Preußen und gute Brandenburger zu sein, und wenn es Noth thut, an jedem Tag im Jahre so brav und tapfer zu Land und Thron zu stehen, wie am 18. Juni 1675 ihre Väter hier gestan- den haben. Dann giebt es ein Hurrah und Mützenschwenken, und Musik vorauf, gemeinhin nach den Klängen des "alten Dessauers" marschiren nun Alt und Jung über das eigentliche Schlachtfeld hinweg, jener Hügelreihe zu, die nach Süd-Osten hin, den ziem- lich schmalen Streifen, auf dem gekämpft wurde, begränzt. Die höchste dieser Hügelkuppen, kahl und unscheinbar und nur im Hintergrunde von einigen Pappeln überragt, heißt der Kurfürsten- berg, weil von ihm aus der Kurfürst den Angriff und die Bewe- gungen der Schlacht leitete. Auf diesem und dem benachbarten Froben-Hügel macht man Halt, und unter allerhand Turner- spielen, mit Ringen und Laufen, Springen und Klettern verbringt die Jugend den Tag, bis spät am Nachmittag der Rückzug in die Städte und Dörfer beginnt.
Das ist ein Volksfest im besten Sinne des Worts, besser als unsere großstädtischen Festzüge, denen jeder geistige Mittelpunkt (wenn sie ihn jemals hatten) längst abhanden gekommen ist. Es gibt nichts kläglicheres, als die Volkslustbarkeiten unserer Residenzen, als der "Stralauer Fischzug" und alles, was ihm ähnlich sieht. In unsern kleinen Städten aber steckt noch ein guter und ge- sunder Rest von Volks- und Kinderfesten, und jeder, der ihnen beiwohnt, wird sich erheitert und gehoben fühlen. Man wirft un- serem norddeutschen Leben vor, daß es nüchtern sei und des poe- tischen Schwunges entbehre. Das ist in gewissem Sinne wahr. Es fehlt uns das Bunte der Costüme und das Coulissenwerk einer Wald- und Bergnatur, und weil wir dieser Requisiten entbehren, mag bis zu einem gewissen Grade die Lust und die Fähigkeit in uns verkümmert sein, ein Schauspiel im großen Stile aufzuführen. Es fehlt uns außerdem die katholische Kirche, die große Lehr- meisterin der Festzüge und Processionen. Zugegeben das. Aber ein neues Volk, wie wir sind, dessen Traditionen über den Tag von Fehrbellin kaum hinausreichen, hat sich hierzulande eben alles
Preußen und gute Brandenburger zu ſein, und wenn es Noth thut, an jedem Tag im Jahre ſo brav und tapfer zu Land und Thron zu ſtehen, wie am 18. Juni 1675 ihre Väter hier geſtan- den haben. Dann giebt es ein Hurrah und Mützenſchwenken, und Muſik vorauf, gemeinhin nach den Klängen des „alten Deſſauers“ marſchiren nun Alt und Jung über das eigentliche Schlachtfeld hinweg, jener Hügelreihe zu, die nach Süd-Oſten hin, den ziem- lich ſchmalen Streifen, auf dem gekämpft wurde, begränzt. Die höchſte dieſer Hügelkuppen, kahl und unſcheinbar und nur im Hintergrunde von einigen Pappeln überragt, heißt der Kurfürſten- berg, weil von ihm aus der Kurfürſt den Angriff und die Bewe- gungen der Schlacht leitete. Auf dieſem und dem benachbarten Froben-Hügel macht man Halt, und unter allerhand Turner- ſpielen, mit Ringen und Laufen, Springen und Klettern verbringt die Jugend den Tag, bis ſpät am Nachmittag der Rückzug in die Städte und Dörfer beginnt.
Das iſt ein Volksfeſt im beſten Sinne des Worts, beſſer als unſere großſtädtiſchen Feſtzüge, denen jeder geiſtige Mittelpunkt (wenn ſie ihn jemals hatten) längſt abhanden gekommen iſt. Es gibt nichts kläglicheres, als die Volksluſtbarkeiten unſerer Reſidenzen, als der „Stralauer Fiſchzug“ und alles, was ihm ähnlich ſieht. In unſern kleinen Städten aber ſteckt noch ein guter und ge- ſunder Reſt von Volks- und Kinderfeſten, und jeder, der ihnen beiwohnt, wird ſich erheitert und gehoben fühlen. Man wirft un- ſerem norddeutſchen Leben vor, daß es nüchtern ſei und des poe- tiſchen Schwunges entbehre. Das iſt in gewiſſem Sinne wahr. Es fehlt uns das Bunte der Coſtüme und das Couliſſenwerk einer Wald- und Bergnatur, und weil wir dieſer Requiſiten entbehren, mag bis zu einem gewiſſen Grade die Luſt und die Fähigkeit in uns verkümmert ſein, ein Schauſpiel im großen Stile aufzuführen. Es fehlt uns außerdem die katholiſche Kirche, die große Lehr- meiſterin der Feſtzüge und Proceſſionen. Zugegeben das. Aber ein neues Volk, wie wir ſind, deſſen Traditionen über den Tag von Fehrbellin kaum hinausreichen, hat ſich hierzulande eben alles
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0185"n="167"/>
Preußen und gute Brandenburger zu ſein, und wenn es Noth<lb/>
thut, an jedem Tag im Jahre ſo brav und tapfer zu Land und<lb/>
