sich berief und ihn schwören ließ: "der alten Lehre treu zu blei- ben", als die Schmalkaldischen zum Heereszug gegen den Kaiser sich rüsteten und später noch, als Kurfürst Moritz gegen den Sieg bei Mühlberg den Zug gegen Insbruck in die Wage warf, da- mals, in den Tagen des Markgrafen Johann, blühte Küstrin. "Markgraf Hans", der jüngere Sohn Joachim Nestors, war nach dem Tode des Vaters (der ältere Bruder erhielt die Kur) mit der Neumark, d. h. mit dem Lande jenseits der Oder belehnt worden. Er residirte in Küstrin, der neumärkischen Hauptstadt, baute ein Schloß und schuf einen Glanz um sich her, den die Stadt weder vorher gekannt hatte, noch nachher wieder erreichte. Auch die Befestigungen sind sein Werk. Es ist wahrscheinlich, daß die Arbeiten um 1535 begannen und daß der italienische Bau- meister Giromella, dem auch die erste Befestigung Spandaus zuge- schrieben wird, daran das Beste that. Markgraf Hans war treu, tapfer und gut lutherisch. So lang es sein konnte, stand er zum Kaiser. Vom schmalkaldischen Bunde hielt er sich fern und trug auf seiner Fahne den Spruch: "Gebet dem Kaiser was des Kai- sers ist, und Gott was Gottes ist." Als er aber 1548 das pro- testanten-feindliche Augsburgische Interim, das der Kaiser zum Reichsgesetz erheben wollte, unterzeichnen sollte, gewann sein luthe- risch Herz die Oberhand, und mit den Worten: "Nimmermehr werd' ich dieß giftige Gemengsel annehmen; lieber Blut als Tinte!" warf er die Feder fort. Der Kaiser sah ihn zornig an und gebot ihm, die Versammlung zu verlassen. Er ging nach Küstrin zurück und schrieb an seine Stubenthür folgende Worte:
Wiltu Gott dienen alle Zeit, Schick dich zu Kreuz und Traurigkeit, In Anfechtung halt fest, dich drück', Hab' guten Muth, weich' nicht zurück, In steter Hoffnung leb' und trag', Was dir auf Erden begegnen mag; Bei Gott halt' an mit Gebet und Gnad', Der gibt dir Trost, Stärk', Hülf' und Rath;
ſich berief und ihn ſchwören ließ: „der alten Lehre treu zu blei- ben“, als die Schmalkaldiſchen zum Heereszug gegen den Kaiſer ſich rüſteten und ſpäter noch, als Kurfürſt Moritz gegen den Sieg bei Mühlberg den Zug gegen Insbruck in die Wage warf, da- mals, in den Tagen des Markgrafen Johann, blühte Küſtrin. „Markgraf Hans“, der jüngere Sohn Joachim Neſtors, war nach dem Tode des Vaters (der ältere Bruder erhielt die Kur) mit der Neumark, d. h. mit dem Lande jenſeits der Oder belehnt worden. Er reſidirte in Küſtrin, der neumärkiſchen Hauptſtadt, baute ein Schloß und ſchuf einen Glanz um ſich her, den die Stadt weder vorher gekannt hatte, noch nachher wieder erreichte. Auch die Befeſtigungen ſind ſein Werk. Es iſt wahrſcheinlich, daß die Arbeiten um 1535 begannen und daß der italieniſche Bau- meiſter Giromella, dem auch die erſte Befeſtigung Spandaus zuge- ſchrieben wird, daran das Beſte that. Markgraf Hans war treu, tapfer und gut lutheriſch. So lang es ſein konnte, ſtand er zum Kaiſer. Vom ſchmalkaldiſchen Bunde hielt er ſich fern und trug auf ſeiner Fahne den Spruch: „Gebet dem Kaiſer was des Kai- ſers iſt, und Gott was Gottes iſt.“ Als er aber 1548 das pro- teſtanten-feindliche Augsburgiſche Interim, das der Kaiſer zum Reichsgeſetz erheben wollte, unterzeichnen ſollte, gewann ſein luthe- riſch Herz die Oberhand, und mit den Worten: „Nimmermehr werd’ ich dieß giftige Gemengſel annehmen; lieber Blut als Tinte!“ warf er die Feder fort. Der Kaiſer ſah ihn zornig an und gebot ihm, die Verſammlung zu verlaſſen. Er ging nach Küſtrin zurück und ſchrieb an ſeine Stubenthür folgende Worte:
Wiltu Gott dienen alle Zeit, Schick dich zu Kreuz und Traurigkeit, In Anfechtung halt feſt, dich drück’, Hab’ guten Muth, weich’ nicht zurück, In ſteter Hoffnung leb’ und trag’, Was dir auf Erden begegnen mag; Bei Gott halt’ an mit Gebet und Gnad’, Der gibt dir Troſt, Stärk’, Hülf’ und Rath;
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0347"n="329"/>ſich berief und ihn ſchwören ließ: „der alten Lehre treu zu blei-<lb/>
ben“, als die Schmalkaldiſchen zum Heereszug gegen den Kaiſer<lb/>ſich rüſteten und ſpäter noch, als Kurfürſt Moritz gegen den Sieg<lb/>
