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Fontane, Theodor: Unterm Birnbaum. In: Die Gartenlaube 32 (1885), H. 33–41.

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alle Tage, denn Hradscheck kommt nicht alle Tage von Berlin. Jch denke deßhalb, wir machen noch eine Bowle: drei Mosel, eine Rheinwein, eine Burgunder. Und nicht zu süß. Sonst haben wir morgen Kopfweh. Es ist erst halb zwölf, fehlen noch fünf Minuten. Und wenn wir uns 'ran halten, machen wir um Mitternacht die Nagelprobe."

"Bravo!" stimmte man ein. "Aber nicht zu früh; Mitternacht ist zu früh."

Und Hradscheck erhob sich, um Ede, der verschlafen im Laden auf einem vorgezogenen Zuckerkasten saß, in den Keller zu schicken und die fünf Flaschen herauf holen zu lassen. "Und paß auf, Ede; der Burgunder liegt durcheinander, rother und weißer, der mit dem grünen Lack ist es."

Ede rieb sich den Schlaf aus den Augen, nahm Licht und Korb und hob die Fallthür auf, die zwischen den übereinander gepackten Oelfässern, an der einzig frei gebliebenen Stelle, vom Flur her in den Keller führte.

Nach ein paar Minuten war er wieder oben und klopfte vom Laden her an die Thür, zum Zeichen daß alles da sei.

"Gleich," rief der wie gewöhnlich mitten in einem Vortrage steckende Hradscheck, "gleich", und trat erst, als er seinen Satz beendet hatte, von der Weinstube her in den Laden. Hier schob er sich eine schon vorher aus der Küche heranbeorderte Terrine bequem zurecht und griff nach dem Korkzieher, um die Flaschen aufzuziehn. Als er aber den Burgunder in die Hand nahm, gab er dem Jungen, halb ärgerlich halb gutmüthig, einen Tipp auf die Schulter und sagte: "Bist ein Döskopp, Ede. Mit grünem Lack, hab ich Dir gesagt. Und das ist gelber. Geh und hol' ne richtige Flasche. Wer's nich im Kopp hat, muß es in den Beinen haben."

Ede rührte sich nicht.

"Nun, Junge, wird es? Mach flink."

"Jck geih nich."

"Du gehst nich? warum nich?"

"Et spökt."

"Wo?"

"Unnen ... Unnen in'n Keller."

"Junge, bist Du verrückt? Jch glaube, Dir steckt schon der Mitternachtsgrusel im Leibe. Rufe Jakob. Oder nein, der is schon zu Bett; rufe Male, die soll kommen und Dich beschämen. Aber laß nur."

Und dabei ging er selber bis an die Küchenthür und rief hinaus: "Male."

Die Gerufene kam.

"Geh in den Keller, Male."

"Nei, Herr Hradscheck, ick geih nich."

"Auch Du nich. Warum nich?"

"Et spökt."

"Jns Dreideibels Namen, was soll der Unsinn?"

Und er versuchte zu lachen. Aber er hielt sich dabei nur mit Müh' auf den Beinen, denn ihn schwindelte. Zu gleicher Zeit empfand er deutlich, daß er kein Zeichen von Schwäche geben dürfe, vielmehr umgekehrt bemüht sein müsse, die Weigerung der Beiden ins Komische zu ziehn, und so riß er denn die Thür zur Weinstube weit auf und rief hinein: "Eine Neuigkeit, Kunicke ..."

"Nu, was giebt's?"

"Unten spukt es. Ede will nicht mehr in den Keller und Male natürlich auch nicht. Es sieht schlecht aus mit unsrer Bowle. Wer kommt mit? Wenn zwei kommen, spukt es nicht mehr."

"Wir alle," schrie Kunicke. "Wir alle. Das giebt einen Hauptspaß. Aber Ede muß auch mit."

