Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

Charakter; neben dem fruchtbaren Grasland des einen, auf dem
die Häuser und Heerden den Wohlstand seiner Bewohner verrathen,
erheben sich die Sandberge einer zweiten und dritten Insel, kahl
an ihren Abhängen, aber tannenbedeckt auf ihrer Höhe. Auf- und
abwärts gleiten die Elb- und Oberkähne, die noch immer den
großen Handel zwischen Ost- und Nordsee vermitteln, und der
Wind, plötzlich die Richtung wechselnd, klappt das eben noch voll-
gebauschte Segel mit dumpfem Schlag an den Mast. Reusen und
Netze durchziehen die schmaleren Arme des Stromes und sperren
ihn fast; nur vereinzelte Schwäne (die Havel hat deren tausende)
gleiten unaufgehalten ihres Wegs. Die rechts gelegenen Ufer sind
ziemlich unmalerisch, zur Linken aber auf hohem Plateau, das
bald sich rundet und buchtet, bald Landzungen weit in den breiten
Strom hinein streckt, erheben sich die prächtigen Tannen des
Grunewalds und spannen ihre dunkelgrünen Schirme aus. Die
Stämme sind hoch und schlank und alles Unterholz fehlt; so blickt
man durch den Rahmen der rothbraunen Stämme bis tief in den
Wald hinein und belauscht das Wild, das, gehegt und gepflegt in
jenen weiten Jagdrevieren, wie in paradiesischer Sicherheit den
Forst durchschreitet und von den vorspringenden Kuppen aus neu-
gierig auf den Fluß und sein Treiben hernieder blickt. Sei es die
Pflege, die diesem schönen Walde zu Theil wird, oder sei es die
Nähe des Wassers, das mit feuchter Kühle die Nadeln labt und
leise Nebel um seine Kronen spinnt, gleichviel, die Tannen erschei-
nen schöner und edler hier als irgendwo anders und stehen da,
als fühlten sie sich als die eingeborenen Herren dieses Landes.
Das heimathliche Volkslied hat diese schönen Havelforsten oft ge-
feiert, und wer sie jemals wandernd durchzogen hat, der stimmt
gern mit ein in die alte Weise:

Blaue Havel, Grunewald,
Grüß mir alle beide,
Grüß und sag', ich käme bald,
Und die Tegler Haide.

Charakter; neben dem fruchtbaren Grasland des einen, auf dem
die Häuſer und Heerden den Wohlſtand ſeiner Bewohner verrathen,
erheben ſich die Sandberge einer zweiten und dritten Inſel, kahl
an ihren Abhängen, aber tannenbedeckt auf ihrer Höhe. Auf- und
abwärts gleiten die Elb- und Oberkähne, die noch immer den
großen Handel zwiſchen Oſt- und Nordſee vermitteln, und der
Wind, plötzlich die Richtung wechſelnd, klappt das eben noch voll-
gebauſchte Segel mit dumpfem Schlag an den Maſt. Reuſen und
Netze durchziehen die ſchmaleren Arme des Stromes und ſperren
ihn faſt; nur vereinzelte Schwäne (die Havel hat deren tauſende)
gleiten unaufgehalten ihres Wegs. Die rechts gelegenen Ufer ſind
ziemlich unmaleriſch, zur Linken aber auf hohem Plateau, das
bald ſich rundet und buchtet, bald Landzungen weit in den breiten
Strom hinein ſtreckt, erheben ſich die prächtigen Tannen des
Grunewalds und ſpannen ihre dunkelgrünen Schirme aus. Die
Stämme ſind hoch und ſchlank und alles Unterholz fehlt; ſo blickt
man durch den Rahmen der rothbraunen Stämme bis tief in den
Wald hinein und belauſcht das Wild, das, gehegt und gepflegt in
jenen weiten Jagdrevieren, wie in paradieſiſcher Sicherheit den
Forſt durchſchreitet und von den vorſpringenden Kuppen aus neu-
gierig auf den Fluß und ſein Treiben hernieder blickt. Sei es die
Pflege, die dieſem ſchönen Walde zu Theil wird, oder ſei es die
Nähe des Waſſers, das mit feuchter Kühle die Nadeln labt und
leiſe Nebel um ſeine Kronen ſpinnt, gleichviel, die Tannen erſchei-
nen ſchöner und edler hier als irgendwo anders und ſtehen da,
als fühlten ſie ſich als die eingeborenen Herren dieſes Landes.
Das heimathliche Volkslied hat dieſe ſchönen Havelforſten oft ge-
feiert, und wer ſie jemals wandernd durchzogen hat, der ſtimmt
gern mit ein in die alte Weiſe:

