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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

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Vorbericht.
gültige Wörter gewesen. Und dannenhero einige auf die Gedancken
gerathen, es hätten sich viele bey solcher unverhinderten Gelegenheit
des Todtschlagens, Raubens, Plündern und Stehlens beflissen; Und
also der Stärckere dem Schwächern das Seine mit Gewalt genommen,
worüber sich nicht allein grosse Unruhe, Hader und Zanck ereignet, sondern
auch viel ander Unfug und Unglück entstanden, so, daß niemand sicher
unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und sich seiner Hände
Arbeit nähren können. Wie denn dergleichen Streit schon zwischen den
Hirten des Abrahams und Loths, wegen ihres Viehes, vielfältig vor-
gefallen, daß sich diese beyden nächsten Vettern, welche als leibliche
Brüder mit einander, wie Abraham selbst gestehet, lebeten, Verdruß
und Unglück zu verhüten, von einander scheiden, und einer gegen Ost
der andere gegen West ziehen, sich in das vor ihnen liegende Land thei-
len, und Grentzen abstechen musten, welche keinem zu überschreiten er-
laubet, wo er nicht vor des andern Unterdrücker wolte angesehen
seyn.

Ob nun gleich aus diesen allen deutlich genung erhellet, daß der gros-
se GOTT, nach seiner unbetrüglichen Weisheit dem gesamten mensch-
lichen Geschlechte, ohnangesehen hohen und niedrigen Standes, alles
wild und zahme Vieh zur Speise gegeben, auch von Natur, jure gentium,
einem jeden dasselbe zu jagen frey stehet; so ist man dennoch genöthiget wor-
den, um den schädlichen Mißbrauch des unnöthigen Jagens einiger massen
zu hemmen, und demselbigen folglich abzuhelfen, dem allgemeinen Nutzen und
Wohlfahrt des Landes zum besten, dem gemeinen Mann das Jagen völlig zu
untersagen, (ex malis enim moribus bonae leges nascuntur) damit der
nöthige Ackerbau und andere Gewerbe desto besser abgewartet würden.
Wie wir, daß ich nur eines einzigen Exempels gedencke, sonderlich an
unsern uralten Deutschen sehen, die leider eine geraume Zeit die frey-
en Künste, Wissenschaft und bürgerliche Handthierung liegen lassen, und
ihre Zeit mit Kriegen und Jagen zugebracht, von dem Fleisch des Wil-
des sich ernähret, und mit den Häuten sich bekleidet; So, daß auch ei-
nige behaupten wollen, daß man die alten Deutschen Ritter, weil ihre
ersten Vorfahren gemeiniglich in Löwen- oder auch bey Ermangelung
deren, in Bär-Häute sich gekleidet, Ehren halber Bären-Häuter
soll genennet haben, welcher Titul aber, weil ein jeder sich
mit Häuten, deren Thiere er nicht erleget, behänget, so degeneriret,
daß er zu einem Spott- und Schimpff-Wort worden. Mit was
vor Recht die Obrigkeit das Jagen sich allein vorbehalten können, wird
zwar noch weitläuftig disputiret, doch, was ist wol billiger als diß, weil
das Wild nothwendig in Schrancken gehalten werden muste, damit es
nicht Land und Leute verderbete, sich die Obrigkeit, bey ihren ohne
dem schweren Amts-Sorgen diese angenehme Gemüths-Ergötzung und
anständlichen Nutzen vorbehielten, zumahl da es ein Werck ist, welches
einem grossen Herrn gar wohl anstehet, und auch mit dessen andern Re-
giments-Geschäften gar wohl noch bestehen kan, wie wir an dem unge-

