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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Demoiselle Toussaint zu Stande. Maria Louise Therese Toussaint
war die Tochter des mehrgenannten Lecteurs und Bibliothekars
des Prinzen und hatte als Schauspielerin bei den Aufführungen
auf der Rheinsberger Bühne, wie auch sonst wohl, sich die Gunst
des Prinzen in hohem Grade zu erringen gewußt. Etwa um 1780 oder
wenig später hatte sie sich mit einem Herrn v. Bilguer vermählt;
seitdem Wittwe geworden, war ihre Hand wieder frei, und als
Frau v. Kaphengst zog sie nun ein in das schöne Schloß am
Huvenow-See.

Die Erwartungen besserer Wirthschaft, die der Prinz an diese
Parthie geknüpft hatte, erwiesen sich als eitel und irrig, aber um-
gekehrt gingen, theilweis wenigstens und bis zu einem gewissen
Zeitpunkt, die Hoffnungen in Erfüllung, die Kaphengst an diese
seine Vermählung mit der ehemaligen Favorit-Schauspielerin ge-
knüpft hatte. Eine neue Handhabe war gewonnen, um sich
der Gunst des Prinzen zu versichern
. Der jagd- und spiel-
liebende, streit- und händelsüchtige Kaphengst war dem Prinzen,
dessen Schatulle schwer unter den Debauchen seines ehemaligen
Lieblings zu leiden gehabt hatte, schließlich unbequem geworden.
Der neue Kaphengst, der jetzt, wo die gefeierte Toussaint an der
Spitze seines Haushalts stand, klug genug war, die Musen nach
seinem Schloß hin zu Gast zu laden, erschien dem Prinzen, zu-
nächst wenigstens, in einem veränderten Licht. Die Säle und Zimmer
rechts neben der großen Halle des Schlosses wurden zu einer
Bühne eingerichtet; Kaphengst selbst, muthmaßlich voll Hohn im
Herzen über die Rolle, die ihm zufiel, fungirte als Directeur du
theatre,
und unter dem Vollklang der Alexandriner vergaß der
Prinz, wie hohen Eintrittspreis er für diese Aufführungen zu zahlen
hatte, für ein Spiel, das eben ein Spiel war in jedem Sinne.
Noch jetzt erkennt man im Meseberger Schloß den ehemaligen
Bühnenraum; und die kleinen Garderobezimmerchen, in denen da-
mals die Schminktöpfchen und die frivolen Bemerkungen zu Haus
waren, lassen sich bis diesen Tag, freilich in eben so viele Wand-

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Demoiſelle Touſſaint zu Stande. Maria Louiſe Thereſe Touſſaint
war die Tochter des mehrgenannten Lecteurs und Bibliothekars
des Prinzen und hatte als Schauſpielerin bei den Aufführungen
auf der Rheinsberger Bühne, wie auch ſonſt wohl, ſich die Gunſt
des Prinzen in hohem Grade zu erringen gewußt. Etwa um 1780 oder
wenig ſpäter hatte ſie ſich mit einem Herrn v. Bilguer vermählt;
ſeitdem Wittwe geworden, war ihre Hand wieder frei, und als
Frau v. Kaphengſt zog ſie nun ein in das ſchöne Schloß am
Huvenow-See.

