Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

Reisigsammlers Ziegenstall, als Zahlung für bei'm Sprengen und
Ausgraben geleistete Dienste, sondern auch die Wirthschaftsgebäude
des Krügers selber aus dem bequemen Steinbruch des alten
Sparren-Schlosses gebaut seien. Ich trat nun in den Garten, um
die noch vorhandenen Reste, die der Spreng- und Grabekunst der
Prendener bisher gespottet haben, in Augenschein zu nehmen. An-
fangs erschien mir Alles als eine unentwirrbare Masse, bald aber
fand ich mich zurecht und konnte mit Hülfe der nach zwei Seiten
hin völlig intact erhaltenen Fundamente, die Grundform des alten
Schlosses leicht erkennen. Es scheint ein Gebäude von 50 Fuß
Länge und halb so viel Tiefe gewesen zu sein, an das sich nach
der Hofseite hin ein Thurm, wahrscheinlich der Treppenthurm, an-
lehnte. Die schön gewölbten Keller sind theilweis noch im Gebrauch;
bis vor Kurzem ließ sich das ganze Souterrain durchschreiten, und
Küche und Waschküche (mit dem eingemauerten Kessel) waren un-
verkennbar. Die Festigkeit dieser Fundamente ist ihr Schutz, sonst
würden sie bald verschwunden sein, um als Stallgebäude wieder
aufzuwachsen. Ein theilweiser Schutz mag ihnen auch das sein,
daß sie hoch mit Erdreich überschüttet sind, so daß Birnbäume
darauf wachsen und Hagebuttensträucher eine Art lebendiger Hecke
bilden.

Ich pflückte einen Zweig ab, an dem bereits die rothen Beeren
hingen, steckte ihn an den Hut und trat meinen Rückmarsch an.
Als ich wieder auf der Höhe des Hügels war und noch einmal
in das verschleiert daliegende Dorf zurückblickte, das jetzt, wo eben
die Sonne unterging, in wunderbaren Farben schwamm, klang
von der andern Hügelseite her die Betglocke zu mir herüber. Es
waren die alten Sparrschen Glocken, und es war mir, als riefen
sie mir ihren Gruß nach und einen Dank für freundliches Gedenken.

Als ich in den Forst trat, dunkelte es schon und die Fichten-
kronen neigten sich tief im Abendwind. Ein Rauschen ging voll
und wachsend durch den Wald. Ich zuckte zusammen, halb in
Lächeln und halb in Bangen, und murmelte vor mich hin:
"Sparr kümmt, -- man kann et nich weeten."



Reiſigſammlers Ziegenſtall, als Zahlung für bei’m Sprengen und
Ausgraben geleiſtete Dienſte, ſondern auch die Wirthſchaftsgebäude
des Krügers ſelber aus dem bequemen Steinbruch des alten
Sparren-Schloſſes gebaut ſeien. Ich trat nun in den Garten, um
die noch vorhandenen Reſte, die der Spreng- und Grabekunſt der
Prendener bisher geſpottet haben, in Augenſchein zu nehmen. An-
fangs erſchien mir Alles als eine unentwirrbare Maſſe, bald aber
fand ich mich zurecht und konnte mit Hülfe der nach zwei Seiten
hin völlig intact erhaltenen Fundamente, die Grundform des alten
Schloſſes leicht erkennen. Es ſcheint ein Gebäude von 50 Fuß
Länge und halb ſo viel Tiefe geweſen zu ſein, an das ſich nach
der Hofſeite hin ein Thurm, wahrſcheinlich der Treppenthurm, an-
lehnte. Die ſchön gewölbten Keller ſind theilweis noch im Gebrauch;
bis vor Kurzem ließ ſich das ganze Souterrain durchſchreiten, und
Küche und Waſchküche (mit dem eingemauerten Keſſel) waren un-
verkennbar. Die Feſtigkeit dieſer Fundamente iſt ihr Schutz, ſonſt
würden ſie bald verſchwunden ſein, um als Stallgebäude wieder
aufzuwachſen. Ein theilweiſer Schutz mag ihnen auch das ſein,
daß ſie hoch mit Erdreich überſchüttet ſind, ſo daß Birnbäume
darauf wachſen und Hagebuttenſträucher eine Art lebendiger Hecke
bilden.

