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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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bescheideneren Maße, bis zu jenem engeren Zirkel von Popula-
rität, auf den er unbedingten Anspruch hat. Seine Antworten
werden nie in dem bekannten Stile des älteren Tauentzien sein,
als dieser, unter Androhung, daß man das Kind im Mutterleibe
nicht schonen würde, aufgefordert wurde, Breslau zu übergeben.
Aber wenn seine Antworten auch vielleicht niemals an das Schwert
des Richard Löwenherz erinnern werden, der eine zolldicke Eisen-
stange auf einen Schlag zerhieb, so werden sie der Halbmondklinge
Saladin's um so ähnlicher sein, der das in die Luft geworfene
Seidentuch im Niederfallen durchschnitt. --

Wir sind nun in den Park getreten; er umzieht in weitem
Halbkreis die links gelegene Hälfte des See's und geht am jen-
seitigen Ufer desselben unmittelbar in die schönen Laubholz-Par-
tieen des Boberow-Waldes über. Der Park ist eine glückliche
Mischung von französisch-englischem Geschmack, -- zum Theil
planvoll dadurch entstanden, daß man die ursprünglich Le Notre'-
schen Anlagen durch englische Partieen erweiterte; zum Theil un-
absichtlich dadurch geworden, daß sich das zwang- und kunstvoll
Gemachte wieder in die Natur hineingewachsen hat. Die Park-
Anlage, wie sie sich jetzt präsentirt, soll hauptsächlich ein Werk
des Herrn v. Reitzenstein, eines besonderen Protege's des Prinzen,
sein. Die Anlagen wurden während des Krieges ausgeführt, und
Reitzenstein kam, durch Verleumdung Anderer, in Verdacht,
unredlich gewirthschaftet zu haben. Reitzenstein konnte es nicht er-
tragen, dem Prinzen, dessen Vertrauen er gemißbraucht haben
sollte, unter die Augen zu treten, und als er von der nah bevor-
stehenden Rückkehr desselben hörte, verschluckte er einen Diamant
und tödtete sich auf diese Weise. So erzählt sich das Volk. Es
liegt aber auf der Hand, daß hier der nach dem Abenteuerlichen,
dem Poetisch-Aparten haschende Sinn des Volkes eine komische
Substituirung hat eintreten lassen. Ein Diamant (die Tauben-Ei-
großen sind bekanntlich rar) ist gerade so unschädlich wie ein
Pflaumenkern, und es scheint mir ziemlich sicher, daß sich Reitzen-
stein durch Essence d'Amandes (Bittermandelöl oder Blausäure)

beſcheideneren Maße, bis zu jenem engeren Zirkel von Popula-
rität, auf den er unbedingten Anſpruch hat. Seine Antworten
werden nie in dem bekannten Stile des älteren Tauentzien ſein,
als dieſer, unter Androhung, daß man das Kind im Mutterleibe
nicht ſchonen würde, aufgefordert wurde, Breslau zu übergeben.
Aber wenn ſeine Antworten auch vielleicht niemals an das Schwert
des Richard Löwenherz erinnern werden, der eine zolldicke Eiſen-
ſtange auf einen Schlag zerhieb, ſo werden ſie der Halbmondklinge
Saladin’s um ſo ähnlicher ſein, der das in die Luft geworfene
Seidentuch im Niederfallen durchſchnitt. —

