Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

Bild:
<< vorherige Seite

Anderer Theil/
[Spaltenumbruch] ist, weil die Spiritus animi, oder die Ge-
müths-Geister von Furcht eingenom-
men plötzlich erstarren, und die Bewe-
gung des Geblüths der Glieder gehem-
met wird, so, daß diese zum Gebrauch
untüchtig werden, und sich nicht zu recol-
ligir
en wissen. Wann die Rücke ihren
Bock verlohren hat, hohlet sie Augen-
blicklich einen andern, wann aber die Rü-
cke wegkömmt, gehet der Bock auch fort.
Sie halten sich, wie gedacht, gerne paar-
weise alleine auff und sind nicht gerne
bey denen Hirschen oder anderm Wild-
präth, sondern lieber einsam und allein.
Jm Jagen und Treiben lauffen sie ins
runde, auch zuweilen durch die Treiber,
oder drücken sich in einen Strauch, biß
man vorbey ist, wie die Hasen zur Er-
den. Sie färben ihre Haare des Früh-
lings wie die Hirsche, lassen die grauen
Winter-Haare fallen, und werden roth.
Wann das Wetter sich ändern will, hö-
ret man den Bock offte schreyen, er bel-
let fast wie ein Hund, aber langsamer
und heischer. Die Rehe scharren einen
runden Platz, wann sie sich legen wol-
len, des Sommers in frische Erden,
des Winters aber kratzen sie den Schnee
weg, umb trocken zu liegen. Sie haben
ein scharff Gesicht und starcken Geruch.
Es treibet zwar im August-Monat aus
grosser Geylheit der Bock das Reh, da
man ihn alsdann auf einem Blatt wohl
locken kan, und vermeynen die alten Ja-
[Spaltenumbruch] ger, daß er brunffte, so aber nicht ge-
schicht, sondern er jaget nur aus Geyl-
heit die gelde oder schmahle Rücke,
brunfft aber nur im Christ-Monat, wie
schon gemeldet. Jn Ungarn soll es gros-
se Rehe geben, welche, sonderlich an de-
nen Gebürgen, wegen derer trefflichen
Kräuter, sehr gesund sind und lange le-
ben. Ein Reh bekommt des Frühjahrs
von denen jungen aufgeschossenen saffti-
gen Sprossen viele Dünste im Gehirn:
Es hält sich der Bock zu seiner Rücke,
gleich, als wenn er in einer ordentlichen
Ehe lebete, welche nichts, als der Todt
scheiden mag, und verlässet ein solches
Paar einander nimmermehr. Vermer-
cket die Rücke ihre Satz-Zeit von Natur,
so begiebet sie sich etliche Tage vorher
täglich ein paar Stunden von ihm, umb
daß er nicht in ander Gehöltz von ihr
scheide. Sind die Jungen gesetzet, füh-
ret sie ihn hin, wann sie schon etwas
lauffen können, nach etlichen Tagen ihm
solche zu zeigen, ob er ihnen leids thun
werde. Die jungen Rehe separiren sich
von denen Alten, wann sie jährigt sind,
und paaren sich gleichfalls. Jm Fall 3.
gesetzet sind, muß das übrige Böcklein an-
dere Heyrath suchen, wann es aber
nichts erhalten kan, oder von voriger
Ehe getrennet worden, muß es einen im-
merwährenden Wittwen-Stand füh-
ren.

Von Bemsen.
[Spaltenumbruch]

