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Fleming, Paul: Teütsche Poemata. Lübeck, [1642].

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Drittes Buch.
War zweymahl fünff Jahr' arm. Wie Leden Tochter auch/
deß Atreus Sohnes Weib. Die Liebe hält den Brauch/
Theilt Hertz und Sinn mit dem/ an den sie ist verbunden.
Wil nie alleine seyn. Nun aber ist verschwunden
Jhr hoffen und sie auch. Was lieb war/ und nun kränkt
das hat das letzte Recht in eine Grufft versenkt.
Wer weiß nicht/ wie sie war geschickt zu allem Handel
Jm lassen und im Tuhn; im Leben ohne Wandel.
Vor ihren Himmel rein/ und redlich vor der Welt
Jn allem Glücke gleich. Wer sich also verhält/
der fällt nicht wenn er fällt. Wie Veilgen unter Nelken/
Pohl unter Rosen reucht/ auch wenn sie schon verwelken/
wie süßer Ben Zoe und feister Weyrauch drein
mit Mastyx untermischt/ in dem sie glüend seyn/
Die schöne Lufft von sich in nah' und weit verhauchen/
So ist ihr edles Lob. Jhr Preiß kan nicht verrauchen.
Jhr Ruhm der stirbet nicht. Was aus der Tugend kömmt/
das überlebt den Todt; bleibt wenn ein Ende nimmt/
Was ist und noch nicht ist. Lucretie verbliche
Jhr keusch Lob ist noch frisch/ fragt nichts nach ihrem stiche/
den nur der Leib gefühlt. Polyxene lebt todt.
Mausolus treues Weib ist noch gesund und roht;
Hat Karien ihr Grab/ so hat die Welt die Treue/
die vielmahl größer ist. Wer wol lebt/ lebt auffs neue/
Auch wenn er längst verwest. Preiß ist der Seelen Teihl/
dem/ wie dem Gantzen auch/ mit keiner List und Pfeil'
Jhr Parcen könnet zu. Ein eines greifft nach seinen.
Der große Himmel nimt sein Stücke von dem keinen.
Was von der Erden ist/ das heisst und bleibt doch sie
Wird wieder/ was es war. Was gibt mir spaat und früh'?
Jch muß doch einmahl fort Machaon kan uns fristen/
Nicht freyen vor dem Tod'. Als wenn wir einst nicht müsten/
Wolln wir schon itzund nicht. Und ist uns diß noch frey
daß wir itzt sind wolauff/ so fürchten wir dabey/
Wer weiß wie lang' es steht. Das Auge dieser Erden
schläfft nun bey Gadrs ein/ vergönnt den müden Pferden
deß
Drittes Buch.
War zweymahl fuͤnff Jahr’ arm. Wie Leden Tochter auch/
deß Atreus Sohnes Weib. Die Liebe haͤlt den Brauch/
Theilt Hertz und Sinn mit dem/ an den ſie iſt verbunden.
Wil nie alleine ſeyn. Nun aber iſt verſchwunden
Jhr hoffen und ſie auch. Was lieb war/ und nun kraͤnkt
das hat das letzte Recht in eine Grufft verſenkt.
Wer weiß nicht/ wie ſie war geſchickt zu allem Handel
Jm laſſen und im Tuhn; im Leben ohne Wandel.
Vor ihren Himmel rein/ und redlich vor der Welt
Jn allem Gluͤcke gleich. Wer ſich alſo verhaͤlt/
der faͤllt nicht wenn er faͤllt. Wie Veilgen unter Nelken/
Pohl unter Roſen reucht/ auch wenn ſie ſchon verwelken/
wie ſuͤßer Ben Zoe und feiſter Weyrauch drein
mit Maſtyx untermiſcht/ in dem ſie gluͤend ſeyn/
Die ſchoͤne Lufft von ſich in nah’ und weit verhauchen/
So iſt ihr edles Lob. Jhr Preiß kan nicht verrauchen.
Jhr Ruhm der ſtirbet nicht. Was aus der Tugend koͤm̃t/
das uͤberlebt den Todt; bleibt wenn ein Ende nimmt/
Was iſt und noch nicht iſt. Lucretie verbliche
Jhr keuſch Lob iſt noch friſch/ fragt nichts nach ihrem ſtiche/
den nur der Leib gefuͤhlt. Polyxene lebt todt.
