dumpfe Feuchte, die sonst an solchen Orten heimisch ist. Vielleicht ist es diese Trockenheit der Luft, die die Erscheinung erklärt. Die mumificirten Körper sehen weiß aus, sind verhältnißmäßig wenig eingetrocknet und zeigen noch eine gewisse Elasticität von Haut und Fleisch. Der hier zuletzt Beigesetzte ist der Staatsminister Otto Karl Friedrich von Voß. In den Sargdeckel ist eine Metalltafel eingelegt, die einfach den Namen und die Titel des Verstorbenen und die nöthigsten Daten (geb. den 8. Juni 1755 etc.) trägt. Es ist dies derselbe Otto Karl Friedrich von Voß, der zur Zeit der Hardenbergschen Verwaltung, namentlich in den Jahren, die den Befreiungskriegen folgten, so entschieden die Principien und In- teressen einer conservativen Politik vertrat. Unmittelbar nach dem Tode Hardenbergs wurde Voß Präsident des Staatsraths und des Staatsministeriums. Er überarbeitete sich, erkältete sich wäh- rend einer Feuersbrunst, die gerade damals in Buch ausbrach, und zog sich einen Rückfall zu, als er seinen ersten Vortrag beim Könige hielt, zu dem er nicht anders als in Schuhen und Strümpfen hatte gehen wollen. Sein Tod war die Folge; er starb am 30. Januar 1823.
Der schwere eichene Sarg, der sich in dem dunkeln Hinter- gewölbe befindet, steht gemeinhin offen. Der daneben befindliche Deckel ist mit tausenden von schwarzen Nägelchen beschlagen, die sich bei näherer Untersuchung zugleich als eine Inschrift des Sarges ergeben. Die Entzifferung ist schwierig und ich kann nur für die annähernde Richtigkeit derselben bürgen. Die Inschrift lautet: "Der Hoch-Hochwohlgeborne Herr Herr Gerhard Bernhard Freiherr von Poellnitz, Erbherr auf Reschau (in Preußen), auf Buch, Caro und Birkholz (in der Mark), churfürstlich brandenburgischer Geheimer Kriegsrath, General-Wachtmeister und Oberstallmeister, Oberster im Dragoner-Regiment Goerner (oder Moerner) residirte in Berlin, Cöln und Friedrichswerder, geboren 1617, gestorben den 2. August 1679." Der völlig mumificirte Körper, der am ehesten einem mit einer dicken elastischen Ledermasse überzogenen Skelette gleicht, ist völlig unbekleidet und nur mit einem graumelirten Domino oder
dumpfe Feuchte, die ſonſt an ſolchen Orten heimiſch iſt. Vielleicht iſt es dieſe Trockenheit der Luft, die die Erſcheinung erklärt. Die mumificirten Körper ſehen weiß aus, ſind verhältnißmäßig wenig eingetrocknet und zeigen noch eine gewiſſe Elaſticität von Haut und Fleiſch. Der hier zuletzt Beigeſetzte iſt der Staatsminiſter Otto Karl Friedrich von Voß. In den Sargdeckel iſt eine Metalltafel eingelegt, die einfach den Namen und die Titel des Verſtorbenen und die nöthigſten Daten (geb. den 8. Juni 1755 ꝛc.) trägt. Es iſt dies derſelbe Otto Karl Friedrich von Voß, der zur Zeit der Hardenbergſchen Verwaltung, namentlich in den Jahren, die den Befreiungskriegen folgten, ſo entſchieden die Principien und In- tereſſen einer conſervativen Politik vertrat. Unmittelbar nach dem Tode Hardenbergs wurde Voß Präſident des Staatsraths und des Staatsminiſteriums. Er überarbeitete ſich, erkältete ſich wäh- rend einer Feuersbrunſt, die gerade damals in Buch ausbrach, und zog ſich einen Rückfall zu, als er ſeinen erſten Vortrag beim Könige hielt, zu dem er nicht anders als in Schuhen und Strümpfen hatte gehen wollen. Sein Tod war die Folge; er ſtarb am 30. Januar 1823.
