den Fensternischen, ist vielfach mit Spiegelglas ausgelegt; über der Eingangsthür befinden sich die Zeichen des Freimaurer-Ordens und den Plafond bedeckt abermals ein Pesne'sches Decken-Gemälde. Es stellt die Ruhe beim Studiren vor; ein Genius überreicht der sitzenden Minerva ein Buch, auf dessen Blättern man die Namen Horaz und Voltaire liest. Das Bild hat verhältnißmäßig gelitten, und kann überhaupt mit der glänzenden Schöpfung desselben Meisters im Concert-Saal nicht verglichen werden. In der Mitte des Zimmers steht der Arbeits-Tisch des Prinzen; vor demselben ein Lehnstuhl, nicht wesentlich anders wie seine vier Collegen mit den versilberten Beinen. Der Arbeits-Tisch nimmt natürlich das Haupt-Interesse in Anspruch. Er ist kaum so groß wie die modernen Damen-Schreibtische, denen man in jedem Haus- halt begegnet. Die vergoldeten Füße sind im Rococco-Geschmack, eben so die Schubkästen, deren drei große und vier kleinere vor- handen sind. Die Schreibeplatte liegt schräg und kann aufgeklappt werden. Sie war ehedem mit rothem Sammt überzogen, hat aber nicht nur die Farbe, sondern den ganzen Sammt-Stoff längst verloren. Der Sammt wird bekanntlich auf eine Unterschicht von festem Zeug aufgetragen. Diese Unterschicht war noch ziemlich intact vorhanden, als ich 1853 Rheinsberg zum ersten Mal besuchte. Seitdem haben sich die Dinge sehr zum Schlimmeren verändert. Nicht die Hälfte mehr existirt von diesem Unterzeug, und man kann deutlich sehen, wie die Federmesser je nach der Charakter- Anlage des Betreffenden mal größere, mal kleinere Caro's heraus- geschnitten haben. Wir lieben nicht die Castellane, die einen durch ihren Diensteifer um die Möglichkeit eines ruhigen Genusses brin- gen; aber eben so wenig mag ich jenen das Wort reden, die in mißverstandener Nachsicht ein Auge zudrücken, wo sie's auf- machen sollten.
Wir nehmen zögernd Abschied von diesem interessanten Zim- mer, um uns nun den andern Räumlichkeiten des Schlosses und
den Fenſterniſchen, iſt vielfach mit Spiegelglas ausgelegt; über der Eingangsthür befinden ſich die Zeichen des Freimaurer-Ordens und den Plafond bedeckt abermals ein Pesne’ſches Decken-Gemälde. Es ſtellt die Ruhe beim Studiren vor; ein Genius überreicht der ſitzenden Minerva ein Buch, auf deſſen Blättern man die Namen Horaz und Voltaire lieſt. Das Bild hat verhältnißmäßig gelitten, und kann überhaupt mit der glänzenden Schöpfung deſſelben Meiſters im Concert-Saal nicht verglichen werden. In der Mitte des Zimmers ſteht der Arbeits-Tiſch des Prinzen; vor demſelben ein Lehnſtuhl, nicht weſentlich anders wie ſeine vier Collegen mit den verſilberten Beinen. Der Arbeits-Tiſch nimmt natürlich das Haupt-Intereſſe in Anſpruch. Er iſt kaum ſo groß wie die modernen Damen-Schreibtiſche, denen man in jedem Haus- halt begegnet. Die vergoldeten Füße ſind im Rococco-Geſchmack, eben ſo die Schubkäſten, deren drei große und vier kleinere vor- handen ſind. Die Schreibeplatte liegt ſchräg und kann aufgeklappt werden. Sie war ehedem mit rothem Sammt überzogen, hat aber nicht nur die Farbe, ſondern den ganzen Sammt-Stoff längſt verloren. Der Sammt wird bekanntlich auf eine Unterſchicht von feſtem Zeug aufgetragen. Dieſe Unterſchicht war noch ziemlich intact vorhanden, als ich 1853 Rheinsberg zum erſten Mal beſuchte. Seitdem haben ſich die Dinge ſehr zum Schlimmeren verändert. Nicht die Hälfte mehr exiſtirt von dieſem Unterzeug, und man kann deutlich ſehen, wie die Federmeſſer je nach der Charakter- Anlage des Betreffenden mal größere, mal kleinere Caro’s heraus- geſchnitten haben. Wir lieben nicht die Caſtellane, die einen durch ihren Dienſteifer um die Möglichkeit eines ruhigen Genuſſes brin- gen; aber eben ſo wenig mag ich jenen das Wort reden, die in mißverſtandener Nachſicht ein Auge zudrücken, wo ſie’s auf- machen ſollten.
Wir nehmen zögernd Abſchied von dieſem intereſſanten Zim- mer, um uns nun den andern Räumlichkeiten des Schloſſes und
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den Fenſterniſchen, iſt vielfach mit Spiegelglas ausgelegt; über
der Eingangsthür befinden ſich die Zeichen des Freimaurer-Ordens
und den Plafond bedeckt abermals ein Pesne’ſches Decken-Gemälde.
Es ſtellt die Ruhe beim Studiren vor; ein Genius überreicht
der ſitzenden Minerva ein Buch, auf deſſen Blättern man die
Namen Horaz und Voltaire lieſt. Das Bild hat verhältnißmäßig
gelitten, und kann überhaupt mit der glänzenden Schöpfung
deſſelben Meiſters im Concert-Saal nicht verglichen werden. In
der Mitte des Zimmers ſteht der Arbeits-Tiſch des Prinzen;
vor demſelben ein Lehnſtuhl, nicht weſentlich anders wie ſeine vier
Collegen mit den verſilberten Beinen. Der Arbeits-Tiſch nimmt
natürlich das Haupt-Intereſſe in Anſpruch. Er iſt kaum ſo groß
wie die modernen Damen-Schreibtiſche, denen man in jedem Haus-
halt begegnet. Die vergoldeten Füße ſind im Rococco-Geſchmack,
eben ſo die Schubkäſten, deren drei große und vier kleinere vor-
handen ſind. Die Schreibeplatte liegt ſchräg und kann aufgeklappt
werden. Sie war ehedem mit rothem Sammt überzogen, hat aber
nicht nur die Farbe, ſondern den ganzen Sammt-Stoff längſt
verloren. Der Sammt wird bekanntlich auf eine Unterſchicht von
feſtem Zeug aufgetragen. Dieſe Unterſchicht war noch ziemlich intact
vorhanden, als ich 1853 Rheinsberg zum erſten Mal beſuchte.
Seitdem haben ſich die Dinge ſehr zum Schlimmeren verändert.
Nicht die Hälfte mehr exiſtirt von dieſem Unterzeug, und man
kann deutlich ſehen, wie die Federmeſſer je nach der Charakter-
Anlage des Betreffenden mal größere, mal kleinere Caro’s heraus-
geſchnitten haben. Wir lieben nicht die Caſtellane, die einen durch
ihren Dienſteifer um die Möglichkeit eines ruhigen Genuſſes brin-
gen; aber eben ſo wenig mag ich jenen das Wort reden, die
in mißverſtandener Nachſicht ein Auge zudrücken, wo ſie’s auf-
machen ſollten.
Wir nehmen zögernd Abſchied von dieſem intereſſanten Zim-
mer, um uns nun den andern Räumlichkeiten des Schloſſes und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/114>, abgerufen am 24.11.2024.
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