Auch die Zimmer im Erdgeschoß an der rechten Seite des Corps de Logis sind nicht ganz ohne Interesse. Bilder, Büsten, Ausschmückungsgegenstände, die entweder noch aus den Zeiten des Prinzen Heinrich her sich in diesen Zimmern befinden oder von Verschönerungswegen ihren Weg aus dem obern Stockwerk in's untere genommen haben, fesseln den Beschauer auf eine halbe Stunde. In einem Zimmer befinden sich die Büsten des Marquis de la Roche Aymon und seiner Gemahlin; daneben eine Büste des französischen Schauspielers Blainville. Der Marquis, auf den ich in einem spätern Kapitel zurückkomme, war, nach Tauent- ziens Abgang Adjutant des Prinzen und nebenbei eine Art General en Chef des prinzlichen Heeres, d. h. jener im Sold des Prinzen stehenden Leibhusaren-Schwadron, die in Rheinsberg ihre Garnison und im Schlosse den Dienst hatte. Der Schau- spieler Blainville, ein besonderer Liebling des Prinzen, gab sich selbst den Tod, als es der Kabale seiner Genossen gelungen war, ihm momentan die Gunst seines Herrn zu entziehen. Der Prinz soll diesen Verlust nie verwunden haben. -- Ein größerer Saal, neben jenem büstengeschmückten Zimmer, macht noch den Eindruck einer gewissen Wohnlichkeit, vielleicht weil er ein paar Specialitäten enthält, die uns, etwa wie ein blankgeputzter Vogelbauer oder ein Tisch voll Nippsachen, die Nähe der Menschen selbst dann noch fühlbar machen, wenn auch ein halbes Jahrhundert zwischen uns und ihnen liegt. Zu diesen Specialitäten rechne ich natürlich nicht die stattliche Reihe guter Portraits, die an den Wänden hängen, sondern vor Allem ein würfelförmiges Postament von dem Umfange eines großen Tabackskastens, das auf einem halb versteckten Ecktisch steht. Dieser Kasten muß bei einer bestimmten Gelegenheit als Unter- satz für eine kostbare Blume gedient haben und von dem einen oder andern seiner Verehrer dem Prinzen überreicht worden sein. Noch jetzt umschließt der Kasten einen Blumentopf, aber die Blumen selbst sind von Papier. Die vier Wände enthalten reizende Aquarell- Bildchen, die diesen Kasten, mit Ausnahme des großen Pesne'schen Deckenbildes und des Portraits der Sophie Charlotte, so ziemlich
Auch die Zimmer im Erdgeſchoß an der rechten Seite des Corps de Logis ſind nicht ganz ohne Intereſſe. Bilder, Büſten, Ausſchmückungsgegenſtände, die entweder noch aus den Zeiten des Prinzen Heinrich her ſich in dieſen Zimmern befinden oder von Verſchönerungswegen ihren Weg aus dem obern Stockwerk in’s untere genommen haben, feſſeln den Beſchauer auf eine halbe Stunde. In einem Zimmer befinden ſich die Büſten des Marquis de la Roche Aymon und ſeiner Gemahlin; daneben eine Büſte des franzöſiſchen Schauſpielers Blainville. Der Marquis, auf den ich in einem ſpätern Kapitel zurückkomme, war, nach Tauent- ziens Abgang Adjutant des Prinzen und nebenbei eine Art General en Chef des prinzlichen Heeres, d. h. jener im Sold des Prinzen ſtehenden Leibhuſaren-Schwadron, die in Rheinsberg ihre Garniſon und im Schloſſe den Dienſt hatte. Der Schau- ſpieler Blainville, ein beſonderer Liebling des Prinzen, gab ſich ſelbſt den Tod, als es der Kabale ſeiner Genoſſen gelungen war, ihm momentan die Gunſt ſeines Herrn zu entziehen. Der Prinz ſoll dieſen Verluſt nie verwunden haben. — Ein größerer Saal, neben jenem büſtengeſchmückten