Blaue Havel, Grunewald,
Grüß mir alle beide,
Grüß und ſag’, ich käme bald,
Und die Tegler Haide.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0397" n="379"/>
Charakter; neben dem fruchtbaren Grasland des einen, auf dem<lb/>
die Häu&#x017F;er und Heerden den Wohl&#x017F;tand &#x017F;einer Bewohner verrathen,<lb/>
erheben &#x017F;ich die Sandberge einer zweiten und dritten In&#x017F;el, kahl<lb/>
an ihren Abhängen, aber tannenbedeckt auf ihrer Höhe. Auf- und<lb/>
abwärts gleiten die Elb- und Oberkähne, die noch immer den<lb/>
großen Handel zwi&#x017F;chen O&#x017F;t- und Nord&#x017F;ee vermitteln, und der<lb/>
Wind, plötzlich die Richtung wech&#x017F;elnd, klappt das eben noch voll-<lb/>
gebau&#x017F;chte Segel mit dumpfem Schlag an den Ma&#x017F;t. Reu&#x017F;en und<lb/>
Netze durchziehen die &#x017F;chmaleren Arme des Stromes und &#x017F;perren<lb/>
ihn fa&#x017F;t; nur vereinzelte Schwäne (die Havel hat deren tau&#x017F;ende)<lb/>
gleiten unaufgehalten ihres Wegs. Die rechts gelegenen Ufer &#x017F;ind<lb/>
ziemlich unmaleri&#x017F;ch, zur Linken aber auf hohem Plateau, das<lb/>
bald &#x017F;ich rundet und buchtet, bald Landzungen weit in den breiten<lb/>
Strom hinein &#x017F;treckt, erheben &#x017F;ich die prächtigen Tannen des<lb/><hi rendition="#g">Grunewalds</hi> und &#x017F;pannen ihre dunkelgrünen Schirme aus. Die<lb/>
Stämme &#x017F;ind hoch und &#x017F;chlank und alles Unterholz fehlt; &#x017F;o blickt<lb/>
man durch den Rahmen der rothbraunen Stämme bis tief in den<lb/>
Wald hinein und belau&#x017F;cht das Wild, das, gehegt und gepflegt in<lb/>
jenen weiten Jagdrevieren, wie in paradie&#x017F;i&#x017F;cher Sicherheit den<lb/>
For&#x017F;t durch&#x017F;chreitet und von den vor&#x017F;pringenden Kuppen aus neu-<lb/>
gierig auf den Fluß und &#x017F;ein Treiben hernieder blickt. Sei es die<lb/>
Pflege, die die&#x017F;em &#x017F;chönen Walde zu Theil wird, oder &#x017F;ei es die<lb/>
Nähe des Wa&#x017F;&#x017F;ers, das mit feuchter Kühle die Nadeln labt und<lb/>
lei&#x017F;e Nebel um &#x017F;eine Kronen &#x017F;pinnt, gleichviel, die Tannen er&#x017F;chei-<lb/>
nen &#x017F;chöner und edler hier als irgendwo anders und &#x017F;tehen da,<lb/>
als fühlten &#x017F;ie &#x017F;ich als die eingeborenen Herren die&#x017F;es Landes.<lb/>
Das heimathliche Volkslied hat die&#x017F;e &#x017F;chönen Havelfor&#x017F;ten oft ge-<lb/>
feiert, und wer &#x017F;ie jemals wandernd durchzogen hat, der &#x017F;timmt<lb/>
gern mit ein in die alte Wei&#x017F;e:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Blaue Havel, Grunewald,</l><lb/>
            <l>Grüß mir alle beide,</l><lb/>
            <l>Grüß und &#x017F;ag&#x2019;, ich käme bald,</l><lb/>
            <l>Und die Tegler Haide.</l>
          </lg><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[379/0397] Charakter; neben dem fruchtbaren Grasland des einen, auf dem die Häuſer und Heerden den Wohlſtand ſeiner Bewohner verrathen, erheben ſich die Sandberge einer zweiten und dritten Inſel, kahl an ihren Abhängen, aber tannenbedeckt auf ihrer Höhe. Auf- und abwärts gleiten die Elb- und Oberkähne, die noch immer den großen Handel zwiſchen Oſt- und Nordſee vermitteln, und der Wind, plötzlich die Richtung wechſelnd, klappt das eben noch voll- gebauſchte Segel mit dumpfem Schlag an den Maſt. Reuſen und Netze durchziehen die ſchmaleren Arme des Stromes und ſperren ihn faſt; nur vereinzelte Schwäne (die Havel hat deren tauſende) gleiten unaufgehalten ihres Wegs. Die rechts gelegenen Ufer ſind ziemlich unmaleriſch, zur Linken aber auf hohem Plateau, das bald ſich rundet und buchtet, bald Landzungen weit in den breiten Strom hinein ſtreckt, erheben ſich die prächtigen Tannen des Grunewalds und ſpannen ihre dunkelgrünen Schirme aus. Die Stämme ſind hoch und ſchlank und alles Unterholz fehlt; ſo blickt man durch den Rahmen der rothbraunen Stämme bis tief in den Wald hinein und belauſcht das Wild, das, gehegt und gepflegt in jenen weiten Jagdrevieren, wie in paradieſiſcher Sicherheit den Forſt durchſchreitet und von den vorſpringenden Kuppen aus neu- gierig auf den Fluß und ſein Treiben hernieder blickt. Sei es die Pflege, die dieſem ſchönen Walde zu Theil wird, oder ſei es die Nähe des Waſſers, das mit feuchter Kühle die Nadeln labt und leiſe Nebel um ſeine Kronen ſpinnt, gleichviel, die Tannen erſchei- nen ſchöner und edler hier als irgendwo anders und ſtehen da, als fühlten ſie ſich als die eingeborenen Herren dieſes Landes. Das heimathliche Volkslied hat dieſe ſchönen Havelforſten oft ge- feiert, und wer ſie jemals wandernd durchzogen hat, der ſtimmt gern mit ein in die alte Weiſe: Blaue Havel, Grunewald, Grüß mir alle beide, Grüß und ſag’, ich käme bald, Und die Tegler Haide.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/397
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/397>, abgerufen am 27.11.2024.