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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Knöpfchen und Täfelchen, von Blatt und Figur an Tischen und
Kästen und in den obern Zimmern theilen sich schwere Kachelöfen
auf Eichenfüßen ruhend und große Himmelbetten mit Zitzgardinen
in die Herrschaft des Raums. Aber nicht bloß in allgemeinen Um-
rissen tritt die alte Zeit an uns heran, auch das Besondere ist da,
Porträts und Schildereien, die auf bestimmte Personen hindeuten,
die seit hundert Jahren hier gingen und kamen.

Wir haben unsern Umgang durch die stillen Räume des
Schlosses vollendet und treten wieder in den Park hinaus. Einer
der vielen Laubengänge desselben führt uns bis an die nahe ge-
legene Kirche. Diese Kirche ist ein sehr merkwürdiger Bau. In
einer alten Beschreibung Berlins und seiner Umgegend wird sie
die "schöne Kirche zu Buch" genannt. Dieser Ausspruch mag statt-
haft gewesen sein, als es in der ganzen Mark Brandenburg keine
zehn Menschen gab, die eine häßliche Kirche von einer schönen
unterscheiden konnten, in jener Epoche allgemeiner Geschmacksver-
irrung, wo man durch Laternenthürme und Kuppeln wie Butter-
glocken die einfach nobeln Formen der frühen Gothik, wie sie sich
ganz besonders in den Feldsteinkirchen unserer Dörfer erhalten hatte,
ersetzen zu können glaubte. Die Kirche zu Buch ist nicht schön,
nur eigenthümlich ist sie, dabei stattlich, und von gewisser Entfer-
nung aus gesehen, nicht ohne malerischen Reiz. Die Grundform
ist ein griechisches Kreuz, aus dessen Mitte sich eine merkwürdige
Mischung von Kuppel- und Etagenthurm erhebt. Suchen wir diese
Bauart zu beschreiben. Jeder kennt jene Garten- und Speise-
pavillons, die sich in den Parkanlagen des vorigen Jahrhunderts
so vielfach finden, und die aus sechs oder acht korinthischen Säulen
bestehen, die ein gewölbtes Dach tragen. Denkt sich der Leser drei
solcher Pavillons, der eine immer kleiner als der andere, auf ein-
ander gestellt und den Säulenbau des untersten kreuzartig erwei-
tert, so hat er ziemlich genau ein Bild der Bucher Kirche. Weiß-
getünchte Säulen und Pfeiler wiederholen sich in gleicher, nur
verkleinerter Form von Etage zu Etage, deren jede eine schindel-
gedeckte Kuppel trägt. Der Raum zwischen den Säulen ist überall

Knöpfchen und Täfelchen, von Blatt und Figur an Tiſchen und
Käſten und in den obern Zimmern theilen ſich ſchwere Kachelöfen
auf Eichenfüßen ruhend und große Himmelbetten mit Zitzgardinen
in die Herrſchaft des Raums. Aber nicht bloß in allgemeinen Um-
riſſen tritt die alte Zeit an uns heran, auch das Beſondere iſt da,
Porträts und Schildereien, die auf beſtimmte Perſonen hindeuten,
die ſeit hundert Jahren hier gingen und kamen.