Zimmer, macht noch den Eindruck einer gewiſſen Wohnlichkeit, vielleicht weil er ein paar Specialitäten enthält, die uns, etwa wie ein blankgeputzter Vogelbauer oder ein Tiſch voll Nippſachen, die Nähe der Menſchen ſelbſt dann noch fühlbar machen, wenn auch ein halbes Jahrhundert zwiſchen uns und ihnen liegt. Zu dieſen Specialitäten rechne ich natürlich nicht die ſtattliche Reihe guter Portraits, die an den Wänden hängen, ſondern vor Allem ein würfelförmiges Poſtament von dem Umfange eines großen Tabackskaſtens, das auf einem halb verſteckten Ecktiſch ſteht. Dieſer Kaſten muß bei einer beſtimmten Gelegenheit als Unter- ſatz für eine koſtbare Blume gedient haben und von dem einen oder andern ſeiner Verehrer dem Prinzen überreicht worden ſein. Noch jetzt umſchließt der Kaſten einen Blumentopf, aber die Blumen ſelbſt ſind von Papier. Die vier Wände enthalten reizende Aquarell- Bildchen, die dieſen Kaſten, mit Ausnahme des großen Pesne’ſchen Deckenbildes und des Portraits der Sophie Charlotte, ſo ziemlich
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Auch die Zimmer im Erdgeſchoß an der rechten Seite des
Corps de Logis ſind nicht ganz ohne Intereſſe. Bilder, Büſten,
Ausſchmückungsgegenſtände, die entweder noch aus den Zeiten des
Prinzen Heinrich her ſich in dieſen Zimmern befinden oder von
Verſchönerungswegen ihren Weg aus dem obern Stockwerk in’s
untere genommen haben, feſſeln den Beſchauer auf eine halbe
Stunde. In einem Zimmer befinden ſich die Büſten des Marquis
de la Roche Aymon und ſeiner Gemahlin; daneben eine Büſte
des franzöſiſchen Schauſpielers Blainville. Der Marquis, auf
den ich in einem ſpätern Kapitel zurückkomme, war, nach Tauent-
ziens Abgang Adjutant des Prinzen und nebenbei eine Art General
en Chef des prinzlichen Heeres, d. h. jener im Sold des
Prinzen ſtehenden Leibhuſaren-Schwadron, die in Rheinsberg
ihre Garniſon und im Schloſſe den Dienſt hatte. Der Schau-
ſpieler Blainville, ein beſonderer Liebling des Prinzen, gab ſich
ſelbſt den Tod, als es der Kabale ſeiner Genoſſen gelungen war,
ihm momentan die Gunſt ſeines Herrn zu entziehen. Der Prinz
ſoll dieſen Verluſt nie verwunden haben. — Ein größerer Saal,
neben jenem büſtengeſchmückten Zimmer, macht noch den Eindruck
einer gewiſſen Wohnlichkeit, vielleicht weil er ein paar Specialitäten
enthält, die uns, etwa wie ein blankgeputzter Vogelbauer oder ein
Tiſch voll Nippſachen, die Nähe der Menſchen ſelbſt dann noch
fühlbar machen, wenn auch ein halbes Jahrhundert zwiſchen uns
und ihnen liegt. Zu dieſen Specialitäten rechne ich natürlich nicht
die ſtattliche Reihe guter Portraits, die an den Wänden hängen,
ſondern vor Allem ein würfelförmiges Poſtament von dem Umfange
eines großen Tabackskaſtens, das auf einem halb verſteckten Ecktiſch
ſteht. Dieſer Kaſten muß bei einer beſtimmten Gelegenheit als Unter-
ſatz für eine koſtbare Blume gedient haben und von dem einen
oder andern ſeiner Verehrer dem Prinzen überreicht worden ſein.
Noch jetzt umſchließt der Kaſten einen Blumentopf, aber die Blumen
ſelbſt ſind von Papier. Die vier Wände enthalten reizende Aquarell-
Bildchen, die dieſen Kaſten, mit Ausnahme des großen Pesne’ſchen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/116>, abgerufen am 24.11.2024.
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