bemächtigt und er litt an Leib und Seele. Ueber die letzten Mo- mente seines Lebens ist nichts Bestimmtes aufgezeichnet, doch ver- dank' ich den Mittheilungen einer Dame, die noch den Hof des Prinzen Heinrich und diesen selbst gekannt hat, allerlei Züge und Andeutungen, aus denen genugsam erhellt, daß der Ausgang so erschütternd wie möglich war. Die Gemüthskrankheit hatte schließ- lich die Form eines nervösen Fiebers angenommen und die Bilder von Personen und Scenen, die seine Seele seit jenem Unglücks- tage nicht los geworden war, traten jetzt aus seiner Seele heraus, nahmen Gestalt an und stellten sich wie faßbar und leibhaftig an sein Lager. Den Schatten Winterfeldt's rief er an, und als sich die Gestalt nicht bannen ließ, sprang er auf, um vor dem Gehaßten und Gefürchteten zu fliehen. Das waren die letzten Momente Prinz August Wilhelms; er starb im Fieber, am 12. Juni 1758, im Schlosse zu Oranienburg. Der König war bei der Nachricht von seinem Tode tiefgebeugt; im Volke hieß es, er sei vor Gram ge- storben. 1790 errichtete ihm sein jüngerer Bruder Heinrich den oft beschriebenen Obelisken, gegenüber dem Rheinsberger Schloß, nachdem die sterblichen Ueberreste des Prinzen schon früher im Rheinsberger Parke beigesetzt worden waren. Dieser Punkt ist in Dunkel gehüllt, weshalb ich hier -- damit Eingeweihtere entschei- den mögen -- die alte Version und meine eignen Aufzeichnungen aus dem Rheinsberger Park zusammenstelle. Prediger Ballhorn in seiner Geschichte Oranienburgs schreibt: "Seine Leiche wurde zuerst in einem Gewölbe der hiesigen Kirche aufbewahrt, dann aber am 10. Juli von seinem Regimente nach Berlin abgeführt. Prinz Heinrich widmete ihm zu Rheinsberg ein prachtvolles Monument, das zugleich die Urne umschließt, in welcher sein Herz aufbewahrt wird." Zwei Dinge erscheinen hierin unrichtig: erst- lich stand das Regiment des Prinzen von Preußen damals im Felde (Friedrich der Große schreibt eigens: "der Anblick des prinz- lichen Regiments erneuert mir jedesmal den Schmerz um ihn") und zweitens befindet sich die Urne nicht eingeschlossen im Monu- ment, sondern steht frei und offen an einer ganz andern Stelle
bemächtigt und er litt an Leib und Seele. Ueber die letzten Mo- mente ſeines Lebens iſt nichts Beſtimmtes aufgezeichnet, doch ver- dank’ ich den Mittheilungen einer Dame, die noch den Hof des Prinzen Heinrich und dieſen ſelbſt gekannt hat, allerlei Züge und Andeutungen, aus denen genugſam erhellt, daß der Ausgang ſo erſchütternd wie möglich war. Die Gemüthskrankheit hatte ſchließ- lich die Form eines nervöſen Fiebers angenommen und die Bilder von Perſonen und Scenen, die ſeine Seele ſeit jenem Unglücks- tage nicht los geworden war, traten jetzt aus ſeiner Seele heraus, nahmen Geſtalt an und ſtellten ſich wie faßbar und leibhaftig an ſein Lager. Den Schatten Winterfeldt’s rief er an, und als ſich die Geſtalt nicht bannen ließ, ſprang er auf, um vor dem Gehaßten und Gefürchteten zu fliehen. Das waren die letzten Momente Prinz Auguſt Wilhelms; er ſtarb im Fieber, am 12. Juni 1758, im Schloſſe zu Oranienburg. Der König war bei der Nachricht von ſeinem Tode tiefgebeugt; im Volke hieß es, er ſei vor Gram ge- ſtorben. 