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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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ihr wüstes Haupt auf den Tisch gelegt hatten, wurde eben damals
die Sitte erstes Gebot. Konrad von Burgsdorf starb bald; es
heißt, daß er sinn- und trostlos geendet habe; sein ehlich Gemahl
aber, deren Bild jetzt eben von der Pfeilerwand auf uns hernieder-
blickt, überlebte den Sturz ihres Mannes um fast volle dreißig
Jahre. Blumberg, der Ort ihrer Kindheit, drin ihr Vater und
dann später ihr Gatte vor der schneidenden Eisluft der Ungnade
Zuflucht gesucht hatten, blieb ihr lieb, weil die Geschichte ihres Le-
bens mit ihm verwachsen, und die Stille seiner Felder ihr mehr
und mehr ein Bedürfniß geworden war. Aber freilich der Frieden
des Gemüths, nach dem sie rang, blieb ihr im Alter versagt, wie er
ihr in der Jugend versagt gewesen war. Neue Kränkungen gesellten
sich zu alter Bitterkeit, Kränkungen, die dadurch nicht geringer
wurden, daß sie unbeabsichtigt waren. Den Kummer ihres Alters
schuf ihre eigene Tochter, ihr einziges Kind. Diese schien ganz
ihres Vaters Kind zu sein, von dem wir bereits wissen, daß er
zu seiner Zeit "ein gewaltiger Courmacher und Serenadenbringer"
gewesen war. Dreimal verheirathete sich diese Tochter. Ihr erster
Mann, ein Freiherr von Canitz, starb, -- das war ein Unglück;
von ihrem zweiten Manne, einem General v. d. Goltz, ließ sie
sich scheiden -- das war nicht hübsch, indeß es war erträglich;
daß sie sich aber zum dritten Male verheirathete, und diesen dritten
Mann, einen alten Franzosen, den sie nie gesehen hatte, aus
Paris sich schicken ließ
, das war mehr, als die Oberkammer-
herrin von Burgsdorf, die ein halbes Jahrhundert lang erst als
die Tochter und dann als die Gattin des vornehmsten Mannes
in Kurmark Brandenburg gelebt hatte, ertragen konnte. Diese
Heirath zehrte an ihrem Herzen und vergällte ihr das letzte Jahr-
zehnt ihres Lebens; die Ehe selbst aber, die zu dieser Verbitterung
Anlaß gab, bildet einen zu charakteristischen Zug für die Sitten-
geschichte jener Zeit, als daß ich es mir versagen könnte, den Her-
gang derselben hier ausführlicher zu erzählen.

Frau von der Goltz (geborene von Burgsdorf, verwittwete
von Canitz, geschiedene von der Goltz) war kaum von ihrem zwei-

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ihr wüſtes Haupt auf den Tiſch gelegt hatten, wurde eben damals
die Sitte erſtes Gebot. Konrad von Burgsdorf ſtarb bald; es
heißt, daß er ſinn- und troſtlos geendet habe; ſein ehlich Gemahl
aber, deren Bild jetzt eben von der Pfeilerwand auf uns hernieder-
blickt, überlebte den Sturz ihres Mannes um faſt volle dreißig
Jahre. Blumberg, der Ort ihrer Kindheit, drin ihr Vater und
dann ſpäter ihr Gatte vor der ſchneidenden Eisluft der Ungnade
Zuflucht geſucht hatten, blieb ihr lieb, weil die Geſchichte ihres Le-
bens mit ihm verwachſen, und die Stille ſeiner Felder ihr mehr
und mehr ein Bedürfniß geworden war. Aber freilich der Frieden
des Gemüths, nach dem ſie rang, blieb ihr im Alter verſagt, wie er
ihr in der Jugend verſagt geweſen war. Neue Kränkungen geſellten
ſich zu alter Bitterkeit, Kränkungen, die dadurch nicht geringer
wurden, daß ſie unbeabſichtigt waren. Den Kummer ihres Alters
ſchuf ihre eigene Tochter, ihr einziges Kind. Dieſe ſchien ganz
ihres Vaters Kind zu ſein, von dem wir bereits wiſſen, daß er
zu ſeiner Zeit „ein gewaltiger Courmacher und Serenadenbringer“
geweſen war. Dreimal verheirathete ſich dieſe Tochter. Ihr erſter
Mann, ein Freiherr von Canitz, ſtarb, — das war ein Unglück;
von ihrem zweiten Manne, einem General v. d. Goltz, ließ ſie
ſich ſcheiden — das war nicht hübſch, indeß es war erträglich;
daß ſie ſich aber zum dritten Male verheirathete, und dieſen dritten
Mann, einen alten Franzoſen, den ſie nie geſehen hatte, aus
Paris ſich ſchicken ließ
, das war mehr, als die Oberkammer-
herrin von Burgsdorf, die ein halbes Jahrhundert lang erſt als
die Tochter und dann als die Gattin des vornehmſten Mannes
in Kurmark Brandenburg gelebt hatte, ertragen konnte. Dieſe
Heirath zehrte an ihrem Herzen und vergällte ihr das letzte Jahr-
zehnt ihres Lebens; die Ehe ſelbſt aber, die zu dieſer Verbitterung
Anlaß gab, bildet einen zu charakteriſtiſchen Zug für die Sitten-
geſchichte jener Zeit, als daß ich es mir verſagen könnte, den Her-
gang derſelben hier ausführlicher zu erzählen.

