fällig und aufmerksam, Fähigkeiten und Neigungen leicht durch- schauend, jedem Gegenstande, wie jeder Persönlichkeit und jedem Verhältnisse sich leicht bequemend -- ein vollkommener Mann von Welt." Seine Rechtschaffenheit, sein Haß gegen Lüge und Zweideutigkeit unterstützten ihn eher, als daß sie sein Auftreten gehemmt, seine Erfolge behindert hätten. Bei großer Leichtigkeit war er von vorsichtiger Haltung; er wußte Ernst und Sanftmuth zu vereinen, um zu überreden und zu gewinnen. "Im Frieden- stiften, Vermitteln, Versöhnen besaß er ein einziges Talent." Die Inschrift unter dem Bildniß der alten Frau von Burgsdorf hatte also völlig Recht, von ihm als von dem "klugen Staatsminister von Canitz" zu sprechen, aber er suchte, wie schon angedeutet, diese Klugheit nicht in jenem Intriguenspiel und in jener Kunst der Täuschung, die damals an den Höfen blühte. Er kannte dies Spiel und war ihm gewachsen, aber sein redlicher und reiner Sinn lehnte sich gegen diese Kampfesweise auf. Deshalb zog es ihn immer wieder in die Stille und Unabhängigkeit des Landlebens und in einfach natürliche Verhältnisse zurück. "Der Hof -- so schrieb er bald nach dem Tode des großen Kurfürsten -- hat wenig Reiz für mich, und ich betrachte die Würden und Aemter, die Andere so eifrig suchen, nur als eben so viele Fesseln, die mich am Genusse meiner Freiheit hindern, der Freiheit, die über alle Schätze der Erde geht und deren echten Werth zu wür- digen, den gemeinen Seelen versagt ist." Er kannte diesen "echten Werth der Freiheit" wohl, aber die Verhältnisse gestatteten ihm nicht, sich dieser Freiheit so völlig zu freuen, wie es seinen Wün- schen entsprochen hätte. Es geschah, was so oft geschieht, man suchte die Dienste desjenigen, der, im Gefühl seines Werths, diese Dienste anzubieten verschmähte, und wie oft er auch, um seinen eigenen Ausdruck zu gebrauchen, die Erfahrung gemacht haben mochte, "daß Andere die goldenen Aepfel auflasen, wäh- rend er beim heißen Lauf sich abmühte," so war doch Ge- horsam und Nachgiebigkeit in allen jenen Fällen geboten, wo Wei- gerung den Vorwurf des Undanks oder doch der Gleichgültigkeit
fällig und aufmerkſam, Fähigkeiten und Neigungen leicht durch- ſchauend, jedem Gegenſtande, wie jeder Perſönlichkeit und jedem Verhältniſſe ſich leicht bequemend — ein vollkommener Mann von Welt.“ Seine Rechtſchaffenheit, ſein Haß gegen Lüge und Zweideutigkeit unterſtützten ihn eher, als daß ſie ſein Auftreten gehemmt, ſeine Erfolge behindert hätten. Bei großer Leichtigkeit war er von vorſichtiger Haltung; er wußte Ernſt und Sanftmuth zu vereinen, um zu überreden und zu gewinnen. „Im Frieden- ſtiften, Vermitteln, Verſöhnen beſaß er ein einziges Talent.“ Die Inſchrift unter dem Bildniß der alten Frau von Burgsdorf hatte alſo völlig Recht, von ihm als von dem „klugen Staatsminiſter von Canitz“ zu ſprechen, aber er ſuchte, wie ſchon angedeutet, dieſe Klugheit nicht in jenem Intriguenſpiel und in jener Kunſt der Täuſchung, die damals an den Höfen blühte. Er kannte dies Spiel und war ihm gewachſen, aber ſein redlicher und reiner Sinn lehnte ſich gegen dieſe Kampfesweiſe auf. Deshalb zog es ihn immer wieder in die Stille und Unabhängigkeit des Landlebens und in einfach natürliche Verhältniſſe zurück. „Der Hof — ſo ſchrieb er bald nach dem Tode des großen Kurfürſten — hat wenig Reiz für mich, und ich betrachte die Würden und Aemter, die Andere ſo eifrig ſuchen, nur als eben ſo viele Feſſeln, die mich am Genuſſe meiner Freiheit hindern, der Freiheit, die über alle Schätze der Erde geht und deren echten Werth zu wür- digen, den gemeinen Seelen verſagt iſt.