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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

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Fünffter Theil/
[Spaltenumbruch] zuschlagen dienstlich ersuche. Ferner muß
auch ein Falconierer nicht allein nebst
unterschiedenen medicinischen und heyl-
samen Specereyen, Salben, Oehl und
Kräutern, Aloe und Manna, und der-
gleichen, wie offt berühret, in frischem
Vorrath, sondern auch zarte Instrumen-
ten haben, solche im Nothfall, als ein
Chirurgus, zu gebrauchen, damit er gleich
helffen könne. Von dessen Gerathschafft
nun zu melden, muß er erstens vor sei-
ne Person haben eine von feiner Leine-
wand gemachte und grün ausgesteppte
Weyde-Tasche, als worin er allezeit ei-
niges Fleisch zum Fraß oder ein paar le-
bendige Hühner oder Wachteln, dem Vo-
gel zu geben, haben muß, ferner muß er
auch ein besondes Instrument, das Feder-
spiehl oder der Vorlaß genannt, an der
Seite haben, welches von zweyen Flü-
geln mit Leder zusammen befestiget, da-
ran ein langer schmahler Riemen, und
an dessen Ende ein Häckgen ist, mit wel-
chem man den Falcken an sich zu locken
gewöhnet, daß er meynen solte, man
zeigte ihm den gefangenen Vogel. Drit-
tens muß er auch ein Paar grosse und
weite, von gutem starcken Hirsch-Leder
wohl gemachte Handschuh anhaben, da-
mit der Falck desto fester und gewisser
auff der Faust sitzen, und mit den Klau-
en nicht durchgreiffen möge. Auch muß
der Falconierer den Falcken dergestalt
tragen, daß er ihn nicht zu nahe an sei-
ne Augen oder Gesicht halte, weder zu
niedrig, noch zu hoch trage, und den
Vogel allezeit wider den Wind auf der
lincken Faust sitzen habe, daß er mit den
Schwinge-Federn nicht an sein Kleid
anstosse, und da er unfreundlich würde,
[Spaltenumbruch] ihn fein sittsam liebkosen, caressiren, und
mit einer Feder den Kropff bestreichen,
und ihn allezeit fein frey tragen; Vor den
Falcken oder Vogel aber, und zwar vor
einen jeden absonderlich nach des Vogels
Kopffs Grösse muß er haben eine von
wohl ausgearbeitetem Leder fein zierlich
gemachte Haube, welche umb die Augen
des Vogels fein geräumig seyn soll, rund,
hoch erhaben, hinten gegen den Halß zer-
theilet, daß sie von zwey gelinden Zug-
Riemgen, der Nothdurfft nach, zu oder
auffgezogen, oder auff und abgedecket
werden könne, worauf sich oben auf der
Platte ein von schönen bunten Farben
zierlich gemachtes Feder-Büschlein, mit
dünnem Drath befestiget, gehöhret; Wie
dann der Falconirer ein solches Häub-
lein jederzeit gebührend auf der Krem-
pe des Huths im Vorrath bey sich tra-
gen soll, welches sein Signum distinctio-
nis
von andern ist. Ferner muß der Falck
auch haben das benöthigte Geschühe an
seinen Füssen, so ihme gleich anfänglich
attachiret werden muß, welchen von
zweyen schmeidigen Riehmen angema-
chet und ausgefrantzet, woran zwey hell
klingende Schellen seyn müssen, damit
man ihn weit höhren und finden kön-
ne, welches Geschühe eines Fingers lang,
an deren Ende zusammen gefüget, und
hernach von einem weissen Spannen-
langen schmahlen Wurff-Riehmen durch-
zogen wird, welcher zu beyden Seiten zu
verknüpffen, und auf der Faust oder
Stange umbschlagen wird. Wann a-
ber der Falck steigen soll, wird er abge-
haubet, und dieser lange Wurff-Riehm,
von dem Geschühe abgezogen, ihn ledig zu
lassen.

