voller Grazie, nichts Steifes, Langweiliges und innerhalb gewisser Grenzlinien, voller Freiheit und selbst voll Originalität. Herrschen und ein großes Haus machen, waren ihre zwei Leidenschaften; je mehr Kutschen im Hofe, desto wohler wurde ihr ums Herz, und je mehr Lichter im Hause brannten, desto heller sprühte ihr Geist. Dann kamen die alten Zeiten wieder zurück. Sparsam sonst und eine Frau, bei der die Rechnungsbücher stimmen mußten, erschrak sie an solchem Tage vor keinem Opfer, ja der Gedanke berührte sie keinen Augenblick, daß es überhaupt ein Opfer sei. Nach Sitte der Zeit, in der sie jung gewesen war, lebte sie in ihren Zimmern wie in einer Arche Noäh, und vom Kakadu an bis herunter zu Kanarienvogel und Eichhörnchen, fand sich alles beisammen. Katzen und Hunde waren natürlich die Lieblinge und durften sich alles erlauben, ja, eintretender Besuch pflegte, bevor die Dame vom Hause selbst erschien, in nicht geringe Verlegenheit zu gerathen, wo überhaupt Platz zu nehmen sei. Aber mit dem Erscheinen der alten Marquise war alles vergessen, man sah die Unordnung nicht mehr und was bis dahin lästig gewesen war, wurde eigenthümliches und charakteristisches Ornament. Ihre Rede und ihre Handbewe- gungen machten sie sofort zum dirigirenden Mittelpunkt und alles klang zu einem heitern Concert zusammen. Wurden die Tage des Prinzen Heinrich zum Gegenstand der Unterhaltung, so vergingen die Stunden wie im Fluge, ihr selbst und andern.
Ihr Tod war wie ihr Leben; er hatte einen Roccoco-Cha- rakter, wie das Sopha, auf dem sie starb und wie die Tabatiere, die vor ihr stand. Ihre Lieblingskatze hatte sie in die Lippe ge- bissen, -- daran starb sie, 89 Jahr alt, am 18. Mai 1859.
Mit ihr wurde die letzte Repräsentantin der Prinz-Heinrich-Zeit zu Grabe getragen. Noch leben einzelne, die sich aus ihren Kinder- jahren her des Prinzen entsinnen, der "sehr häßlich war und gar nicht aussah wie ein Prinz," aber die Marquise La Roche-Aymon war die letzte, die mit auf der Bühne jener Tage thätig und eine bewunderte Zierde derselben gewesen war.
voller Grazie, nichts Steifes, Langweiliges und innerhalb gewiſſer Grenzlinien, voller Freiheit und ſelbſt voll Originalität. Herrſchen und ein großes Haus machen, waren ihre zwei Leidenſchaften; je mehr Kutſchen im Hofe, deſto wohler wurde ihr ums Herz, und je mehr Lichter im Hauſe brannten, deſto heller ſprühte ihr Geiſt. Dann kamen die alten Zeiten wieder zurück. Sparſam ſonſt und eine Frau, bei der die Rechnungsbücher ſtimmen mußten, erſchrak ſie an ſolchem Tage vor keinem Opfer, ja der Gedanke berührte ſie keinen Augenblick, daß es überhaupt ein Opfer ſei. Nach Sitte der Zeit, in der ſie jung geweſen war, lebte ſie in ihren Zimmern wie in einer Arche Noäh, und vom Kakadu an bis herunter zu Kanarienvogel und Eichhörnchen, fand ſich alles beiſammen. Katzen und Hunde waren natürlich die Lieblinge und durften ſich alles erlauben, ja, eintretender Beſuch pflegte, bevor die Dame vom Hauſe ſelbſt erſchien, in nicht geringe Verlegenheit zu gerathen, wo überhaupt Platz zu nehmen ſei. Aber mit dem Erſcheinen der alten Marquiſe war alles vergeſſen, man ſah die Unordnung nicht mehr und was bis dahin läſtig geweſen war, wurde eigenthümliches und charakteriſtiſches Ornament. Ihre Rede und ihre Handbewe- gungen machten ſie ſofort zum dirigirenden Mittelpunkt und alles klang zu einem heitern Concert zuſammen. Wurden die Tage des Prinzen Heinrich zum Gegenſtand der Unterhaltung, ſo vergingen die Stunden wie im Fluge, ihr ſelbſt und andern.