Die Erwartungen beſſerer Wirthſchaft, die der Prinz an dieſe
Parthie geknüpft hatte, erwieſen ſich als eitel und irrig, aber um-
gekehrt gingen, theilweis wenigſtens und bis zu einem gewiſſen
Zeitpunkt, die Hoffnungen in Erfüllung, die Kaphengſt an dieſe
ſeine Vermählung mit der ehemaligen Favorit-Schauſpielerin ge-
knüpft hatte. Eine neue Handhabe war gewonnen, um ſich
der Gunſt des Prinzen zu verſichern
. Der jagd- und ſpiel-
liebende, ſtreit- und händelſüchtige Kaphengſt war dem Prinzen,
deſſen Schatulle ſchwer unter den Debauchen ſeines ehemaligen
Lieblings zu leiden gehabt hatte, ſchließlich unbequem geworden.
Der neue Kaphengſt, der jetzt, wo die gefeierte Touſſaint an der
Spitze ſeines Haushalts ſtand, klug genug war, die Muſen nach
ſeinem Schloß hin zu Gaſt zu laden, erſchien dem Prinzen, zu-
nächſt wenigſtens, in einem veränderten Licht. Die Säle und Zimmer
rechts neben der großen Halle des Schloſſes wurden zu einer
Bühne eingerichtet; Kaphengſt ſelbſt, muthmaßlich voll Hohn im
Herzen über die Rolle, die ihm zufiel, fungirte als Directeur du
théâtre,
und unter dem Vollklang der Alexandriner vergaß der
Prinz, wie hohen Eintrittspreis er für dieſe Aufführungen zu zahlen
hatte, für ein Spiel, das eben ein Spiel war in jedem Sinne.
Noch jetzt erkennt man im Meſeberger Schloß den ehemaligen
Bühnenraum; und die kleinen Garderobezimmerchen, in denen da-
mals die Schminktöpfchen und die frivolen Bemerkungen zu Haus
waren, laſſen ſich bis dieſen Tag, freilich in eben ſo viele Wand-

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[131/0149] Demoiſelle Touſſaint zu Stande. Maria Louiſe Thereſe Touſſaint war die Tochter des mehrgenannten Lecteurs und Bibliothekars des Prinzen und hatte als Schauſpielerin bei den Aufführungen auf der Rheinsberger Bühne, wie auch ſonſt wohl, ſich die Gunſt des Prinzen in hohem Grade zu erringen gewußt. Etwa um 1780 oder wenig ſpäter hatte ſie ſich mit einem Herrn v. Bilguer vermählt; ſeitdem Wittwe geworden, war ihre Hand wieder frei, und als Frau v. Kaphengſt zog ſie nun ein in das ſchöne Schloß am Huvenow-See. Die Erwartungen beſſerer Wirthſchaft, die der Prinz an dieſe Parthie geknüpft hatte, erwieſen ſich als eitel und irrig, aber um- gekehrt gingen, theilweis wenigſtens und bis zu einem gewiſſen Zeitpunkt, die Hoffnungen in Erfüllung, die Kaphengſt an dieſe ſeine Vermählung mit der ehemaligen Favorit-Schauſpielerin ge- knüpft hatte. Eine neue Handhabe war gewonnen, um ſich der Gunſt des Prinzen zu verſichern. Der jagd- und ſpiel- liebende, ſtreit- und händelſüchtige Kaphengſt war dem Prinzen, deſſen Schatulle ſchwer unter den Debauchen ſeines ehemaligen Lieblings zu leiden gehabt hatte, ſchließlich unbequem geworden. Der neue Kaphengſt, der jetzt, wo die gefeierte Touſſaint an der Spitze ſeines Haushalts ſtand, klug genug war, die Muſen nach ſeinem Schloß hin zu Gaſt zu laden, erſchien dem Prinzen, zu- nächſt wenigſtens, in einem veränderten Licht. Die Säle und Zimmer rechts neben der großen Halle des Schloſſes wurden zu einer Bühne eingerichtet; Kaphengſt ſelbſt, muthmaßlich voll Hohn im Herzen über die Rolle, die ihm zufiel, fungirte als Directeur du théâtre, und unter dem Vollklang der Alexandriner vergaß der Prinz, wie hohen Eintrittspreis er für dieſe Aufführungen zu zahlen hatte, für ein Spiel, das eben ein Spiel war in jedem Sinne. Noch jetzt erkennt man im Meſeberger Schloß den ehemaligen Bühnenraum; und die kleinen Garderobezimmerchen, in denen da- mals die Schminktöpfchen und die frivolen Bemerkungen zu Haus waren, laſſen ſich bis dieſen Tag, freilich in eben ſo viele Wand- 9*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/149>, abgerufen am 17.05.2024.