Thron zu ſtehen, wie am 18. Juni 1675 ihre Väter hier geſtan-<lb/>
den haben. Dann giebt es ein Hurrah und Mützenſchwenken, und<lb/>
Muſik vorauf, gemeinhin nach den Klängen des „alten Deſſauers“<lb/>
marſchiren nun Alt und Jung über das eigentliche Schlachtfeld<lb/>
hinweg, jener Hügelreihe zu, die nach Süd-Oſten hin, den ziem-<lb/>
lich ſchmalen Streifen, auf dem gekämpft wurde, begränzt. Die<lb/>
höchſte dieſer Hügelkuppen, kahl und unſcheinbar und nur im<lb/>
Hintergrunde von einigen Pappeln überragt, heißt der Kurfürſten-<lb/>
berg, weil von ihm aus der Kurfürſt den Angriff und die Bewe-<lb/>
gungen der Schlacht leitete. Auf dieſem und dem benachbarten<lb/>
Froben-Hügel macht man Halt, und unter allerhand Turner-<lb/>ſpielen, mit Ringen und Laufen, Springen und Klettern verbringt<lb/>
die Jugend den Tag, bis ſpät am Nachmittag der Rückzug in<lb/>
die Städte und Dörfer beginnt.</p><lb/><p>Das iſt ein Volksfeſt im beſten Sinne des Worts, beſſer<lb/>
als unſere großſtädtiſchen Feſtzüge, denen jeder geiſtige Mittelpunkt<lb/>
(wenn ſie ihn jemals hatten) längſt abhanden gekommen iſt. Es<lb/>
gibt nichts kläglicheres, als die Volksluſtbarkeiten unſerer Reſidenzen,<lb/>
als der „Stralauer Fiſchzug“ und alles, was ihm ähnlich ſieht.<lb/>
In unſern <hirendition="#g">kleinen</hi> Städten aber ſteckt noch ein guter und ge-<lb/>ſunder Reſt von Volks- und Kinderfeſten, und jeder, der ihnen<lb/>
beiwohnt, wird ſich erheitert und gehoben fühlen. Man wirft un-<lb/>ſerem norddeutſchen Leben vor, daß es nüchtern ſei und des poe-<lb/>
tiſchen Schwunges entbehre. Das iſt in gewiſſem Sinne wahr.<lb/>
Es fehlt uns das Bunte der Coſtüme und das Couliſſenwerk einer<lb/>
Wald- und Bergnatur, und weil wir dieſer Requiſiten entbehren,<lb/>
mag bis zu einem gewiſſen Grade die Luſt und die Fähigkeit in<lb/>
uns verkümmert ſein, ein Schauſpiel im großen Stile aufzuführen.<lb/>
Es fehlt uns außerdem die katholiſche Kirche, die große Lehr-<lb/>
meiſterin der Feſtzüge und Proceſſionen. Zugegeben das. Aber ein<lb/>
neues Volk, wie wir ſind, deſſen Traditionen über den Tag von<lb/>
Fehrbellin kaum hinausreichen, hat ſich hierzulande eben alles<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[167/0185]
Preußen und gute Brandenburger zu ſein, und wenn es Noth
thut, an jedem Tag im Jahre ſo brav und tapfer zu Land und
Thron zu ſtehen, wie am 18. Juni 1675 ihre Väter hier geſtan-
den haben. Dann giebt es ein Hurrah und Mützenſchwenken, und
Muſik vorauf, gemeinhin nach den Klängen des „alten Deſſauers“
marſchiren nun Alt und Jung über das eigentliche Schlachtfeld
hinweg, jener Hügelreihe zu, die nach Süd-Oſten hin, den ziem-
lich ſchmalen Streifen, auf dem gekämpft wurde, begränzt. Die
höchſte dieſer Hügelkuppen, kahl und unſcheinbar und nur im
Hintergrunde von einigen Pappeln überragt, heißt der Kurfürſten-
berg, weil von ihm aus der Kurfürſt den Angriff und die Bewe-
gungen der Schlacht leitete. Auf dieſem und dem benachbarten
Froben-Hügel macht man Halt, und unter allerhand Turner-
ſpielen, mit Ringen und Laufen, Springen und Klettern verbringt
die Jugend den Tag, bis ſpät am Nachmittag der Rückzug in
die Städte und Dörfer beginnt.
Das iſt ein Volksfeſt im beſten Sinne des Worts, beſſer
als unſere großſtädtiſchen Feſtzüge, denen jeder geiſtige Mittelpunkt
(wenn ſie ihn jemals hatten) längſt abhanden gekommen iſt. Es
gibt nichts kläglicheres, als die Volksluſtbarkeiten unſerer Reſidenzen,
als der „Stralauer Fiſchzug“ und alles, was ihm ähnlich ſieht.
In unſern kleinen Städten aber ſteckt noch ein guter und ge-
ſunder Reſt von Volks- und Kinderfeſten, und jeder, der ihnen
beiwohnt, wird ſich erheitert und gehoben fühlen. Man wirft un-
ſerem norddeutſchen Leben vor, daß es nüchtern ſei und des poe-
tiſchen Schwunges entbehre. Das iſt in gewiſſem Sinne wahr.
Es fehlt uns das Bunte der Coſtüme und das Couliſſenwerk einer
Wald- und Bergnatur, und weil wir dieſer Requiſiten entbehren,
mag bis zu einem gewiſſen Grade die Luſt und die Fähigkeit in
uns verkümmert ſein, ein Schauſpiel im großen Stile aufzuführen.
Es fehlt uns außerdem die katholiſche Kirche, die große Lehr-
meiſterin der Feſtzüge und Proceſſionen. Zugegeben das. Aber ein
neues Volk, wie wir ſind, deſſen Traditionen über den Tag von
Fehrbellin kaum hinausreichen, hat ſich hierzulande eben alles
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/185>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.