Und bei diesen Worten eines der zur Hand stehenden Lichter nehmend, zogen sie mit Ausnahme von Woytasch, dem das Ganze mißhagte, brabbelnd und plärrend und in einer Art Procession, als ob einer begraben würde, von der Weinstube her durch Laden und Flur und stiegen langsam und immer einer nach dem andern, die Stufen der Kellertreppe hinunter.

"Alle Wetter, is das ein Loch!" sagte Quaas, als er sich unten umkuckte. "Hier kann einem ja gruslig werden. Nimm nur gleich ein paar mehr mit, Hradscheck. Das hilft. Je mehr Fidelite, je weniger Spuk."

Und bei solchem Gespräch, in das Hradscheck einstimmte, packten sie den Korb voll und stiegen die Kellertreppe wieder hinauf. Oben aber warf Kunicke, der schon stark angeheitert war, die schwere Fallthür zu, daß es durch das ganze Haus hin dröhnte.

"So, nu sitzt er drin."

"Wer?"

"Na wer! Der Spuk."

Alles lachte; das Trinken ging weiter, und Mitternacht war lange vorüber, als man sich trennte.
(Fortsetzung folgt.)



[irrelevantes Material]

alle Tage, denn Hradscheck kommt nicht alle Tage von Berlin. Jch denke deßhalb, wir machen noch eine Bowle: drei Mosel, eine Rheinwein, eine Burgunder. Und nicht zu süß. Sonst haben wir morgen Kopfweh. Es ist erst halb zwölf, fehlen noch fünf Minuten. Und wenn wir uns ’ran halten, machen wir um Mitternacht die Nagelprobe.“

„Bravo!“ stimmte man ein. „Aber nicht zu früh; Mitternacht ist zu früh.“

Und Hradscheck erhob sich, um Ede, der verschlafen im Laden auf einem vorgezogenen Zuckerkasten saß, in den Keller zu schicken und die fünf Flaschen herauf holen zu lassen. „Und paß auf, Ede; der Burgunder liegt durcheinander, rother und weißer, der mit dem grünen Lack ist es.“

Ede rieb sich den Schlaf aus den Augen, nahm Licht und Korb und hob die Fallthür auf, die zwischen den übereinander gepackten Oelfässern, an der einzig frei gebliebenen Stelle, vom Flur her in den Keller führte.

Nach ein paar Minuten war er wieder oben und klopfte vom Laden her an die Thür, zum Zeichen daß alles da sei.

„Gleich,“ rief der wie gewöhnlich mitten in einem Vortrage steckende Hradscheck, „gleich“, und trat erst, als er seinen Satz beendet hatte, von der Weinstube her in den Laden. Hier schob er sich eine schon vorher aus der Küche heranbeorderte Terrine bequem zurecht und griff nach dem Korkzieher, um die Flaschen aufzuziehn. Als er aber den Burgunder in die Hand nahm, gab er dem Jungen, halb ärgerlich halb gutmüthig, einen Tipp auf die Schulter und sagte: „Bist ein Döskopp, Ede. Mit grünem Lack, hab ich Dir gesagt. Und das ist gelber. Geh und hol’ ne richtige Flasche. Wer’s nich im Kopp hat, muß es in den Beinen haben.“

Ede rührte sich nicht.

„Nun, Junge, wird es? Mach flink.“

„Jck geih nich.“

„Du gehst nich? warum nich?“

„Et spökt.“

„Wo?“

„Unnen … Unnen in’n Keller.“

„Junge, bist Du verrückt? Jch glaube, Dir steckt schon der Mitternachtsgrusel im Leibe. Rufe Jakob. Oder nein, der is schon zu Bett; rufe Male, die soll kommen und Dich beschämen. Aber laß nur.“

Und dabei ging er selber bis an die Küchenthür und rief hinaus: „Male.“

Die Gerufene kam.