Die Gemsen sind zwar wohl in
Teutschland, doch aber nur meistens in
denen Schweitzerischen Alpen-Gebürgen
zu finden, und wohnen allein in grausa-
men hohen Tyroler-Gebürgen, woselbst
sie gar häuffig anzutreffen seyn sollen.
Es ist dieses Thierlein in etwas kleiner,
als ein Reh, niedriger und schmächtiger
vom Leibe: Die Farbe ist castanienbraun.
Es hat sehr helle und scharffsehende röth-
lichte Augen; Das Gehörngen bestehet in
2. Spitzen, welche oben wie Haacken vor-
wärts gebogen und scharff sind, und sol-
len sie sich öffters damit an die Klippen
anhängen. Es ist glatt und schwartz
und gehet von diesen Gehörngen am
Kopff zu beyden Seiten neben denen Au-
gen auf das Maul ein schwartzer Strich.
Auf der Stirn hat es ein Bläßlein. Es
geniesset vortreffliche Kräuter und Wur-
tzeln, so in dergleichen hohen Gebürgen
[Spaltenumbruch] wachsen, welches ihme allen Schwindel
benimmt, da es sonst in solchen hohen fel-
sigten Klippen gefährlich wäre. Jn sei-
nem Magen findet man die hochberühm-
te Gemsen-Kugel, welche von solchen
Kräutern ihren Uhrsprung haben soll,
weil sie innewendig voller unzehlbahr vie-
len zusammen gebackenen Fäßergen ist,
so sonder Zweiffel von denen genossenen
Wurtzeln und Kräutern gesammlet seyn
mögen. Manche sind weich und leichte,
rund, auch länglicht, dargegen andere
härterer, schwerer, von Farben lichter
und dunckler, nachdem sie ihre Nahrung
gehabt: Einige haben einen lieblichen Ge-
ruch und fast einen Geschmack, wie Ge-
würtze; Dargegen sind andere wie höl-
tzern: Jhre Grösse ist wie ein Tauben-
Ey, Castanie oder welsche Nuß, die
Schaalen gemeiniglich Wachsgelb, auch
blasser, oder Aschfarb, mit vielen Düpff-

lein

Anderer Theil/
[Spaltenumbruch] iſt, weil die Spiritus animi, oder die Ge-
muͤths-Geiſter von Furcht eingenom-
men ploͤtzlich erſtarren, und die Bewe-
gung des Gebluͤths der Glieder gehem-
met wird, ſo, daß dieſe zum Gebrauch
untuͤchtig werden, und ſich nicht zu recol-
ligir
en wiſſen. Wann die Ruͤcke ihren
Bock verlohren hat, hohlet ſie Augen-
blicklich einen andern, wann aber die Ruͤ-
cke wegkoͤmmt, gehet der Bock auch fort.
Sie halten ſich, wie gedacht, gerne paar-
weiſe alleine auff und ſind nicht gerne
bey denen Hirſchen oder anderm Wild-
praͤth, ſondern lieber einſam und allein.
Jm Jagen und Treiben lauffen ſie ins
runde, auch zuweilen durch die Treiber,
oder druͤcken ſich in einen Strauch, biß
man vorbey iſt, wie die Haſen zur Er-
den. Sie faͤrben ihre Haare des Fruͤh-
lings wie die Hirſche, laſſen die grauen
Winter-Haare fallen, und werden roth.
Wann das Wetter ſich aͤndern will, hoͤ-
ret man den Bock offte ſchreyen, er bel-
let faſt wie ein Hund, aber langſamer
und heiſcher. Die Rehe ſcharren einen
runden Platz, wann ſie ſich legen wol-
len, des Sommers in friſche Erden,
des Winters aber kratzen ſie den Schnee
weg, umb trocken zu liegen. Sie haben
ein ſcharff Geſicht und ſtarcken Geruch.
Es treibet zwar im Auguſt-Monat aus
groſſer Geylheit der Bock das Reh, da
man ihn alsdann auf einem Blatt wohl
locken kan, und vermeynen die alten Ja-
[Spaltenumbruch] ger, daß er brunffte, ſo aber nicht ge-
ſchicht, ſondern er jaget nur aus Geyl-
heit die gelde oder ſchmahle Ruͤcke,
brunfft aber nur im Chriſt-Monat, wie
ſchon gemeldet. Jn Ungarn ſoll es groſ-
ſe Rehe geben, welche, ſonderlich an de-
nen Gebuͤrgen, wegen derer trefflichen
Kraͤuter, ſehr geſund ſind und lange le-
ben. Ein Reh bekommt des Fruͤhjahrs
von denen jungen aufgeſchoſſenen ſaffti-
gen Sproſſen viele Duͤnſte im Gehirn:
Es haͤlt ſich der Bock zu ſeiner Ruͤcke,
gleich, als wenn er in einer ordentlichen
Ehe lebete, welche nichts, als der Todt
ſcheiden mag, und verlaͤſſet ein ſolches
Paar einander nimmermehr. Vermer-
cket die Ruͤcke ihre Satz-Zeit von Natur,
ſo begiebet ſie ſich etliche Tage vorher
taͤglich ein paar Stunden von ihm, umb
daß er nicht in ander Gehoͤltz von ihr
ſcheide. Sind die Jungen geſetzet, fuͤh-
ret ſie ihn hin, wann ſie ſchon etwas
lauffen koͤnnen, nach etlichen Tagen ihm
ſolche zu zeigen, ob er ihnen leids thun
werde. Die jungen Rehe ſepariren ſich
von denen Alten, wann ſie jaͤhrigt ſind,
und paaren ſich gleichfalls. Jm Fall 3.
geſetzet ſind, muß das uͤbrige Boͤcklein an-
dere Heyrath ſuchen, wann es aber
nichts erhalten kan, oder von voriger
Ehe getrennet worden, muß es einen im-
merwaͤhrenden Wittwen-Stand fuͤh-
ren.