Der ſchwere eichene Sarg, der ſich in dem dunkeln Hinter- gewölbe befindet, ſteht gemeinhin offen. Der daneben befindliche Deckel iſt mit tauſenden von ſchwarzen Nägelchen beſchlagen, die ſich bei näherer Unterſuchung zugleich als eine Inſchrift des Sarges ergeben. Die Entzifferung iſt ſchwierig und ich kann nur für die annähernde Richtigkeit derſelben bürgen. Die Inſchrift lautet: „Der Hoch-Hochwohlgeborne Herr Herr Gerhard Bernhard Freiherr von Poellnitz, Erbherr auf Reſchau (in Preußen), auf Buch, Caro und Birkholz (in der Mark), churfürſtlich brandenburgiſcher Geheimer Kriegsrath, General-Wachtmeiſter und Oberſtallmeiſter, Oberſter im Dragoner-Regiment Goerner (oder Moerner) reſidirte in Berlin, Cöln und Friedrichswerder, geboren 1617, geſtorben den 2. Auguſt 1679.“ Der völlig mumificirte Körper, der am eheſten einem mit einer dicken elaſtiſchen Ledermaſſe überzogenen Skelette gleicht, iſt völlig unbekleidet und nur mit einem graumelirten Domino oder
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0260"n="242"/>
dumpfe Feuchte, die ſonſt an ſolchen Orten heimiſch iſt. Vielleicht<lb/>
iſt es dieſe Trockenheit der Luft, die die Erſcheinung erklärt. Die<lb/>
mumificirten Körper ſehen weiß aus, ſind verhältnißmäßig wenig<lb/>
eingetrocknet und zeigen noch eine gewiſſe Elaſticität von Haut und<lb/>
Fleiſch. Der hier zuletzt Beigeſetzte iſt der Staatsminiſter Otto<lb/>
Karl Friedrich von Voß. In den Sargdeckel iſt eine Metalltafel<lb/>
eingelegt, die einfach den Namen und die Titel des Verſtorbenen<lb/>
und die nöthigſten Daten (geb. den 8. Juni 1755 ꝛc.) trägt. Es<lb/>
iſt dies derſelbe Otto Karl Friedrich von Voß, der zur Zeit der<lb/>
Hardenbergſchen Verwaltung, namentlich in den Jahren, die den<lb/>
Befreiungskriegen folgten, ſo entſchieden die Principien und In-<lb/>
tereſſen einer conſervativen Politik vertrat. Unmittelbar nach dem<lb/>
Tode Hardenbergs wurde Voß Präſident des Staatsraths und<lb/>
des Staatsminiſteriums. Er überarbeitete ſich, erkältete ſich wäh-<lb/>
rend einer Feuersbrunſt, die gerade damals in Buch ausbrach,<lb/>
und zog ſich einen Rückfall zu, als er ſeinen erſten Vortrag beim<lb/>
Könige hielt, <hirendition="#g">zu dem er nicht anders als in Schuhen und<lb/>
Strümpfen hatte gehen wollen</hi>. Sein Tod war die Folge;<lb/>
er ſtarb am 30. Januar 1823.</p><lb/><p>Der ſchwere eichene Sarg, der ſich in dem dunkeln Hinter-<lb/>
gewölbe befindet, ſteht gemeinhin offen. Der daneben befindliche<lb/>
Deckel iſt mit tauſenden von ſchwarzen Nägelchen beſchlagen, die<lb/>ſich bei näherer Unterſuchung zugleich als eine Inſchrift des Sarges<lb/>
ergeben. Die Entzifferung iſt ſchwierig und ich kann nur für die<lb/>
annähernde Richtigkeit derſelben bürgen. Die Inſchrift lautet: „Der<lb/>
Hoch-Hochwohlgeborne Herr Herr Gerhard Bernhard Freiherr von<lb/>
Poellnitz, Erbherr auf Reſchau (in Preußen), auf Buch, Caro und<lb/>
Birkholz (in der Mark), churfürſtlich brandenburgiſcher Geheimer<lb/>
Kriegsrath, General-Wachtmeiſter und Oberſtallmeiſter, Oberſter im<lb/>
Dragoner-Regiment Goerner (oder Moerner) reſidirte in Berlin,<lb/>
Cöln und Friedrichswerder, geboren 1617, geſtorben den 2. Auguſt<lb/>
1679.“ Der völlig mumificirte Körper, der am eheſten einem mit<lb/>
einer dicken elaſtiſchen Ledermaſſe überzogenen Skelette gleicht, iſt<lb/>
völlig unbekleidet und nur mit einem graumelirten Domino oder<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[242/0260]
dumpfe Feuchte, die ſonſt an ſolchen Orten heimiſch iſt. Vielleicht
iſt es dieſe Trockenheit der Luft, die die Erſcheinung erklärt. Die
mumificirten Körper ſehen weiß aus, ſind verhältnißmäßig wenig
eingetrocknet und zeigen noch eine gewiſſe Elaſticität von Haut und
Fleiſch. Der hier zuletzt Beigeſetzte iſt der Staatsminiſter Otto
Karl Friedrich von Voß. In den Sargdeckel iſt eine Metalltafel
eingelegt, die einfach den Namen und die Titel des Verſtorbenen
und die nöthigſten Daten (geb. den 8. Juni 1755 ꝛc.) trägt. Es
iſt dies derſelbe Otto Karl Friedrich von Voß, der zur Zeit der
Hardenbergſchen Verwaltung, namentlich in den Jahren, die den
Befreiungskriegen folgten, ſo entſchieden die Principien und In-
tereſſen einer conſervativen Politik vertrat. Unmittelbar nach dem
Tode Hardenbergs wurde Voß Präſident des Staatsraths und
des Staatsminiſteriums. Er überarbeitete ſich, erkältete ſich wäh-
rend einer Feuersbrunſt, die gerade damals in Buch ausbrach,
und zog ſich einen Rückfall zu, als er ſeinen erſten Vortrag beim
Könige hielt, zu dem er nicht anders als in Schuhen und
Strümpfen hatte gehen wollen. Sein Tod war die Folge;
er ſtarb am 30. Januar 1823.
Der ſchwere eichene Sarg, der ſich in dem dunkeln Hinter-
gewölbe befindet, ſteht gemeinhin offen. Der daneben befindliche
Deckel iſt mit tauſenden von ſchwarzen Nägelchen beſchlagen, die
ſich bei näherer Unterſuchung zugleich als eine Inſchrift des Sarges
ergeben. Die Entzifferung iſt ſchwierig und ich kann nur für die
annähernde Richtigkeit derſelben bürgen. Die Inſchrift lautet: „Der
Hoch-Hochwohlgeborne Herr Herr Gerhard Bernhard Freiherr von
Poellnitz, Erbherr auf Reſchau (in Preußen), auf Buch, Caro und
Birkholz (in der Mark), churfürſtlich brandenburgiſcher Geheimer
Kriegsrath, General-Wachtmeiſter und Oberſtallmeiſter, Oberſter im
Dragoner-Regiment Goerner (oder Moerner) reſidirte in Berlin,
Cöln und Friedrichswerder, geboren 1617, geſtorben den 2. Auguſt
1679.“ Der völlig mumificirte Körper, der am eheſten einem mit
einer dicken elaſtiſchen Ledermaſſe überzogenen Skelette gleicht, iſt
völlig unbekleidet und nur mit einem graumelirten Domino oder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/260>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.