Mauſolus treues Weib iſt noch geſund und roht;
Hat Karien ihr Grab/ ſo hat die Welt die Treue/
die vielmahl groͤßer iſt. Wer wol lebt/ lebt auffs neue/
Auch wenn er laͤngſt verweſt. Preiß iſt der Seelen Teihl/
dem/ wie dem Gantzen auch/ mit keiner Liſt und Pfeil’
Jhr Parcen koͤnnet zu. Ein eines greifft nach ſeinen.
Der große Himmel nimt ſein Stuͤcke von dem keinen.
Was von der Erden iſt/ das heiſſt und bleibt doch ſie
Wird wieder/ was es war. Was gibt mir ſpaat und fruͤh’?
Jch muß doch einmahl fort Machaon kan uns friſten/
Nicht freyen vor dem Tod’. Als wenn wir einſt nicht muͤſten/
Wolln wir ſchon itzund nicht. Und iſt uns diß noch frey
daß wir itzt ſind wolauff/ ſo fuͤrchten wir dabey/
Wer weiß wie lang’ es ſteht. Das Auge dieſer Erden
ſchlaͤfft nun bey Gadrs ein/ vergoͤnnt den muͤden Pferden
deß
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[127/0147] Drittes Buch. War zweymahl fuͤnff Jahr’ arm. Wie Leden Tochter auch/ deß Atreus Sohnes Weib. Die Liebe haͤlt den Brauch/ Theilt Hertz und Sinn mit dem/ an den ſie iſt verbunden. Wil nie alleine ſeyn. Nun aber iſt verſchwunden Jhr hoffen und ſie auch. Was lieb war/ und nun kraͤnkt das hat das letzte Recht in eine Grufft verſenkt. Wer weiß nicht/ wie ſie war geſchickt zu allem Handel Jm laſſen und im Tuhn; im Leben ohne Wandel. Vor ihren Himmel rein/ und redlich vor der Welt Jn allem Gluͤcke gleich. Wer ſich alſo verhaͤlt/ der faͤllt nicht wenn er faͤllt. Wie Veilgen unter Nelken/ Pohl unter Roſen reucht/ auch wenn ſie ſchon verwelken/ wie ſuͤßer Ben Zoe und feiſter Weyrauch drein mit Maſtyx untermiſcht/ in dem ſie gluͤend ſeyn/ Die ſchoͤne Lufft von ſich in nah’ und weit verhauchen/ So iſt ihr edles Lob. Jhr Preiß kan nicht verrauchen. Jhr Ruhm der ſtirbet nicht. Was aus der Tugend koͤm̃t/ das uͤberlebt den Todt; bleibt wenn ein Ende nimmt/ Was iſt und noch nicht iſt. Lucretie verbliche Jhr keuſch Lob iſt noch friſch/ fragt nichts nach ihrem ſtiche/ den nur der Leib gefuͤhlt. Polyxene lebt todt. Mauſolus treues Weib iſt noch geſund und roht; Hat Karien ihr Grab/ ſo hat die Welt die Treue/ die vielmahl groͤßer iſt. Wer wol lebt/ lebt auffs neue/ Auch wenn er laͤngſt verweſt. Preiß iſt der Seelen Teihl/ dem/ wie dem Gantzen auch/ mit keiner Liſt und Pfeil’ Jhr Parcen koͤnnet zu. Ein eines greifft nach ſeinen. Der große Himmel nimt ſein Stuͤcke von dem keinen. Was von der Erden iſt/ das heiſſt und bleibt doch ſie Wird wieder/ was es war. Was gibt mir ſpaat und fruͤh’? Jch muß doch einmahl fort Machaon kan uns friſten/ Nicht freyen vor dem Tod’. Als wenn wir einſt nicht muͤſten/ Wolln wir ſchon itzund nicht. Und iſt uns diß noch frey daß wir itzt ſind wolauff/ ſo fuͤrchten wir dabey/ Wer weiß wie lang’ es ſteht. Das Auge dieſer Erden ſchlaͤfft nun bey Gadrs ein/ vergoͤnnt den muͤden Pferden deß

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Zitationshilfe: Fleming, Paul: Teütsche Poemata. Lübeck, [1642], S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_poemata_1642/147>, abgerufen am 24.11.2024.