Von der Reyher-Beitz.
[Spaltenumbruch]

Dieses ist nun eigendlich der Zweck,
und der gantze Scopus, auch das vornehm-
ste oder so genannte hohe Weyde-Werck,
umb welcher Ursachen willen die be-
rühmte Falconnerie mit so vielfältiger
Mühe, und ebenfalls mit nicht geringe-
rer Gefahr, wie das Piquiren der beschrie-
benen par Force-Jagd vorgenommen
wird. Da denn die grossen Herren und
Potentaten samt dero gantzen Comitat
und Svite an einem anmuthigen schönen
und stillen Tag mit der grösten Solenni-
tät auff die Reyher-Beitz hinaus ziehen.
Wann nun die Stöber-Hunde einen
[Spaltenumbruch] Reyher auffgetrieben, der Falconier zum
rechten Vortheil den Vogel abgeworffen,
und der Reyher den Falcken gewahr
wird, so speyet er den gestohlenen Raub
von kleinen Fischgen, währenden Flugs
herab, umb sich zur Flucht leichte zu ma-
chen, oder da er noch nüchtern, fänget
er an, mit besonderem Fleiß über sich zu
steigen, daß er fast kaum zu sehen. Der
Fälcke hingegen simuliret gleichsam, biß
er durch sonderbahre Umbschweiffe und
viel unglaublichere Geschwindigkeit dem
Reyher die Höhe abgewonnen, und über
ihn gestiegen, welchem ein Jeder wunderns-

würdig

Fuͤnffter Theil/
[Spaltenumbruch] zuſchlagen dienſtlich erſuche. Ferner muß
auch ein Falconierer nicht allein nebſt
unterſchiedenen mediciniſchen und heyl-
ſamen Specereyen, Salben, Oehl und
Kraͤutern, Aloe und Manna, und der-
gleichen, wie offt beruͤhret, in friſchem
Vorrath, ſondern auch zarte Inſtrumen-
ten haben, ſolche im Nothfall, als ein
Chirurgus, zu gebrauchen, damit er gleich
helffen koͤnne. Von deſſen Gerathſchafft
nun zu melden, muß er erſtens vor ſei-
ne Perſon haben eine von feiner Leine-
wand gemachte und gruͤn ausgeſteppte
Weyde-Taſche, als worin er allezeit ei-
niges Fleiſch zum Fraß oder ein paar le-
bendige Huͤhner oder Wachteln, dem Vo-
gel zu geben, haben muß, ferner muß er
auch ein beſondes Inſtrument, das Feder-
ſpiehl oder der Vorlaß genannt, an der
Seite haben, welches von zweyen Fluͤ-
geln mit Leder zuſammen befeſtiget, da-
ran ein langer ſchmahler Riemen, und
an deſſen Ende ein Haͤckgen iſt, mit wel-
chem man den Falcken an ſich zu locken
gewoͤhnet, daß er meynen ſolte, man
zeigte ihm den gefangenen Vogel. Drit-
tens muß er auch ein Paar groſſe und
weite, von gutem ſtarcken Hirſch-Leder
wohl gemachte Handſchuh anhaben, da-
mit der Falck deſto feſter und gewiſſer
auff der Fauſt ſitzen, und mit den Klau-
en nicht durchgreiffen moͤge. Auch muß
der Falconierer den Falcken dergeſtalt
tragen, daß er ihn nicht zu nahe an ſei-
ne Augen oder Geſicht halte, weder zu
niedrig, noch zu hoch trage, und den
Vogel allezeit wider den Wind auf der
lincken Fauſt ſitzen habe, daß er mit den
Schwinge-Federn nicht an ſein Kleid
anſtoſſe, und da er unfreundlich wuͤrde,
[Spaltenumbruch] ihn fein ſittſam liebkoſen, caresſiren, und
mit einer Feder den Kropff beſtreichen,
und ihn allezeit fein frey tragen; Vor den
Falcken oder Vogel aber, und zwar vor
einen jeden abſonderlich nach des Vogels
Kopffs Groͤſſe muß er haben eine von
wohl ausgearbeitetem Leder fein zierlich
gemachte Haube, welche umb die Augen
des Vogels fein geraͤumig ſeyn ſoll, rund,
hoch erhaben, hinten gegen den Halß zer-
theilet, daß ſie von zwey gelinden Zug-
Riemgen, der Nothdurfft nach, zu oder
auffgezogen, oder auff und abgedecket
werden koͤnne, worauf ſich oben auf der
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zierlich gemachtes Feder-Buͤſchlein, mit
duͤnnem Drath befeſtiget, gehoͤhret; Wie
dann der Falconirer ein ſolches Haͤub-
lein jederzeit gebuͤhrend auf der Krem-
pe des Huths im Vorrath bey ſich tra-
gen ſoll, welches ſein Signum diſtinctio-
nis
von andern iſt. Ferner muß der Falck
auch haben das benoͤthigte Geſchuͤhe an
ſeinen Fuͤſſen, ſo ihme gleich anfaͤnglich
attachiret werden muß, welchen von
zweyen ſchmeidigen Riehmen angema-
chet und ausgefrantzet, woran zwey hell
klingende Schellen ſeyn muͤſſen, damit
man ihn weit hoͤhren und finden koͤn-
ne, welches Geſchuͤhe eines Fingers lang,
an deren Ende zuſammen gefuͤget, und
hernach von einem weiſſen Spannen-
langen ſchmahlen Wuꝛff-Riehmen duꝛch-
zogen wird, welcher zu beyden Seiten zu
verknuͤpffen, und auf der Fauſt oder
Stange umbſchlagen wird. Wann a-
ber der Falck ſteigen ſoll, wird er abge-
haubet, und dieſer lange Wurff-Riehm,
von dem Geſchuͤhe abgezogen, ihn ledig zu
laſſen.