„Geh in den Keller, Male.“

„Nei, Herr Hradscheck, ick geih nich.“

„Auch Du nich. Warum nich?“

„Et spökt.“

„Jns Dreideibels Namen, was soll der Unsinn?“

Und er versuchte zu lachen. Aber er hielt sich dabei nur mit Müh’ auf den Beinen, denn ihn schwindelte. Zu gleicher Zeit empfand er deutlich, daß er kein Zeichen von Schwäche geben dürfe, vielmehr umgekehrt bemüht sein müsse, die Weigerung der Beiden ins Komische zu ziehn, und so riß er denn die Thür zur Weinstube weit auf und rief hinein: „Eine Neuigkeit, Kunicke …“

„Nu, was giebt’s?“

„Unten spukt es. Ede will nicht mehr in den Keller und Male natürlich auch nicht. Es sieht schlecht aus mit unsrer Bowle. Wer kommt mit? Wenn zwei kommen, spukt es nicht mehr.“

„Wir alle,“ schrie Kunicke. „Wir alle. Das giebt einen Hauptspaß. Aber Ede muß auch mit.“

Und bei diesen Worten eines der zur Hand stehenden Lichter nehmend, zogen sie mit Ausnahme von Woytasch, dem das Ganze mißhagte, brabbelnd und plärrend und in einer Art Procession, als ob einer begraben würde, von der Weinstube her durch Laden und Flur und stiegen langsam und immer einer nach dem andern, die Stufen der Kellertreppe hinunter.

„Alle Wetter, is das ein Loch!“ sagte Quaas, als er sich unten umkuckte. „Hier kann einem ja gruslig werden. Nimm nur gleich ein paar mehr mit, Hradscheck. Das hilft. Je mehr Fidélité, je weniger Spuk.“

Und bei solchem Gespräch, in das Hradscheck einstimmte, packten sie den Korb voll und stiegen die Kellertreppe wieder hinauf. Oben aber warf Kunicke, der schon stark angeheitert war, die schwere Fallthür zu, daß es durch das ganze Haus hin dröhnte.

„So, nu sitzt er drin.“

„Wer?“

„Na wer! Der Spuk.“

Alles lachte; das Trinken ging weiter, und Mitternacht war lange vorüber, als man sich trennte.
(Fortsetzung folgt.)