Von Bemſen.
[Spaltenumbruch]

Die Gemſen ſind zwar wohl in
Teutſchland, doch aber nur meiſtens in
denen Schweitzeriſchen Alpen-Gebuͤrgen
zu finden, und wohnen allein in grauſa-
men hohen Tyroler-Gebuͤrgen, woſelbſt
ſie gar haͤuffig anzutreffen ſeyn ſollen.
Es iſt dieſes Thierlein in etwas kleiner,
als ein Reh, niedriger und ſchmaͤchtiger
vom Leibe: Die Farbe iſt caſtanienbraun.
Es hat ſehr helle und ſcharffſehende roͤth-
lichte Augen; Das Gehoͤrngen beſtehet in
2. Spitzen, welche oben wie Haacken vor-
waͤrts gebogen und ſcharff ſind, und ſol-
len ſie ſich oͤffters damit an die Klippen
anhaͤngen. Es iſt glatt und ſchwartz
und gehet von dieſen Gehoͤrngen am
Kopff zu beyden Seiten neben denen Au-
gen auf das Maul ein ſchwartzer Strich.
Auf der Stirn hat es ein Blaͤßlein. Es
genieſſet vortreffliche Kraͤuter und Wur-
tzeln, ſo in dergleichen hohen Gebuͤrgen
[Spaltenumbruch] wachſen, welches ihme allen Schwindel
benimmt, da es ſonſt in ſolchen hohen fel-
ſigten Klippen gefaͤhrlich waͤre. Jn ſei-
nem Magen findet man die hochberuͤhm-
te Gemſen-Kugel, welche von ſolchen
Kraͤutern ihren Uhrſprung haben ſoll,
weil ſie innewendig voller unzehlbahr vie-
len zuſammen gebackenen Faͤßergen iſt,
ſo ſonder Zweiffel von denen genoſſenen
Wurtzeln und Kraͤutern geſammlet ſeyn
moͤgen. Manche ſind weich und leichte,
rund, auch laͤnglicht, dargegen andere
haͤrterer, ſchwerer, von Farben lichter
und dunckler, nachdem ſie ihre Nahrung
gehabt: Einige haben einen lieblichen Ge-
ruch und faſt einen Geſchmack, wie Ge-
wuͤrtze; Dargegen ſind andere wie hoͤl-
tzern: Jhre Groͤſſe iſt wie ein Tauben-
Ey, Caſtanie oder welſche Nuß, die
Schaalen gemeiniglich Wachsgelb, auch
blaſſer, oder Aſchfarb, mit vielen Duͤpff-