Wir ſind nun in den Park getreten; er umzieht in weitem
Halbkreis die links gelegene Hälfte des See’s und geht am jen-
ſeitigen Ufer deſſelben unmittelbar in die ſchönen Laubholz-Par-
tieen des Boberow-Waldes über. Der Park iſt eine glückliche
Miſchung von franzöſiſch-engliſchem Geſchmack, — zum Theil
planvoll dadurch entſtanden, daß man die urſprünglich Le Notre’-
ſchen Anlagen durch engliſche Partieen erweiterte; zum Theil un-
abſichtlich dadurch geworden, daß ſich das zwang- und kunſtvoll
Gemachte wieder in die Natur hineingewachſen hat. Die Park-
Anlage, wie ſie ſich jetzt präſentirt, ſoll hauptſächlich ein Werk
des Herrn v. Reitzenſtein, eines beſonderen Protegé’s des Prinzen,
ſein. Die Anlagen wurden während des Krieges ausgeführt, und
Reitzenſtein kam, durch Verleumdung Anderer, in Verdacht,
unredlich gewirthſchaftet zu haben. Reitzenſtein konnte es nicht er-
tragen, dem Prinzen, deſſen Vertrauen er gemißbraucht haben
ſollte, unter die Augen zu treten, und als er von der nah bevor-
ſtehenden Rückkehr deſſelben hörte, verſchluckte er einen Diamant
und tödtete ſich auf dieſe Weiſe. So erzählt ſich das Volk. Es
liegt aber auf der Hand, daß hier der nach dem Abenteuerlichen,
dem Poëtiſch-Aparten haſchende Sinn des Volkes eine komiſche
Subſtituirung hat eintreten laſſen. Ein Diamant (die Tauben-Ei-
großen ſind bekanntlich rar) iſt gerade ſo unſchädlich wie ein
Pflaumenkern, und es ſcheint mir ziemlich ſicher, daß ſich Reitzen-
ſtein durch Essence d’Amandes (Bittermandelöl oder Blauſäure)

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[102/0120] beſcheideneren Maße, bis zu jenem engeren Zirkel von Popula- rität, auf den er unbedingten Anſpruch hat. Seine Antworten werden nie in dem bekannten Stile des älteren Tauentzien ſein, als dieſer, unter Androhung, daß man das Kind im Mutterleibe nicht ſchonen würde, aufgefordert wurde, Breslau zu übergeben. Aber wenn ſeine Antworten auch vielleicht niemals an das Schwert des Richard Löwenherz erinnern werden, der eine zolldicke Eiſen- ſtange auf einen Schlag zerhieb, ſo werden ſie der Halbmondklinge Saladin’s um ſo ähnlicher ſein, der das in die Luft geworfene Seidentuch im Niederfallen durchſchnitt. — Wir ſind nun in den Park getreten; er umzieht in weitem Halbkreis die links gelegene Hälfte des See’s und geht am jen- ſeitigen Ufer deſſelben unmittelbar in die ſchönen Laubholz-Par- tieen des Boberow-Waldes über. Der Park iſt eine glückliche Miſchung von franzöſiſch-engliſchem Geſchmack, — zum Theil planvoll dadurch entſtanden, daß man die urſprünglich Le Notre’- ſchen Anlagen durch engliſche Partieen erweiterte; zum Theil un- abſichtlich dadurch geworden, daß ſich das zwang- und kunſtvoll Gemachte wieder in die Natur hineingewachſen hat. Die Park- Anlage, wie ſie ſich jetzt präſentirt, ſoll hauptſächlich ein Werk des Herrn v. Reitzenſtein, eines beſonderen Protegé’s des Prinzen, ſein. Die Anlagen wurden während des Krieges ausgeführt, und Reitzenſtein kam, durch Verleumdung Anderer, in Verdacht, unredlich gewirthſchaftet zu haben. Reitzenſtein konnte es nicht er- tragen, dem Prinzen, deſſen Vertrauen er gemißbraucht haben ſollte, unter die Augen zu treten, und als er von der nah bevor- ſtehenden Rückkehr deſſelben hörte, verſchluckte er einen Diamant und tödtete ſich auf dieſe Weiſe. So erzählt ſich das Volk. Es liegt aber auf der Hand, daß hier der nach dem Abenteuerlichen, dem Poëtiſch-Aparten haſchende Sinn des Volkes eine komiſche Subſtituirung hat eintreten laſſen. Ein Diamant (die Tauben-Ei- großen ſind bekanntlich rar) iſt gerade ſo unſchädlich wie ein Pflaumenkern, und es ſcheint mir ziemlich ſicher, daß ſich Reitzen- ſtein durch Essence d’Amandes (Bittermandelöl oder Blauſäure)

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/120>, abgerufen am 21.11.2024.