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[650/0034] alle Tage, denn Hradscheck kommt nicht alle Tage von Berlin. Jch denke deßhalb, wir machen noch eine Bowle: drei Mosel, eine Rheinwein, eine Burgunder. Und nicht zu süß. Sonst haben wir morgen Kopfweh. Es ist erst halb zwölf, fehlen noch fünf Minuten. Und wenn wir uns ’ran halten, machen wir um Mitternacht die Nagelprobe.“ „Bravo!“ stimmte man ein. „Aber nicht zu früh; Mitternacht ist zu früh.“ Und Hradscheck erhob sich, um Ede, der verschlafen im Laden auf einem vorgezogenen Zuckerkasten saß, in den Keller zu schicken und die fünf Flaschen herauf holen zu lassen. „Und paß auf, Ede; der Burgunder liegt durcheinander, rother und weißer, der mit dem grünen Lack ist es.“ Ede rieb sich den Schlaf aus den Augen, nahm Licht und Korb und hob die Fallthür auf, die zwischen den übereinander gepackten Oelfässern, an der einzig frei gebliebenen Stelle, vom Flur her in den Keller führte. Nach ein paar Minuten war er wieder oben und klopfte vom Laden her an die Thür, zum Zeichen daß alles da sei. „Gleich,“ rief der wie gewöhnlich mitten in einem Vortrage steckende Hradscheck, „gleich“, und trat erst, als er seinen Satz beendet hatte, von der Weinstube her in den Laden. Hier schob er sich eine schon vorher aus der Küche heranbeorderte Terrine bequem zurecht und griff nach dem Korkzieher, um die Flaschen aufzuziehn. Als er aber den Burgunder in die Hand nahm, gab er dem Jungen, halb ärgerlich halb gutmüthig, einen Tipp auf die Schulter und sagte: „Bist ein Döskopp, Ede. Mit grünem Lack, hab ich Dir gesagt. Und das ist gelber. Geh und hol’ ne richtige Flasche. Wer’s nich im Kopp hat, muß es in den Beinen haben.“ Ede rührte sich nicht. „Nun, Junge, wird es? Mach flink.“ „Jck geih nich.“ „Du gehst nich? warum nich?“ „Et spökt.“ „Wo?“ „Unnen … Unnen in’n Keller.“ „Junge, bist Du verrückt? Jch glaube, Dir steckt schon der Mitternachtsgrusel im Leibe. Rufe Jakob. Oder nein, der is schon zu Bett; rufe Male, die soll kommen und Dich beschämen. Aber laß nur.“ Und dabei ging er selber bis an die Küchenthür und rief hinaus: „Male.“ Die Gerufene kam. „Geh in den Keller, Male.“ „Nei, Herr Hradscheck, ick geih nich.“ „Auch Du nich. Warum nich?“ „Et spökt.“ „Jns Dreideibels Namen, was soll der Unsinn?“ Und er versuchte zu lachen. Aber er hielt sich dabei nur mit Müh’ auf den Beinen, denn ihn schwindelte. Zu gleicher Zeit empfand er deutlich, daß er kein Zeichen von Schwäche geben dürfe, vielmehr umgekehrt bemüht sein müsse, die Weigerung der Beiden ins Komische zu ziehn, und so riß er denn die Thür zur Weinstube weit auf und rief hinein: „Eine Neuigkeit, Kunicke …“ „Nu, was giebt’s?“ „Unten spukt es. Ede will nicht mehr in den Keller und Male natürlich auch nicht. Es sieht schlecht aus mit unsrer Bowle. Wer kommt mit? Wenn zwei kommen, spukt es nicht mehr.“ „Wir alle,“ schrie Kunicke. „Wir alle. Das giebt einen Hauptspaß. Aber Ede muß auch mit.“ Und bei diesen Worten eines der zur Hand stehenden Lichter nehmend, zogen sie mit Ausnahme von Woytasch, dem das Ganze mißhagte, brabbelnd und plärrend und in einer Art Procession, als ob einer begraben würde, von der Weinstube her durch Laden und Flur und stiegen langsam und immer einer nach dem andern, die Stufen der Kellertreppe hinunter. „Alle Wetter, is das ein Loch!“ sagte Quaas, als er sich unten umkuckte. „Hier kann einem ja gruslig werden. Nimm nur gleich ein paar mehr mit, Hradscheck. Das hilft. Je mehr Fidélité, je weniger Spuk.“ Und bei solchem Gespräch, in das Hradscheck einstimmte, packten sie den Korb voll und stiegen die Kellertreppe wieder hinauf. Oben aber warf Kunicke, der schon stark angeheitert war, die schwere Fallthür zu, daß es durch das ganze Haus hin dröhnte. „So, nu sitzt er drin.“ „Wer?“ „Na wer! Der Spuk.“ Alles lachte; das Trinken ging weiter, und Mitternacht war lange vorüber, als man sich trennte. (Fortsetzung folgt.) _

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-07-12T12:36:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-12T12:36:22Z)

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter https://de.wikisource.org/wiki/Die_Gartenlaube#Editionsrichtlinien formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Fontanes Novelle „Unterm Birnbaum“ erschien 1885 in mehreren Fortsetzungen in der Zeitschrift „Die Gartenlaube“; die einzelnen Textteile wurden im vorliegenden Text zusammengeführt. Die Abbildungen jeweils zu Beginn der einzelnen Hefte bzw. innerhalb der Textteile gehören nicht zur Novelle und wurden daher im vorliegenden DTA-Text nicht ausgewiesen.

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
  • I/J in Fraktur: wie Vorlage;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
  • Spaltenumbrüche markiert: nein;
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  • Silbentrennung: aufgelöst;
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Unterm Birnbaum. In: Die Gartenlaube 32 (1885), H. 33–41, S. 650. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_birnbaum_1885/34>, abgerufen am 19.04.2024.