mei-
(a) 3

Vorbericht.
guͤltige Woͤrter geweſen. Und dannenhero einige auf die Gedancken
gerathen, es haͤtten ſich viele bey ſolcher unverhinderten Gelegenheit
des Todtſchlagens, Raubens, Pluͤndern und Stehlens befliſſen; Und
alſo der Staͤrckere dem Schwaͤchern das Seine mit Gewalt genommen,
woruͤber ſich nicht allein groſſe Unruhe, Hader und Zanck ereignet, ſondern
auch viel ander Unfug und Ungluͤck entſtanden, ſo, daß niemand ſicher
unter ſeinem Weinſtock und Feigenbaum wohnen, und ſich ſeiner Haͤnde
Arbeit naͤhren koͤnnen. Wie denn dergleichen Streit ſchon zwiſchen den
Hirten des Abrahams und Loths, wegen ihres Viehes, vielfaͤltig vor-
gefallen, daß ſich dieſe beyden naͤchſten Vettern, welche als leibliche
Bruͤder mit einander, wie Abraham ſelbſt geſtehet, lebeten, Verdruß
und Ungluͤck zu verhuͤten, von einander ſcheiden, und einer gegen Oſt
der andere gegen Weſt ziehen, ſich in das vor ihnen liegende Land thei-
len, und Grentzen abſtechen muſten, welche keinem zu uͤberſchreiten er-
laubet, wo er nicht vor des andern Unterdruͤcker wolte angeſehen
ſeyn.

Ob nun gleich aus dieſen allen deutlich genung erhellet, daß der groſ-
ſe GOTT, nach ſeiner unbetruͤglichen Weisheit dem geſamten menſch-
lichen Geſchlechte, ohnangeſehen hohen und niedrigen Standes, alles
wild und zahme Vieh zur Speiſe gegeben, auch von Natur, jure gentium,
einem jeden daſſelbe zu jagen frey ſtehet; ſo iſt man dennoch genoͤthiget wor-
den, um den ſchaͤdlichen Mißbrauch des unnoͤthigen Jagens einiger maſſen
zu hem̃en, und demſelbigen folglich abzuhelfen, dem allgemeinen Nutzen und
Wohlfahrt des Landes zum beſten, dem gemeinen Mann das Jagen voͤllig zu
unterſagen, (ex malis enim moribus bonæ leges naſcuntur) damit der
noͤthige Ackerbau und andere Gewerbe deſto beſſer abgewartet wuͤrden.
Wie wir, daß ich nur eines einzigen Exempels gedencke, ſonderlich an
unſern uralten Deutſchen ſehen, die leider eine geraume Zeit die frey-
en Kuͤnſte, Wiſſenſchaft und buͤrgerliche Handthierung liegen laſſen, und
ihre Zeit mit Kriegen und Jagen zugebracht, von dem Fleiſch des Wil-
des ſich ernaͤhret, und mit den Haͤuten ſich bekleidet; So, daß auch ei-
nige behaupten wollen, daß man die alten Deutſchen Ritter, weil ihre
erſten Vorfahren gemeiniglich in Loͤwen- oder auch bey Ermangelung
deren, in Baͤr-Haͤute ſich gekleidet, Ehren halber Baͤren-Haͤuter
ſoll genennet haben, welcher Titul aber, weil ein jeder ſich
mit Haͤuten, deren Thiere er nicht erleget, behaͤnget, ſo degeneriret,
daß er zu einem Spott- und Schimpff-Wort worden. Mit was
vor Recht die Obrigkeit das Jagen ſich allein vorbehalten koͤnnen, wird
zwar noch weitlaͤuftig diſputiret, doch, was iſt wol billiger als diß, weil
das Wild nothwendig in Schrancken gehalten werden muſte, damit es
nicht Land und Leute verderbete, ſich die Obrigkeit, bey ihren ohne
dem ſchweren Amts-Sorgen dieſe angenehme Gemuͤths-Ergoͤtzung und
anſtaͤndlichen Nutzen vorbehielten, zumahl da es ein Werck iſt, welches
einem groſſen Herrn gar wohl anſtehet, und auch mit deſſen andern Re-
giments-Geſchaͤften gar wohl noch beſtehen kan, wie wir an dem unge-