Ich pflückte einen Zweig ab, an dem bereits die rothen Beeren
hingen, ſteckte ihn an den Hut und trat meinen Rückmarſch an.
Als ich wieder auf der Höhe des Hügels war und noch einmal
in das verſchleiert daliegende Dorf zurückblickte, das jetzt, wo eben
die Sonne unterging, in wunderbaren Farben ſchwamm, klang
von der andern Hügelſeite her die Betglocke zu mir herüber. Es
waren die alten Sparrſchen Glocken, und es war mir, als riefen
ſie mir ihren Gruß nach und einen Dank für freundliches Gedenken.

Als ich in den Forſt trat, dunkelte es ſchon und die Fichten-
kronen neigten ſich tief im Abendwind. Ein Rauſchen ging voll
und wachſend durch den Wald. Ich zuckte zuſammen, halb in
Lächeln und halb in Bangen, und murmelte vor mich hin:
„Sparr kümmt, — man kann et nich weeten.“



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0334" n="316"/>
Rei&#x017F;ig&#x017F;ammlers Ziegen&#x017F;tall, als Zahlung für bei&#x2019;m Sprengen und<lb/>
Ausgraben gelei&#x017F;tete Dien&#x017F;te, &#x017F;ondern auch die Wirth&#x017F;chaftsgebäude<lb/>
des Krügers &#x017F;elber aus dem bequemen Steinbruch des alten<lb/>
Sparren-Schlo&#x017F;&#x017F;es gebaut &#x017F;eien. Ich trat nun in den Garten, um<lb/>
die noch vorhandenen Re&#x017F;te, die der Spreng- und Grabekun&#x017F;t der<lb/>
Prendener bisher ge&#x017F;pottet haben, in Augen&#x017F;chein zu nehmen. An-<lb/>
fangs er&#x017F;chien mir Alles als eine unentwirrbare Ma&#x017F;&#x017F;e, bald aber<lb/>
fand ich mich zurecht und konnte mit Hülfe der nach zwei Seiten<lb/>
hin völlig intact erhaltenen Fundamente, die Grundform des alten<lb/>
Schlo&#x017F;&#x017F;es leicht erkennen. Es &#x017F;cheint ein Gebäude von 50 Fuß<lb/>
Länge und halb &#x017F;o viel Tiefe gewe&#x017F;en zu &#x017F;ein, an das &#x017F;ich nach<lb/>
der Hof&#x017F;eite hin ein Thurm, wahr&#x017F;cheinlich der Treppenthurm, an-<lb/>
lehnte. Die &#x017F;chön gewölbten Keller &#x017F;ind theilweis noch im Gebrauch;<lb/>
bis vor Kurzem ließ &#x017F;ich das ganze Souterrain durch&#x017F;chreiten, und<lb/>
Küche und Wa&#x017F;chküche (mit dem eingemauerten Ke&#x017F;&#x017F;el) waren un-<lb/>
verkennbar. Die Fe&#x017F;tigkeit die&#x017F;er Fundamente i&#x017F;t ihr Schutz, &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
würden &#x017F;ie bald ver&#x017F;chwunden &#x017F;ein, um als Stallgebäude wieder<lb/>
aufzuwach&#x017F;en. Ein theilwei&#x017F;er Schutz mag ihnen auch das &#x017F;ein,<lb/>
daß &#x017F;ie hoch mit Erdreich über&#x017F;chüttet &#x017F;ind, &#x017F;o daß Birnbäume<lb/>
darauf wach&#x017F;en und Hagebutten&#x017F;träucher eine Art lebendiger Hecke<lb/>
bilden.</p><lb/>
          <p>Ich pflückte einen Zweig ab, an dem bereits die rothen Beeren<lb/>
hingen, &#x017F;teckte ihn an den Hut und trat meinen Rückmar&#x017F;ch an.<lb/>
Als ich wieder auf der Höhe des Hügels war und noch einmal<lb/>
in das ver&#x017F;chleiert daliegende Dorf zurückblickte, das jetzt, wo eben<lb/>