lein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0198" n="102"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anderer Theil/</hi></fw><lb/><cb/>
i&#x017F;t, weil die <hi rendition="#aq">Spiritus animi,</hi> oder die Ge-<lb/>
mu&#x0364;ths-Gei&#x017F;ter von Furcht eingenom-<lb/>
men plo&#x0364;tzlich er&#x017F;tarren, und die Bewe-<lb/>
gung des Geblu&#x0364;ths der Glieder gehem-<lb/>
met wird, &#x017F;o, daß die&#x017F;e zum Gebrauch<lb/>
untu&#x0364;chtig werden, und &#x017F;ich nicht zu <hi rendition="#aq">recol-<lb/>
ligir</hi>en wi&#x017F;&#x017F;en. Wann die Ru&#x0364;cke ihren<lb/>
Bock verlohren hat, hohlet &#x017F;ie Augen-<lb/>
blicklich einen andern, wann aber die Ru&#x0364;-<lb/>
cke wegko&#x0364;mmt, gehet der Bock auch fort.<lb/>
Sie halten &#x017F;ich, wie gedacht, gerne paar-<lb/>
wei&#x017F;e alleine auff und &#x017F;ind nicht gerne<lb/>
bey denen Hir&#x017F;chen oder anderm Wild-<lb/>
pra&#x0364;th, &#x017F;ondern lieber ein&#x017F;am und allein.<lb/>
Jm Jagen und Treiben lauffen &#x017F;ie ins<lb/>
runde, auch zuweilen durch die Treiber,<lb/>
oder dru&#x0364;cken &#x017F;ich in einen Strauch, biß<lb/>
man vorbey i&#x017F;t, wie die Ha&#x017F;en zur Er-<lb/>
den. Sie fa&#x0364;rben ihre Haare des Fru&#x0364;h-<lb/>
lings wie die Hir&#x017F;che, la&#x017F;&#x017F;en die grauen<lb/>
Winter-Haare fallen, und werden roth.<lb/>
Wann das Wetter &#x017F;ich a&#x0364;ndern will, ho&#x0364;-<lb/>
ret man den Bock offte &#x017F;chreyen, er bel-<lb/>
let fa&#x017F;t wie ein Hund, aber lang&#x017F;amer<lb/>
und hei&#x017F;cher. Die Rehe &#x017F;charren einen<lb/>
runden Platz, wann &#x017F;ie &#x017F;ich legen wol-<lb/>
len, des Sommers in fri&#x017F;che Erden,<lb/>
des Winters aber kratzen &#x017F;ie den Schnee<lb/>
weg, umb trocken zu liegen. Sie haben<lb/>
ein &#x017F;charff Ge&#x017F;icht und &#x017F;tarcken Geruch.<lb/>
Es treibet zwar im <hi rendition="#aq">Augu&#x017F;t-</hi>Monat aus<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;er Geylheit der Bock das Reh, da<lb/>
man ihn alsdann auf einem Blatt wohl<lb/>
locken kan, und vermeynen die alten Ja-<lb/><cb/>
ger, daß er brunffte, &#x017F;o aber nicht ge-<lb/>
&#x017F;chicht, &#x017F;ondern er jaget nur aus Geyl-<lb/>
heit die gelde oder &#x017F;chmahle Ru&#x0364;cke,<lb/>
brunfft aber nur im Chri&#x017F;t-Monat, wie<lb/>
&#x017F;chon gemeldet. Jn Ungarn &#x017F;oll es gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e Rehe geben, welche, &#x017F;onderlich an de-<lb/>
nen Gebu&#x0364;rgen, wegen derer trefflichen<lb/>
Kra&#x0364;uter, &#x017F;ehr ge&#x017F;und &#x017F;ind und lange le-<lb/>
ben. Ein Reh bekommt des Fru&#x0364;hjahrs<lb/>
von denen jungen aufge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;enen &#x017F;affti-<lb/>
gen Spro&#x017F;&#x017F;en viele Du&#x0364;n&#x017F;te im Gehirn:<lb/>
Es ha&#x0364;lt &#x017F;ich der Bock zu &#x017F;einer Ru&#x0364;cke,<lb/>
gleich, als wenn er in einer ordentlichen<lb/>
Ehe lebete, welche nichts, als der Todt<lb/>
&#x017F;cheiden mag, und verla&#x0364;&#x017F;&#x017F;et ein &#x017F;olches<lb/>
Paar einander nimmermehr. Vermer-<lb/>
cket die Ru&#x0364;cke ihre Satz-Zeit von Natur,<lb/>
&#x017F;o begiebet &#x017F;ie &#x017F;ich etliche Tage vorher<lb/>
ta&#x0364;glich ein paar Stunden von ihm, umb<lb/>
daß er nicht in ander Geho&#x0364;ltz von ihr<lb/>
&#x017F;cheide. Sind die Jungen ge&#x017F;etzet, fu&#x0364;h-<lb/>
ret &#x017F;ie ihn hin, wann &#x017F;ie &#x017F;chon etwas<lb/>
