte, keine andre Erklärung, als die
Sucht des Menſchenherzens finden können, hervorragende Perſön-
lichkeiten durch Ausſtaffirung mit ſogenannten „intereſſanten Ver-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/71>, abgerufen am 24.11.2024.
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