verkohlten Scheite sind nicht länger verkohlt, sie treiben wieder Flammen; und um die brennenden Scheite herum lagern, ihre rothbraunen Leiber mit Fellen leicht geschürzt, die Gestalten unsers Malers und Meisters -- die Semnonen.
Wie gebannt haften unsere Augen an dem Bilde, -- da gellt es wie ein gedämpfter Schrei durch die Luft, und unser Auge richtet sich nach oben, von wo der seltsame Laut zu kommen schien. Ein Vogel, der über uns in dem Zweigewerk der Fichte gesessen hatte, war aufgestiegen, und sein Geschrei von Zeit zu Zeit wiederholend, flog er jetzt dem dichteren Gehölz des Berges zu. Es war ein Pirol, der nordische Wundervogel. Sein gelbes Gefieder fing die letzten Strahlen der Abendsonne auf; dann stieg er in das Dunkel der Tannen hinab.
Das Nebelbild war hin, die Aussicht wieder frei, die Scheite wieder verkohlt; von den Dörfern her aber klang die Betglocke, die den Abend einläutete.
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verkohlten Scheite ſind nicht länger verkohlt, ſie treiben wieder Flammen; und um die brennenden Scheite herum lagern, ihre rothbraunen Leiber mit Fellen leicht geſchürzt, die Geſtalten unſers Malers und Meiſters — die Semnonen.
Wie gebannt haften unſere Augen an dem Bilde, — da gellt es wie ein gedämpfter Schrei durch die Luft, und unſer Auge richtet ſich nach oben, von wo der ſeltſame Laut zu kommen ſchien. Ein Vogel, der über uns in dem Zweigewerk der Fichte geſeſſen hatte, war aufgeſtiegen, und ſein Geſchrei von Zeit zu Zeit wiederholend, flog er jetzt dem dichteren Gehölz des Berges zu. Es war ein Pirol, der nordiſche Wundervogel. Sein gelbes Gefieder fing die letzten Strahlen der Abendſonne auf; dann ſtieg er in das Dunkel der Tannen hinab.
Das Nebelbild war hin, die Ausſicht wieder frei, die Scheite wieder verkohlt; von den Dörfern her aber klang die Betglocke, die den Abend einläutete.
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verkohlten Scheite ſind nicht länger verkohlt, ſie treiben wieder
Flammen; und um die brennenden Scheite herum lagern, ihre
rothbraunen Leiber mit Fellen leicht geſchürzt, die Geſtalten unſers
Malers und Meiſters — die Semnonen.
Wie gebannt haften unſere Augen an dem Bilde, — da
gellt es wie ein gedämpfter Schrei durch die Luft, und unſer
Auge richtet ſich nach oben, von wo der ſeltſame Laut zu kommen
ſchien. Ein Vogel, der über uns in dem Zweigewerk der Fichte
geſeſſen hatte, war aufgeſtiegen, und ſein Geſchrei von Zeit zu
Zeit wiederholend, flog er jetzt dem dichteren Gehölz des Berges
zu. Es war ein Pirol, der nordiſche Wundervogel. Sein gelbes
Gefieder fing die letzten Strahlen der Abendſonne auf; dann ſtieg
er in das Dunkel der Tannen hinab.
Das Nebelbild war hin, die Ausſicht wieder frei, die Scheite
wieder verkohlt; von den Dörfern her aber klang die Betglocke,
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Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/389>, abgerufen am 24.11.2024.
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