mei-
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[0023] Vorbericht. guͤltige Woͤrter geweſen. Und dannenhero einige auf die Gedancken gerathen, es haͤtten ſich viele bey ſolcher unverhinderten Gelegenheit des Todtſchlagens, Raubens, Pluͤndern und Stehlens befliſſen; Und alſo der Staͤrckere dem Schwaͤchern das Seine mit Gewalt genommen, woruͤber ſich nicht allein groſſe Unruhe, Hader und Zanck ereignet, ſondern auch viel ander Unfug und Ungluͤck entſtanden, ſo, daß niemand ſicher unter ſeinem Weinſtock und Feigenbaum wohnen, und ſich ſeiner Haͤnde Arbeit naͤhren koͤnnen. Wie denn dergleichen Streit ſchon zwiſchen den Hirten des Abrahams und Loths, wegen ihres Viehes, vielfaͤltig vor- gefallen, daß ſich dieſe beyden naͤchſten Vettern, welche als leibliche Bruͤder mit einander, wie Abraham ſelbſt geſtehet, lebeten, Verdruß und Ungluͤck zu verhuͤten, von einander ſcheiden, und einer gegen Oſt der andere gegen Weſt ziehen, ſich in das vor ihnen liegende Land thei- len, und Grentzen abſtechen muſten, welche keinem zu uͤberſchreiten er- laubet, wo er nicht vor des andern Unterdruͤcker wolte angeſehen ſeyn. Ob nun gleich aus dieſen allen deutlich genung erhellet, daß der groſ- ſe GOTT, nach ſeiner unbetruͤglichen Weisheit dem geſamten menſch- lichen Geſchlechte, ohnangeſehen hohen und niedrigen Standes, alles wild und zahme Vieh zur Speiſe gegeben, auch von Natur, jure gentium, einem jeden daſſelbe zu jagen frey ſtehet; ſo iſt man dennoch genoͤthiget wor- den, um den ſchaͤdlichen Mißbrauch des unnoͤthigen Jagens einiger maſſen zu hem̃en, und demſelbigen folglich abzuhelfen, dem allgemeinen Nutzen und Wohlfahrt des Landes zum beſten, dem gemeinen Mann das Jagen voͤllig zu unterſagen, (ex malis enim moribus bonæ leges naſcuntur) damit der noͤthige Ackerbau und andere Gewerbe deſto beſſer abgewartet wuͤrden. Wie wir, daß ich nur eines einzigen Exempels gedencke, ſonderlich an unſern uralten Deutſchen ſehen, die leider eine geraume Zeit die frey- en Kuͤnſte, Wiſſenſchaft und buͤrgerliche Handthierung liegen laſſen, und ihre Zeit mit Kriegen und Jagen zugebracht, von dem Fleiſch des Wil- des ſich ernaͤhret, und mit den Haͤuten ſich bekleidet; So, daß auch ei- nige behaupten wollen, daß man die alten Deutſchen Ritter, weil ihre erſten Vorfahren gemeiniglich in Loͤwen- oder auch bey Ermangelung deren, in Baͤr-Haͤute ſich gekleidet, Ehren halber Baͤren-Haͤuter ſoll genennet haben, welcher Titul aber, weil ein jeder ſich mit Haͤuten, deren Thiere er nicht erleget, behaͤnget, ſo degeneriret, daß er zu einem Spott- und Schimpff-Wort worden. Mit was vor Recht die Obrigkeit das Jagen ſich allein vorbehalten koͤnnen, wird zwar noch weitlaͤuftig diſputiret, doch, was iſt wol billiger als diß, weil das Wild nothwendig in Schrancken gehalten werden muſte, damit es nicht Land und Leute verderbete, ſich die Obrigkeit, bey ihren ohne dem ſchweren Amts-Sorgen dieſe angenehme Gemuͤths-Ergoͤtzung und anſtaͤndlichen Nutzen vorbehielten, zumahl da es ein Werck iſt, welches einem groſſen Herrn gar wohl anſtehet, und auch mit deſſen andern Re- giments-Geſchaͤften gar wohl noch beſtehen kan, wie wir an dem unge- mei- (a) 3

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/23>, abgerufen am 24.11.2024.