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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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sich auf dem Kirchhof von Groß-Beeren. Neben ihm ruht die Toch-
ter des "tollen Geist," die ebenfalls auf räthselhafte Weise starb.
Sie war in Berlin im Pensionat und fuhr nach Groß-Beeren
hinaus, um ihre Mutter zu besuchen. Als der Wagen vor dem
Hause hielt, schien das Fräulein fest und ruhig zu schlafen --
sie war todt. Frau v. Geist verkaufte endlich die Besitzung; aber
der Unsegen dauerte fort. Nichts gedieh, nichts wollte vorwärts.
Der nächste Besitzer verlor sein Vermögen; der folgende führte
ein wüstes, unstätes Leben und verscholl; der dritte hielt sich und
behauptete das Terrain, aber Streit und Hader verbitterten seine
Tage.

Der Unsegen blieb -- aber es blieb auch ein Geist'sches
Element an dieser Stelle lebendig, ein halb räthselhaftes Verlan-
gen, es ihm an Tollheiten nachzuthun. Man kann hieran Studien
machen über die Macht und die nachwirkende Kraft eines Origi-
nals. Alle Nachfolger des "tollen Geist" hatten einen Zug von
ihm; der letzte Besitzer, ein Rittmeister Briesen, am meisten.
Sein größter Verehrer aber, zugleich sein begeistertster Nachahmer
in allen Dingen, die sich nachahmen ließen, war ein Herr von
Beier, der Groß-Beeren von 1827 bis 1837 besaß. Als eines
Abglanzes Geist'scher Herrlichkeit sei seiner am Schluß dieser
Skizze gedacht. Es lag ihm daran, dem Herrenhause zu Groß-
Beeren den Ruf von etwas Apartem zu erhalten. Als er erfuhr,
daß in Zossen ein alter Mann lebe, der zur Zeit des "tollen
Geist" eine Art Kammerdiener bei diesem gewesen war, ließ er
sich's angelegen sein, diesen zu engagiren. Der alte Mann kam
und wurde ausgefragt, wie sein Gehalt, seine Beschäftigung und
vor Allem seine Kleidung gewesen sei. Kniehosen, Puderperrücke,
Silberborten und Schuhschnallen, Alles wurde beschafft, wie es in
alten Zeiten gewesen war, und wenn Besuch kam, wurde der Die-
ner des tollen Geist präsentirt, als ob es dieser selbst gewesen
wäre. Herr von Beier war verheirathet, aber seine Ehe war nicht
glücklich und wurde getrennt. Bald nach der Trennung verließ er
Groß-Beeren, bestellte einen Verwalter und ging nach Oesterreich.

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ſich auf dem Kirchhof von Groß-Beeren. Neben ihm ruht die Toch-
ter des „tollen Geiſt,“ die ebenfalls auf räthſelhafte Weiſe ſtarb.
Sie war in Berlin im Penſionat und fuhr nach Groß-Beeren
hinaus, um ihre Mutter zu beſuchen. Als der Wagen vor dem
Hauſe hielt, ſchien das Fräulein feſt und ruhig zu ſchlafen —
ſie war todt. Frau v. Geiſt verkaufte endlich die Beſitzung; aber
der Unſegen dauerte fort. Nichts gedieh, nichts wollte vorwärts.
Der nächſte Beſitzer verlor ſein Vermögen; der folgende führte
ein wüſtes, unſtätes Leben und verſcholl; der dritte hielt ſich und
behauptete das Terrain, aber Streit und Hader verbitterten ſeine
Tage.