“ Er kannte dieſen „echten Werth der Freiheit“ wohl, aber die Verhältniſſe geſtatteten ihm nicht, ſich dieſer Freiheit ſo völlig zu freuen, wie es ſeinen Wün- ſchen entſprochen hätte. Es geſchah, was ſo oft geſchieht, man ſuchte die Dienſte desjenigen, der, im Gefühl ſeines Werths, dieſe Dienſte anzubieten verſchmähte, und wie oft er auch, um ſeinen eigenen Ausdruck zu gebrauchen, die Erfahrung gemacht haben mochte, „daß Andere die goldenen Aepfel auflaſen, wäh- rend er beim heißen Lauf ſich abmühte,“ ſo war doch Ge- horſam und Nachgiebigkeit in allen jenen Fällen geboten, wo Wei- gerung den Vorwurf des Undanks oder doch der Gleichgültigkeit
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fällig und aufmerkſam, Fähigkeiten und Neigungen leicht durch-
ſchauend, jedem Gegenſtande, wie jeder Perſönlichkeit und jedem
Verhältniſſe ſich leicht bequemend — ein vollkommener Mann
von Welt.“ Seine Rechtſchaffenheit, ſein Haß gegen Lüge und
Zweideutigkeit unterſtützten ihn eher, als daß ſie ſein Auftreten
gehemmt, ſeine Erfolge behindert hätten. Bei großer Leichtigkeit
war er von vorſichtiger Haltung; er wußte Ernſt und Sanftmuth
zu vereinen, um zu überreden und zu gewinnen. „Im Frieden-
ſtiften, Vermitteln, Verſöhnen beſaß er ein einziges
Talent.“ Die Inſchrift unter dem Bildniß der alten Frau von
Burgsdorf hatte alſo völlig Recht, von ihm als von dem „klugen
Staatsminiſter von Canitz“ zu ſprechen, aber er ſuchte, wie ſchon
angedeutet, dieſe Klugheit nicht in jenem Intriguenſpiel und in
jener Kunſt der Täuſchung, die damals an den Höfen blühte. Er
kannte dies Spiel und war ihm gewachſen, aber ſein redlicher und
reiner Sinn lehnte ſich gegen dieſe Kampfesweiſe auf. Deshalb
zog es ihn immer wieder in die Stille und Unabhängigkeit des
Landlebens und in einfach natürliche Verhältniſſe zurück. „Der
Hof — ſo ſchrieb er bald nach dem Tode des großen Kurfürſten
— hat wenig Reiz für mich, und ich betrachte die Würden und
Aemter, die Andere ſo eifrig ſuchen, nur als eben ſo viele Feſſeln,
die mich am Genuſſe meiner Freiheit hindern, der Freiheit, die
über alle Schätze der Erde geht und deren echten Werth zu wür-
digen, den gemeinen Seelen verſagt iſt.“ Er kannte dieſen „echten
Werth der Freiheit“ wohl, aber die Verhältniſſe geſtatteten ihm
nicht, ſich dieſer Freiheit ſo völlig zu freuen, wie es ſeinen Wün-
ſchen entſprochen hätte. Es geſchah, was ſo oft geſchieht, man
ſuchte die Dienſte desjenigen, der, im Gefühl ſeines Werths, dieſe
Dienſte anzubieten verſchmähte, und wie oft er auch, um ſeinen
eigenen Ausdruck zu gebrauchen, die Erfahrung gemacht haben
mochte, „daß Andere die goldenen Aepfel auflaſen, wäh-
rend er beim heißen Lauf ſich abmühte,“ ſo war doch Ge-
horſam und Nachgiebigkeit in allen jenen Fällen geboten, wo Wei-
gerung den Vorwurf des Undanks oder doch der Gleichgültigkeit
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/285>, abgerufen am 22.11.2024.
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