1790 errichtete ihm ſein jüngerer Bruder Heinrich den oft beſchriebenen Obelisken, gegenüber dem Rheinsberger Schloß, nachdem die ſterblichen Ueberreſte des Prinzen ſchon früher im Rheinsberger Parke beigeſetzt worden waren. Dieſer Punkt iſt in Dunkel gehüllt, weshalb ich hier — damit Eingeweihtere entſchei- den mögen — die alte Verſion und meine eignen Aufzeichnungen aus dem Rheinsberger Park zuſammenſtelle. Prediger Ballhorn in ſeiner Geſchichte Oranienburgs ſchreibt: „Seine Leiche wurde zuerſt in einem Gewölbe der hieſigen Kirche aufbewahrt, dann aber am 10. Juli von ſeinem Regimente nach Berlin abgeführt. Prinz Heinrich widmete ihm zu Rheinsberg ein prachtvolles Monument, das zugleich die Urne umſchließt, in welcher ſein Herz aufbewahrt wird.“ Zwei Dinge erſcheinen hierin unrichtig: erſt- lich ſtand das Regiment des Prinzen von Preußen damals im Felde (Friedrich der Große ſchreibt eigens: „der Anblick des prinz- lichen Regiments erneuert mir jedesmal den Schmerz um ihn“) und zweitens befindet ſich die Urne nicht eingeſchloſſen im Monu- ment, ſondern ſteht frei und offen an einer ganz andern Stelle
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bemächtigt und er litt an Leib und Seele. Ueber die letzten Mo-
mente ſeines Lebens iſt nichts Beſtimmtes aufgezeichnet, doch ver-
dank’ ich den Mittheilungen einer Dame, die noch den Hof des
Prinzen Heinrich und dieſen ſelbſt gekannt hat, allerlei Züge und
Andeutungen, aus denen genugſam erhellt, daß der Ausgang ſo
erſchütternd wie möglich war. Die Gemüthskrankheit hatte ſchließ-
lich die Form eines nervöſen Fiebers angenommen und die Bilder
von Perſonen und Scenen, die ſeine Seele ſeit jenem Unglücks-
tage nicht los geworden war, traten jetzt aus ſeiner Seele heraus,
nahmen Geſtalt an und ſtellten ſich wie faßbar und leibhaftig an
ſein Lager. Den Schatten Winterfeldt’s rief er an, und als ſich
die Geſtalt nicht bannen ließ, ſprang er auf, um vor dem Gehaßten
und Gefürchteten zu fliehen. Das waren die letzten Momente Prinz
Auguſt Wilhelms; er ſtarb im Fieber, am 12. Juni 1758, im
Schloſſe zu Oranienburg. Der König war bei der Nachricht von
ſeinem Tode tiefgebeugt; im Volke hieß es, er ſei vor Gram ge-
ſtorben. 1790 errichtete ihm ſein jüngerer Bruder Heinrich den
oft beſchriebenen Obelisken, gegenüber dem Rheinsberger Schloß,
nachdem die ſterblichen Ueberreſte des Prinzen ſchon früher im
Rheinsberger Parke beigeſetzt worden waren. Dieſer Punkt iſt in
Dunkel gehüllt, weshalb ich hier — damit Eingeweihtere entſchei-
den mögen — die alte Verſion und meine eignen Aufzeichnungen
aus dem Rheinsberger Park zuſammenſtelle. Prediger Ballhorn in
ſeiner Geſchichte Oranienburgs ſchreibt: „Seine Leiche wurde zuerſt
in einem Gewölbe der hieſigen Kirche aufbewahrt, dann aber am
10. Juli von ſeinem Regimente nach Berlin abgeführt. Prinz
Heinrich widmete ihm zu Rheinsberg ein prachtvolles Monument,
das zugleich die Urne umſchließt, in welcher ſein Herz
aufbewahrt wird.“ Zwei Dinge erſcheinen hierin unrichtig: erſt-
lich ſtand das Regiment des Prinzen von Preußen damals im
Felde (Friedrich der Große ſchreibt eigens: „der Anblick des prinz-
lichen Regiments erneuert mir jedesmal den Schmerz um ihn“)
und zweitens befindet ſich die Urne nicht eingeſchloſſen im Monu-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/246>, abgerufen am 24.11.2024.
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