Der Unſegen blieb — aber es blieb auch ein Geiſt’ſches
Element an dieſer Stelle lebendig, ein halb räthſelhaftes Verlan-
gen, es ihm an Tollheiten nachzuthun. Man kann hieran Studien
machen über die Macht und die nachwirkende Kraft eines Origi-
nals. Alle Nachfolger des „tollen Geiſt“ hatten einen Zug von
ihm; der letzte Beſitzer, ein Rittmeiſter Brieſen, am meiſten.
Sein größter Verehrer aber, zugleich ſein begeiſtertſter Nachahmer
in allen Dingen, die ſich nachahmen ließen, war ein Herr von
Beier, der Groß-Beeren von 1827 bis 1837 beſaß. Als eines
Abglanzes Geiſt’ſcher Herrlichkeit ſei ſeiner am Schluß dieſer
Skizze gedacht. Es lag ihm daran, dem Herrenhauſe zu Groß-
Beeren den Ruf von etwas Apartem zu erhalten. Als er erfuhr,
daß in Zoſſen ein alter Mann lebe, der zur Zeit des „tollen
Geiſt“ eine Art Kammerdiener bei dieſem geweſen war, ließ er
ſich’s angelegen ſein, dieſen zu engagiren. Der alte Mann kam
und wurde ausgefragt, wie ſein Gehalt, ſeine Beſchäftigung und
vor Allem ſeine Kleidung geweſen ſei. Kniehoſen, Puderperrücke,
Silberborten und Schuhſchnallen, Alles wurde beſchafft, wie es in
alten Zeiten geweſen war, und wenn Beſuch kam, wurde der Die-
ner des tollen Geiſt präſentirt, als ob es dieſer ſelbſt geweſen
wäre. Herr von Beier war verheirathet, aber ſeine Ehe war nicht
glücklich und wurde getrennt. Bald nach der Trennung verließ er
Groß-Beeren, beſtellte einen Verwalter und ging nach Oeſterreich.

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[401/0419] ſich auf dem Kirchhof von Groß-Beeren. Neben ihm ruht die Toch- ter des „tollen Geiſt,“ die ebenfalls auf räthſelhafte Weiſe ſtarb. Sie war in Berlin im Penſionat und fuhr nach Groß-Beeren hinaus, um ihre Mutter zu beſuchen. Als der Wagen vor dem Hauſe hielt, ſchien das Fräulein feſt und ruhig zu ſchlafen — ſie war todt. Frau v. Geiſt verkaufte endlich die Beſitzung; aber der Unſegen dauerte fort. Nichts gedieh, nichts wollte vorwärts. Der nächſte Beſitzer verlor ſein Vermögen; der folgende führte ein wüſtes, unſtätes Leben und verſcholl; der dritte hielt ſich und behauptete das Terrain, aber Streit und Hader verbitterten ſeine Tage. Der Unſegen blieb — aber es blieb auch ein Geiſt’ſches Element an dieſer Stelle lebendig, ein halb räthſelhaftes Verlan- gen, es ihm an Tollheiten nachzuthun. Man kann hieran Studien machen über die Macht und die nachwirkende Kraft eines Origi- nals. Alle Nachfolger des „tollen Geiſt“ hatten einen Zug von ihm; der letzte Beſitzer, ein Rittmeiſter Brieſen, am meiſten. Sein größter Verehrer aber, zugleich ſein begeiſtertſter Nachahmer in allen Dingen, die ſich nachahmen ließen, war ein Herr von Beier, der Groß-Beeren von 1827 bis 1837 beſaß. Als eines Abglanzes Geiſt’ſcher Herrlichkeit ſei ſeiner am Schluß dieſer Skizze gedacht. Es lag ihm daran, dem Herrenhauſe zu Groß- Beeren den Ruf von etwas Apartem zu erhalten. Als er erfuhr, daß in Zoſſen ein alter Mann lebe, der zur Zeit des „tollen Geiſt“ eine Art Kammerdiener bei dieſem geweſen war, ließ er ſich’s angelegen ſein, dieſen zu engagiren. Der alte Mann kam und wurde ausgefragt, wie ſein Gehalt, ſeine Beſchäftigung und vor Allem ſeine Kleidung geweſen ſei. Kniehoſen, Puderperrücke, Silberborten und Schuhſchnallen, Alles wurde beſchafft, wie es in alten Zeiten geweſen war, und wenn Beſuch kam, wurde der Die- ner des tollen Geiſt präſentirt, als ob es dieſer ſelbſt geweſen wäre. Herr von Beier war verheirathet, aber ſeine Ehe war nicht glücklich und wurde getrennt. Bald nach der Trennung verließ er Groß-Beeren, beſtellte einen Verwalter und ging nach Oeſterreich. 26

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/419>, abgerufen am 23.11.2024.