Ihr Tod war wie ihr Leben; er hatte einen Roccoco-Cha- rakter, wie das Sopha, auf dem ſie ſtarb und wie die Tabatière, die vor ihr ſtand. Ihre Lieblingskatze hatte ſie in die Lippe ge- biſſen, — daran ſtarb ſie, 89 Jahr alt, am 18. Mai 1859.
Mit ihr wurde die letzte Repräſentantin der Prinz-Heinrich-Zeit zu Grabe getragen. Noch leben einzelne, die ſich aus ihren Kinder- jahren her des Prinzen entſinnen, der „ſehr häßlich war und gar nicht ausſah wie ein Prinz,“ aber die Marquiſe La Roche-Aymon war die letzte, die mit auf der Bühne jener Tage thätig und eine bewunderte Zierde derſelben geweſen war.
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voller Grazie, nichts Steifes, Langweiliges und innerhalb gewiſſer
Grenzlinien, voller Freiheit und ſelbſt voll Originalität. Herrſchen
und ein großes Haus machen, waren ihre zwei Leidenſchaften; je
mehr Kutſchen im Hofe, deſto wohler wurde ihr ums Herz, und
je mehr Lichter im Hauſe brannten, deſto heller ſprühte ihr Geiſt.
Dann kamen die alten Zeiten wieder zurück. Sparſam ſonſt und
eine Frau, bei der die Rechnungsbücher ſtimmen mußten, erſchrak
ſie an ſolchem Tage vor keinem Opfer, ja der Gedanke berührte
ſie keinen Augenblick, daß es überhaupt ein Opfer ſei. Nach Sitte
der Zeit, in der ſie jung geweſen war, lebte ſie in ihren Zimmern
wie in einer Arche Noäh, und vom Kakadu an bis herunter zu
Kanarienvogel und Eichhörnchen, fand ſich alles beiſammen. Katzen
und Hunde waren natürlich die Lieblinge und durften ſich alles
erlauben, ja, eintretender Beſuch pflegte, bevor die Dame vom
Hauſe ſelbſt erſchien, in nicht geringe Verlegenheit zu gerathen, wo
überhaupt Platz zu nehmen ſei. Aber mit dem Erſcheinen der alten
Marquiſe war alles vergeſſen, man ſah die Unordnung nicht mehr
und was bis dahin läſtig geweſen war, wurde eigenthümliches
und charakteriſtiſches Ornament. Ihre Rede und ihre Handbewe-
gungen machten ſie ſofort zum dirigirenden Mittelpunkt und alles
klang zu einem heitern Concert zuſammen. Wurden die Tage des
Prinzen Heinrich zum Gegenſtand der Unterhaltung, ſo vergingen
die Stunden wie im Fluge, ihr ſelbſt und andern.
Ihr Tod war wie ihr Leben; er hatte einen Roccoco-Cha-
rakter, wie das Sopha, auf dem ſie ſtarb und wie die Tabatière,
die vor ihr ſtand. Ihre Lieblingskatze hatte ſie in die Lippe ge-
biſſen, — daran ſtarb ſie, 89 Jahr alt, am 18. Mai 1859.
Mit ihr wurde die letzte Repräſentantin der Prinz-Heinrich-Zeit
zu Grabe getragen. Noch leben einzelne, die ſich aus ihren Kinder-
jahren her des Prinzen entſinnen, der „ſehr häßlich war und gar
nicht ausſah wie ein Prinz,“ aber die Marquiſe La Roche-Aymon
war die letzte, die mit auf der Bühne jener Tage thätig und eine
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/161>, abgerufen am 29.11.2024.
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