Von der Reyher-Beitz.
[Spaltenumbruch]

Dieſes iſt nun eigendlich der Zweck,
und der gantze Scopus, auch das vornehm-
ſte oder ſo genannte hohe Weyde-Werck,
umb welcher Urſachen willen die be-
ruͤhmte Falconnerie mit ſo vielfaͤltiger
Muͤhe, und ebenfalls mit nicht geringe-
rer Gefahr, wie das Piquiren der beſchrie-
benen par Force-Jagd vorgenommen
wird. Da denn die groſſen Herren und
Potentaten ſamt dero gantzen Comitat
und Svite an einem anmuthigen ſchoͤnen
und ſtillen Tag mit der groͤſten Solenni-
taͤt auff die Reyher-Beitz hinaus ziehen.
Wann nun die Stoͤber-Hunde einen
[Spaltenumbruch] Reyher auffgetrieben, der Falconier zum
rechten Vortheil den Vogel abgeworffen,
und der Reyher den Falcken gewahr
wird, ſo ſpeyet er den geſtohlenen Raub
von kleinen Fiſchgen, waͤhrenden Flugs
herab, umb ſich zur Flucht leichte zu ma-
chen, oder da er noch nuͤchtern, faͤnget
er an, mit beſonderem Fleiß uͤber ſich zu
ſteigen, daß er faſt kaum zu ſehen. Der
Faͤlcke hingegen ſimuliret gleichſam, biß
er durch ſonderbahre Umbſchweiffe und
viel unglaublichere Geſchwindigkeit dem
Reyher die Hoͤhe abgewonnen, und uͤber
ihn geſtiegẽ, welchem ein Jeder wunderns-

