Bauerwagen eigenthümlich ist. Die Halskette der beiden magern Braunen rasselt am Deichselhaken; die Sprossen klappern in den Leiterbäumen, die Leiterbäume klappern an den vier Wagenrungen und gegen die Wagenrungen schrammt das Rad. Dazwischen das Hüh! und Hoh! des Kutschers, lange Röcke und kurze Pfeifen, Schwamm anpinken und Tabacksdampf -- und das Begegnungs- bild ist fertig, wie es die Märkische Haide zu bieten pflegt. Schon mehrere solcher Fuhrwerke haben wir passirt und die Insassen ha- ben jedesmal unsern Gruß erwiedert in trägen, unverständlichen Lauten, wie einer, der aus dem Schlafe spricht. Jetzt aber ver- lassen wir die große Fahrstraße, die sich unmittelbar an der Süd- westecke des hinter Tannen versteckten Müggelsees entlang zieht, und biegen, nach rechts hin, in schmalere Pfade und Gänge ein, die, kaum bemerkbar hergan steigend, uns tiefer in die weiten Waldreviere hineinführen, die den Fuß der Müggelsberge umste- hen. Bald ist völlige Waldesstille um uns her; wir haben in un- seren Gedanken von Menschen und Menschenantlitz Abschied ge- nommen und fahren drum erschreckt zusammen, als wir plötzlich vor drei alten Frauengestalten stehen, die, mit halbem Auge von ihrer Arbeit zu uns aufblickend, langsam-geschäftig fortfahren, das abgefallene Laub zusammen zu harken. Die grauen, weit von ein- ander gestellten Elsen, unter denen sie auf- und abschreiten, sehen aus, wie die Frauen selbst, und ein banges, gespenstisches Gefühl kommt über uns, als wäre kein Unterschied zwischen den beiden, als rasteten die einen nur, um über kurz oder lang vorzutreten und die andern bei ihrer Arbeit abzulösen. Wir fragen endlich, "ob dies der Weg sei nach den Müggelsbergen", und ohne Antwort zu geben, deuten die Frauen mit gemeinschaftlicher Hand- bewegung waldeinwärts. Wir stutzen einen Augenblick, als wären es die wohlbekannten Drei von der Schottischen Haide, deren Wink oder Zuruf nur in die Irre führen kann; aber uns schnell erinnernd, daß die Thürme Berlins nur zwei Meilen in unserem Rücken liegen, folgen wir unter raschem Dank und scheuem Kopf- nicken der Richtung, die uns die Handbewegung der Harkefrauen
Bauerwagen eigenthümlich iſt. Die Halskette der beiden magern Braunen raſſelt am Deichſelhaken; die Sproſſen klappern in den Leiterbäumen, die Leiterbäume klappern an den vier Wagenrungen und gegen die Wagenrungen ſchrammt das Rad. Dazwiſchen das Hüh! und Hoh! des Kutſchers, lange Röcke und kurze Pfeifen, Schwamm anpinken und Tabacksdampf — und das Begegnungs- bild iſt fertig, wie es die Märkiſche Haide zu bieten pflegt. Schon mehrere ſolcher Fuhrwerke haben wir paſſirt und die Inſaſſen ha- ben jedesmal unſern Gruß erwiedert in trägen, unverſtändlichen Lauten, wie einer, der aus dem Schlafe ſpricht. Jetzt aber ver- laſſen wir die große Fahrſtraße, die ſich unmittelbar an der Süd- weſtecke des hinter Tannen verſteckten Müggelſees entlang zieht, und biegen, nach rechts hin, in ſchmalere Pfade und Gänge ein, die, kaum bemerkbar hergan ſteigend, uns tiefer in die weiten Waldreviere hineinführen, die den Fuß der Müggelsberge umſte- hen. Bald iſt völlige Waldesſtille um uns her; wir haben in un- ſeren Gedanken von Menſchen und Menſchenantlitz Abſchied ge- nommen und fahren drum erſchreckt zuſammen, als wir plötzlich vor