die Sonne unterging, in wunderbaren Farben &#x017F;chwamm, klang<lb/>
von der andern Hügel&#x017F;eite her die Betglocke zu mir herüber. Es<lb/>
waren die alten Sparr&#x017F;chen Glocken, und es war mir, als riefen<lb/>
&#x017F;ie mir ihren Gruß nach und einen Dank für freundliches Gedenken.</p><lb/>
          <p>Als ich in den For&#x017F;t trat, dunkelte es &#x017F;chon und die Fichten-<lb/>
kronen neigten &#x017F;ich tief im Abendwind. Ein Rau&#x017F;chen ging voll<lb/>
und wach&#x017F;end durch den Wald. Ich zuckte zu&#x017F;ammen, halb in<lb/>
Lächeln und halb in Bangen, und murmelte vor mich hin:<lb/>
&#x201E;Sparr kümmt, &#x2014; man kann et nich weeten.&#x201C;</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0334] Reiſigſammlers Ziegenſtall, als Zahlung für bei’m Sprengen und Ausgraben geleiſtete Dienſte, ſondern auch die Wirthſchaftsgebäude des Krügers ſelber aus dem bequemen Steinbruch des alten Sparren-Schloſſes gebaut ſeien. Ich trat nun in den Garten, um die noch vorhandenen Reſte, die der Spreng- und Grabekunſt der Prendener bisher geſpottet haben, in Augenſchein zu nehmen. An- fangs erſchien mir Alles als eine unentwirrbare Maſſe, bald aber fand ich mich zurecht und konnte mit Hülfe der nach zwei Seiten hin völlig intact erhaltenen Fundamente, die Grundform des alten Schloſſes leicht erkennen. Es ſcheint ein Gebäude von 50 Fuß Länge und halb ſo viel Tiefe geweſen zu ſein, an das ſich nach der Hofſeite hin ein Thurm, wahrſcheinlich der Treppenthurm, an- lehnte. Die ſchön gewölbten Keller ſind theilweis noch im Gebrauch; bis vor Kurzem ließ ſich das ganze Souterrain durchſchreiten, und Küche und Waſchküche (mit dem eingemauerten Keſſel) waren un- verkennbar. Die Feſtigkeit dieſer Fundamente iſt ihr Schutz, ſonſt würden ſie bald verſchwunden ſein, um als Stallgebäude wieder aufzuwachſen. Ein theilweiſer Schutz mag ihnen auch das ſein, daß ſie hoch mit Erdreich überſchüttet ſind, ſo daß Birnbäume darauf wachſen und Hagebuttenſträucher eine Art lebendiger Hecke bilden. Ich pflückte einen Zweig ab, an dem bereits die rothen Beeren hingen, ſteckte ihn an den Hut und trat meinen Rückmarſch an. Als ich wieder auf der Höhe des Hügels war und noch einmal in das verſchleiert daliegende Dorf zurückblickte, das jetzt, wo eben die Sonne unterging, in wunderbaren Farben ſchwamm, klang von der andern Hügelſeite her die Betglocke zu mir herüber. Es waren die alten Sparrſchen Glocken, und es war mir, als riefen ſie mir ihren Gruß nach und einen Dank für freundliches Gedenken. Als ich in den Forſt trat, dunkelte es ſchon und die Fichten- kronen neigten ſich tief im Abendwind. Ein Rauſchen ging voll und wachſend durch den Wald. Ich zuckte zuſammen, halb in Lächeln und halb in Bangen, und murmelte vor mich hin: „Sparr kümmt, — man kann et nich weeten.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/334
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/334>, abgerufen am 03.12.2024.