Wir haben unſern Umgang durch die ſtillen Räume des
Schloſſes vollendet und treten wieder in den Park hinaus. Einer
der vielen Laubengänge deſſelben führt uns bis an die nahe ge-
legene Kirche. Dieſe Kirche iſt ein ſehr merkwürdiger Bau. In
einer alten Beſchreibung Berlins und ſeiner Umgegend wird ſie
die „ſchöne Kirche zu Buch“ genannt. Dieſer Ausſpruch mag ſtatt-
haft geweſen ſein, als es in der ganzen Mark Brandenburg keine
zehn Menſchen gab, die eine häßliche Kirche von einer ſchönen
unterſcheiden konnten, in jener Epoche allgemeiner Geſchmacksver-
irrung, wo man durch Laternenthürme und Kuppeln wie Butter-
glocken die einfach nobeln Formen der frühen Gothik, wie ſie ſich
ganz beſonders in den Feldſteinkirchen unſerer Dörfer erhalten hatte,
erſetzen zu können glaubte. Die Kirche zu Buch iſt nicht ſchön,
nur eigenthümlich iſt ſie, dabei ſtattlich, und von gewiſſer Entfer-
nung aus geſehen, nicht ohne maleriſchen Reiz. Die Grundform
iſt ein griechiſches Kreuz, aus deſſen Mitte ſich eine merkwürdige
Miſchung von Kuppel- und Etagenthurm erhebt. Suchen wir dieſe
Bauart zu beſchreiben. Jeder kennt jene Garten- und Speiſe-
pavillons, die ſich in den Parkanlagen des vorigen Jahrhunderts
ſo vielfach finden, und die aus ſechs oder acht korinthiſchen Säulen
beſtehen, die ein gewölbtes Dach tragen. Denkt ſich der Leſer drei
ſolcher Pavillons, der eine immer kleiner als der andere, auf ein-
ander geſtellt und den Säulenbau des unterſten kreuzartig erwei-
tert, ſo hat er ziemlich genau ein Bild der Bucher Kirche. Weiß-
getünchte Säulen und Pfeiler wiederholen ſich in gleicher, nur
verkleinerter Form von Etage zu Etage, deren jede eine ſchindel-
gedeckte Kuppel trägt. Der Raum zwiſchen den Säulen iſt überall

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[240/0258] Knöpfchen und Täfelchen, von Blatt und Figur an Tiſchen und Käſten und in den obern Zimmern theilen ſich ſchwere Kachelöfen auf Eichenfüßen ruhend und große Himmelbetten mit Zitzgardinen in die Herrſchaft des Raums. Aber nicht bloß in allgemeinen Um- riſſen tritt die alte Zeit an uns heran, auch das Beſondere iſt da, Porträts und Schildereien, die auf beſtimmte Perſonen hindeuten, die ſeit hundert Jahren hier gingen und kamen. Wir haben unſern Umgang durch die ſtillen Räume des Schloſſes vollendet und treten wieder in den Park hinaus. Einer der vielen Laubengänge deſſelben führt uns bis an die nahe ge- legene Kirche. Dieſe Kirche iſt ein ſehr merkwürdiger Bau. In einer alten Beſchreibung Berlins und ſeiner Umgegend wird ſie die „ſchöne Kirche zu Buch“ genannt. Dieſer Ausſpruch mag ſtatt- haft geweſen ſein, als es in der ganzen Mark Brandenburg keine zehn Menſchen gab, die eine häßliche Kirche von einer ſchönen unterſcheiden konnten, in jener Epoche allgemeiner Geſchmacksver- irrung, wo man durch Laternenthürme und Kuppeln wie Butter- glocken die einfach nobeln Formen der frühen Gothik, wie ſie ſich ganz beſonders in den Feldſteinkirchen unſerer Dörfer erhalten hatte, erſetzen zu können glaubte. Die Kirche zu Buch iſt nicht ſchön, nur eigenthümlich iſt ſie, dabei ſtattlich, und von gewiſſer Entfer- nung aus geſehen, nicht ohne maleriſchen Reiz. Die Grundform iſt ein griechiſches Kreuz, aus deſſen Mitte ſich eine merkwürdige Miſchung von Kuppel- und Etagenthurm erhebt. Suchen wir dieſe Bauart zu beſchreiben. Jeder kennt jene Garten- und Speiſe- pavillons, die ſich in den Parkanlagen des vorigen Jahrhunderts ſo vielfach finden, und die aus ſechs oder acht korinthiſchen Säulen beſtehen, die ein gewölbtes Dach tragen. Denkt ſich der Leſer drei ſolcher Pavillons, der eine immer kleiner als der andere, auf ein- ander geſtellt und den Säulenbau des unterſten kreuzartig erwei- tert, ſo hat er ziemlich genau ein Bild der Bucher Kirche. Weiß- getünchte Säulen und Pfeiler wiederholen ſich in gleicher, nur verkleinerter Form von Etage zu Etage, deren jede eine ſchindel- gedeckte Kuppel trägt. Der Raum zwiſchen den Säulen iſt überall

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/258>, abgerufen am 24.11.2024.