drei alten Frauengeſtalten ſtehen, die, mit halbem Auge von ihrer Arbeit zu uns aufblickend, langſam-geſchäftig fortfahren, das abgefallene Laub zuſammen zu harken. Die grauen, weit von ein- ander geſtellten Elſen, unter denen ſie auf- und abſchreiten, ſehen aus, wie die Frauen ſelbſt, und ein banges, geſpenſtiſches Gefühl kommt über uns, als wäre kein Unterſchied zwiſchen den beiden, als raſteten die einen nur, um über kurz oder lang vorzutreten und die andern bei ihrer Arbeit abzulöſen. Wir fragen endlich, „ob dies der Weg ſei nach den Müggelsbergen“, und ohne Antwort zu geben, deuten die Frauen mit gemeinſchaftlicher Hand- bewegung waldeinwärts. Wir ſtutzen einen Augenblick, als wären es die wohlbekannten Drei von der Schottiſchen Haide, deren Wink oder Zuruf nur in die Irre führen kann; aber uns ſchnell erinnernd, daß die Thürme Berlins nur zwei Meilen in unſerem Rücken liegen, folgen wir unter raſchem Dank und ſcheuem Kopf- nicken der Richtung, die uns die Handbewegung der Harkefrauen
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Bauerwagen eigenthümlich iſt. Die Halskette der beiden magern
Braunen raſſelt am Deichſelhaken; die Sproſſen klappern in den
Leiterbäumen, die Leiterbäume klappern an den vier Wagenrungen
und gegen die Wagenrungen ſchrammt das Rad. Dazwiſchen das
Hüh! und Hoh! des Kutſchers, lange Röcke und kurze Pfeifen,
Schwamm anpinken und Tabacksdampf — und das Begegnungs-
bild iſt fertig, wie es die Märkiſche Haide zu bieten pflegt. Schon
mehrere ſolcher Fuhrwerke haben wir paſſirt und die Inſaſſen ha-
ben jedesmal unſern Gruß erwiedert in trägen, unverſtändlichen
Lauten, wie einer, der aus dem Schlafe ſpricht. Jetzt aber ver-
laſſen wir die große Fahrſtraße, die ſich unmittelbar an der Süd-
weſtecke des hinter Tannen verſteckten Müggelſees entlang zieht,
und biegen, nach rechts hin, in ſchmalere Pfade und Gänge ein,
die, kaum bemerkbar hergan ſteigend, uns tiefer in die weiten
Waldreviere hineinführen, die den Fuß der Müggelsberge umſte-
hen. Bald iſt völlige Waldesſtille um uns her; wir haben in un-
ſeren Gedanken von Menſchen und Menſchenantlitz Abſchied ge-
nommen und fahren drum erſchreckt zuſammen, als wir plötzlich
vor drei alten Frauengeſtalten ſtehen, die, mit halbem Auge von
ihrer Arbeit zu uns aufblickend, langſam-geſchäftig fortfahren, das
abgefallene Laub zuſammen zu harken. Die grauen, weit von ein-
ander geſtellten Elſen, unter denen ſie auf- und abſchreiten, ſehen
aus, wie die Frauen ſelbſt, und ein banges, geſpenſtiſches Gefühl
kommt über uns, als wäre kein Unterſchied zwiſchen den beiden,
als raſteten die einen nur, um über kurz oder lang vorzutreten
und die andern bei ihrer Arbeit abzulöſen. Wir fragen endlich,
„ob dies der Weg ſei nach den Müggelsbergen“, und ohne
Antwort zu geben, deuten die Frauen mit gemeinſchaftlicher Hand-
bewegung waldeinwärts. Wir ſtutzen einen Augenblick, als wären
es die wohlbekannten Drei von der Schottiſchen Haide, deren
Wink oder Zuruf nur in die Irre führen kann; aber uns ſchnell
erinnernd, daß die Thürme Berlins nur zwei Meilen in unſerem
Rücken liegen, folgen wir unter raſchem Dank und ſcheuem Kopf-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/384>, abgerufen am 23.11.2024.
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