Frau von der Goltz (geborene von Burgsdorf, verwittwete
von Canitz, geſchiedene von der Goltz) war kaum von ihrem zwei-

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[259/0277] ihr wüſtes Haupt auf den Tiſch gelegt hatten, wurde eben damals die Sitte erſtes Gebot. Konrad von Burgsdorf ſtarb bald; es heißt, daß er ſinn- und troſtlos geendet habe; ſein ehlich Gemahl aber, deren Bild jetzt eben von der Pfeilerwand auf uns hernieder- blickt, überlebte den Sturz ihres Mannes um faſt volle dreißig Jahre. Blumberg, der Ort ihrer Kindheit, drin ihr Vater und dann ſpäter ihr Gatte vor der ſchneidenden Eisluft der Ungnade Zuflucht geſucht hatten, blieb ihr lieb, weil die Geſchichte ihres Le- bens mit ihm verwachſen, und die Stille ſeiner Felder ihr mehr und mehr ein Bedürfniß geworden war. Aber freilich der Frieden des Gemüths, nach dem ſie rang, blieb ihr im Alter verſagt, wie er ihr in der Jugend verſagt geweſen war. Neue Kränkungen geſellten ſich zu alter Bitterkeit, Kränkungen, die dadurch nicht geringer wurden, daß ſie unbeabſichtigt waren. Den Kummer ihres Alters ſchuf ihre eigene Tochter, ihr einziges Kind. Dieſe ſchien ganz ihres Vaters Kind zu ſein, von dem wir bereits wiſſen, daß er zu ſeiner Zeit „ein gewaltiger Courmacher und Serenadenbringer“ geweſen war. Dreimal verheirathete ſich dieſe Tochter. Ihr erſter Mann, ein Freiherr von Canitz, ſtarb, — das war ein Unglück; von ihrem zweiten Manne, einem General v. d. Goltz, ließ ſie ſich ſcheiden — das war nicht hübſch, indeß es war erträglich; daß ſie ſich aber zum dritten Male verheirathete, und dieſen dritten Mann, einen alten Franzoſen, den ſie nie geſehen hatte, aus Paris ſich ſchicken ließ, das war mehr, als die Oberkammer- herrin von Burgsdorf, die ein halbes Jahrhundert lang erſt als die Tochter und dann als die Gattin des vornehmſten Mannes in Kurmark Brandenburg gelebt hatte, ertragen konnte. Dieſe Heirath zehrte an ihrem Herzen und vergällte ihr das letzte Jahr- zehnt ihres Lebens; die Ehe ſelbſt aber, die zu dieſer Verbitterung Anlaß gab, bildet einen zu charakteriſtiſchen Zug für die Sitten- geſchichte jener Zeit, als daß ich es mir verſagen könnte, den Her- gang derſelben hier ausführlicher zu erzählen. Frau von der Goltz (geborene von Burgsdorf, verwittwete von Canitz, geſchiedene von der Goltz) war kaum von ihrem zwei- 17*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/277>, abgerufen am 22.11.2024.