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[324/0492] Fuͤnffter Theil/ zuſchlagen dienſtlich erſuche. Ferner muß auch ein Falconierer nicht allein nebſt unterſchiedenen mediciniſchen und heyl- ſamen Specereyen, Salben, Oehl und Kraͤutern, Aloe und Manna, und der- gleichen, wie offt beruͤhret, in friſchem Vorrath, ſondern auch zarte Inſtrumen- ten haben, ſolche im Nothfall, als ein Chirurgus, zu gebrauchen, damit er gleich helffen koͤnne. Von deſſen Gerathſchafft nun zu melden, muß er erſtens vor ſei- ne Perſon haben eine von feiner Leine- wand gemachte und gruͤn ausgeſteppte Weyde-Taſche, als worin er allezeit ei- niges Fleiſch zum Fraß oder ein paar le- bendige Huͤhner oder Wachteln, dem Vo- gel zu geben, haben muß, ferner muß er auch ein beſondes Inſtrument, das Feder- ſpiehl oder der Vorlaß genannt, an der Seite haben, welches von zweyen Fluͤ- geln mit Leder zuſammen befeſtiget, da- ran ein langer ſchmahler Riemen, und an deſſen Ende ein Haͤckgen iſt, mit wel- chem man den Falcken an ſich zu locken gewoͤhnet, daß er meynen ſolte, man zeigte ihm den gefangenen Vogel. Drit- tens muß er auch ein Paar groſſe und weite, von gutem ſtarcken Hirſch-Leder wohl gemachte Handſchuh anhaben, da- mit der Falck deſto feſter und gewiſſer auff der Fauſt ſitzen, und mit den Klau- en nicht durchgreiffen moͤge. Auch muß der Falconierer den Falcken dergeſtalt tragen, daß er ihn nicht zu nahe an ſei- ne Augen oder Geſicht halte, weder zu niedrig, noch zu hoch trage, und den Vogel allezeit wider den Wind auf der lincken Fauſt ſitzen habe, daß er mit den Schwinge-Federn nicht an ſein Kleid anſtoſſe, und da er unfreundlich wuͤrde, ihn fein ſittſam liebkoſen, caresſiren, und mit einer Feder den Kropff beſtreichen, und ihn allezeit fein frey tragen; Vor den Falcken oder Vogel aber, und zwar vor einen jeden abſonderlich nach des Vogels Kopffs Groͤſſe muß er haben eine von wohl ausgearbeitetem Leder fein zierlich gemachte Haube, welche umb die Augen des Vogels fein geraͤumig ſeyn ſoll, rund, hoch erhaben, hinten gegen den Halß zer- theilet, daß ſie von zwey gelinden Zug- Riemgen, der Nothdurfft nach, zu oder auffgezogen, oder auff und abgedecket werden koͤnne, worauf ſich oben auf der Platte ein von ſchoͤnen bunten Farben zierlich gemachtes Feder-Buͤſchlein, mit duͤnnem Drath befeſtiget, gehoͤhret; Wie dann der Falconirer ein ſolches Haͤub- lein jederzeit gebuͤhrend auf der Krem- pe des Huths im Vorrath bey ſich tra- gen ſoll, welches ſein Signum diſtinctio- nis von andern iſt. Ferner muß der Falck auch haben das benoͤthigte Geſchuͤhe an ſeinen Fuͤſſen, ſo ihme gleich anfaͤnglich attachiret werden muß, welchen von zweyen ſchmeidigen Riehmen angema- chet und ausgefrantzet, woran zwey hell klingende Schellen ſeyn muͤſſen, damit man ihn weit hoͤhren und finden koͤn- ne, welches Geſchuͤhe eines Fingers lang, an deren Ende zuſammen gefuͤget, und hernach von einem weiſſen Spannen- langen ſchmahlen Wuꝛff-Riehmen duꝛch- zogen wird, welcher zu beyden Seiten zu verknuͤpffen, und auf der Fauſt oder Stange umbſchlagen wird. Wann a- ber der Falck ſteigen ſoll, wird er abge- haubet, und dieſer lange Wurff-Riehm, von dem Geſchuͤhe abgezogen, ihn ledig zu laſſen. Von der Reyher-Beitz. Dieſes iſt nun eigendlich der Zweck, und der gantze Scopus, auch das vornehm- ſte oder ſo genannte hohe Weyde-Werck, umb welcher Urſachen willen die be- ruͤhmte Falconnerie mit ſo vielfaͤltiger Muͤhe, und ebenfalls mit nicht geringe- rer Gefahr, wie das Piquiren der beſchrie- benen par Force-Jagd vorgenommen wird. Da denn die groſſen Herren und Potentaten ſamt dero gantzen Comitat und Svite an einem anmuthigen ſchoͤnen und ſtillen Tag mit der groͤſten Solenni- taͤt auff die Reyher-Beitz hinaus ziehen. Wann nun die Stoͤber-Hunde einen Reyher auffgetrieben, der Falconier zum rechten Vortheil den Vogel abgeworffen, und der Reyher den Falcken gewahr wird, ſo ſpeyet er den geſtohlenen Raub von kleinen Fiſchgen, waͤhrenden Flugs herab, umb ſich zur Flucht leichte zu ma- chen, oder da er noch nuͤchtern, faͤnget er an, mit beſonderem Fleiß uͤber ſich zu ſteigen, daß er faſt kaum zu ſehen. Der Faͤlcke hingegen ſimuliret gleichſam, biß er durch ſonderbahre Umbſchweiffe und viel unglaublichere Geſchwindigkeit dem Reyher die Hoͤhe abgewonnen, und uͤber ihn geſtiegẽ, welchem ein Jeder wunderns- wuͤrdig

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/492>, abgerufen am 21.11.2024.