bei Mühlberg den Zug gegen Insbruck in die Wage warf, da-<lb/>
mals, in den Tagen des Markgrafen <hirendition="#g">Johann</hi>, blühte Küſtrin.<lb/>„Markgraf Hans“, der jüngere Sohn Joachim Neſtors, war nach<lb/>
dem Tode des Vaters (der ältere Bruder erhielt die Kur) mit<lb/>
der Neumark, d. h. mit dem Lande jenſeits der Oder belehnt<lb/>
worden. Er reſidirte in Küſtrin, der neumärkiſchen Hauptſtadt,<lb/>
baute ein Schloß und ſchuf einen Glanz um ſich her, den die<lb/>
Stadt weder vorher gekannt hatte, noch nachher wieder erreichte.<lb/>
Auch die Befeſtigungen ſind ſein Werk. Es iſt wahrſcheinlich, daß<lb/>
die Arbeiten um 1535 begannen und daß der italieniſche Bau-<lb/>
meiſter Giromella, dem auch die erſte Befeſtigung Spandaus zuge-<lb/>ſchrieben wird, daran das Beſte that. Markgraf Hans war treu,<lb/>
tapfer und gut lutheriſch. So lang es ſein konnte, ſtand er zum<lb/>
Kaiſer. Vom ſchmalkaldiſchen Bunde hielt er ſich fern und trug<lb/>
auf ſeiner Fahne den Spruch: „Gebet dem Kaiſer was des Kai-<lb/>ſers iſt, und Gott was Gottes iſt.“ Als er aber 1548 das pro-<lb/>
teſtanten-feindliche Augsburgiſche Interim, das der Kaiſer zum<lb/>
Reichsgeſetz erheben wollte, unterzeichnen ſollte, gewann ſein luthe-<lb/>
riſch Herz die Oberhand, und mit den Worten: „Nimmermehr<lb/>
werd’ ich dieß giftige Gemengſel annehmen; <hirendition="#g">lieber Blut als<lb/>
Tinte</hi>!“ warf er die Feder fort. Der Kaiſer ſah ihn zornig an<lb/>
und gebot ihm, die Verſammlung zu verlaſſen. Er ging nach<lb/>
Küſtrin zurück und ſchrieb an ſeine Stubenthür folgende Worte:</p><lb/><lgtype="poem"><l>Wiltu Gott dienen alle Zeit,</l><lb/><l>Schick dich zu Kreuz und Traurigkeit,</l><lb/><l>In Anfechtung halt feſt, dich drück’,</l><lb/><l>Hab’ guten Muth, weich’ nicht zurück,</l><lb/><l>In ſteter Hoffnung leb’ und trag’,</l><lb/><l>Was dir auf Erden begegnen mag;</l><lb/><l>Bei Gott halt’ an mit Gebet und Gnad’,</l><lb/><l>Der gibt dir Troſt, Stärk’, Hülf’ und Rath;</l><lb/></lg></div></div></body></text></TEI>
[329/0347]
ſich berief und ihn ſchwören ließ: „der alten Lehre treu zu blei-
ben“, als die Schmalkaldiſchen zum Heereszug gegen den Kaiſer
ſich rüſteten und ſpäter noch, als Kurfürſt Moritz gegen den Sieg
bei Mühlberg den Zug gegen Insbruck in die Wage warf, da-
mals, in den Tagen des Markgrafen Johann, blühte Küſtrin.
„Markgraf Hans“, der jüngere Sohn Joachim Neſtors, war nach
dem Tode des Vaters (der ältere Bruder erhielt die Kur) mit
der Neumark, d. h. mit dem Lande jenſeits der Oder belehnt
worden. Er reſidirte in Küſtrin, der neumärkiſchen Hauptſtadt,
baute ein Schloß und ſchuf einen Glanz um ſich her, den die
Stadt weder vorher gekannt hatte, noch nachher wieder erreichte.
Auch die Befeſtigungen ſind ſein Werk. Es iſt wahrſcheinlich, daß
die Arbeiten um 1535 begannen und daß der italieniſche Bau-
meiſter Giromella, dem auch die erſte Befeſtigung Spandaus zuge-
ſchrieben wird, daran das Beſte that. Markgraf Hans war treu,
tapfer und gut lutheriſch. So lang es ſein konnte, ſtand er zum
Kaiſer. Vom ſchmalkaldiſchen Bunde hielt er ſich fern und trug
auf ſeiner Fahne den Spruch: „Gebet dem Kaiſer was des Kai-
ſers iſt, und Gott was Gottes iſt.“ Als er aber 1548 das pro-
teſtanten-feindliche Augsburgiſche Interim, das der Kaiſer zum
Reichsgeſetz erheben wollte, unterzeichnen ſollte, gewann ſein luthe-
riſch Herz die Oberhand, und mit den Worten: „Nimmermehr
werd’ ich dieß giftige Gemengſel annehmen; lieber Blut als
Tinte!“ warf er die Feder fort. Der Kaiſer ſah ihn zornig an
und gebot ihm, die Verſammlung zu verlaſſen. Er ging nach
Küſtrin zurück und ſchrieb an ſeine Stubenthür folgende Worte:
Wiltu Gott dienen alle Zeit,
Schick dich zu Kreuz und Traurigkeit,
In Anfechtung halt feſt, dich drück’,
Hab’ guten Muth, weich’ nicht zurück,
In ſteter Hoffnung leb’ und trag’,
Was dir auf Erden begegnen mag;
Bei Gott halt’ an mit Gebet und Gnad’,
Der gibt dir Troſt, Stärk’, Hülf’ und Rath;
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/347>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.