lauffen ko&#x0364;nnen, nach etlichen Tagen ihm<lb/>
&#x017F;olche zu zeigen, ob er ihnen leids thun<lb/>
werde. Die jungen Rehe <hi rendition="#aq">&#x017F;eparir</hi>en &#x017F;ich<lb/>
von denen Alten, wann &#x017F;ie ja&#x0364;hrigt &#x017F;ind,<lb/>
und paaren &#x017F;ich gleichfalls. Jm Fall 3.<lb/>
ge&#x017F;etzet &#x017F;ind, muß das u&#x0364;brige Bo&#x0364;cklein an-<lb/>
dere Heyrath &#x017F;uchen, wann es aber<lb/>
nichts erhalten kan, oder von voriger<lb/>
Ehe getrennet worden, muß es einen im-<lb/>
merwa&#x0364;hrenden Wittwen-Stand fu&#x0364;h-<lb/>
ren.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Von Bem&#x017F;en.</hi> </head><lb/>
          <cb/>
          <p>Die Gem&#x017F;en &#x017F;ind zwar wohl in<lb/>
Teut&#x017F;chland, doch aber nur mei&#x017F;tens in<lb/>
denen Schweitzeri&#x017F;chen Alpen-Gebu&#x0364;rgen<lb/>
zu finden, und wohnen allein in grau&#x017F;a-<lb/>
men hohen Tyroler-Gebu&#x0364;rgen, wo&#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ie gar ha&#x0364;uffig anzutreffen &#x017F;eyn &#x017F;ollen.<lb/>
Es i&#x017F;t die&#x017F;es Thierlein in etwas kleiner,<lb/>
als ein Reh, niedriger und &#x017F;chma&#x0364;chtiger<lb/>
vom Leibe: Die Farbe i&#x017F;t ca&#x017F;tanienbraun.<lb/>
Es hat &#x017F;ehr helle und &#x017F;charff&#x017F;ehende ro&#x0364;th-<lb/>
lichte Augen; Das Geho&#x0364;rngen be&#x017F;tehet in<lb/>
2. Spitzen, welche oben wie Haacken vor-<lb/>
wa&#x0364;rts gebogen und &#x017F;charff &#x017F;ind, und &#x017F;ol-<lb/>
len &#x017F;ie &#x017F;ich o&#x0364;ffters damit an die Klippen<lb/>
anha&#x0364;ngen. Es i&#x017F;t glatt und &#x017F;chwartz<lb/>
und gehet von die&#x017F;en Geho&#x0364;rngen am<lb/>
Kopff zu beyden Seiten neben denen Au-<lb/>
gen auf das Maul ein &#x017F;chwartzer Strich.<lb/>
Auf der Stirn hat es ein Bla&#x0364;ßlein. Es<lb/>
genie&#x017F;&#x017F;et vortreffliche Kra&#x0364;uter und Wur-<lb/>
tzeln, &#x017F;o in dergleichen hohen Gebu&#x0364;rgen<lb/><cb/>
wach&#x017F;en, welches ihme allen Schwindel<lb/>
benimmt, da es &#x017F;on&#x017F;t in &#x017F;olchen hohen fel-<lb/>
&#x017F;igten Klippen gefa&#x0364;hrlich wa&#x0364;re. Jn &#x017F;ei-<lb/>
nem Magen findet man die hochberu&#x0364;hm-<lb/>
te Gem&#x017F;en-Kugel, welche von &#x017F;olchen<lb/>
Kra&#x0364;utern ihren Uhr&#x017F;prung haben &#x017F;oll,<lb/>
weil &#x017F;ie innewendig voller unzehlbahr vie-<lb/>
len zu&#x017F;ammen gebackenen Fa&#x0364;ßergen i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;onder Zweiffel von denen geno&#x017F;&#x017F;enen<lb/>
Wurtzeln und Kra&#x0364;utern ge&#x017F;ammlet &#x017F;eyn<lb/>
mo&#x0364;gen. Manche &#x017F;ind weich und leichte,<lb/>
rund, auch la&#x0364;nglicht, dargegen andere<lb/>
ha&#x0364;rterer, &#x017F;chwerer, von Farben lichter<lb/>
und dunckler, nachdem &#x017F;ie ihre Nahrung<lb/>
gehabt: Einige haben einen lieblichen Ge-<lb/>
ruch und fa&#x017F;t einen Ge&#x017F;chmack, wie Ge-<lb/>
wu&#x0364;rtze; Dargegen &#x017F;ind andere wie ho&#x0364;l-<lb/>
tzern: Jhre Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e i&#x017F;t wie ein Tauben-<lb/>
Ey, Ca&#x017F;tanie oder wel&#x017F;che Nuß, die<lb/>
Schaalen gemeiniglich Wachsgelb, auch<lb/>
bla&#x017F;&#x017F;er, oder A&#x017F;chfarb, mit vielen Du&#x0364;pff-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lein</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0198] Anderer Theil/ iſt, weil die Spiritus animi, oder die Ge- muͤths-Geiſter von Furcht eingenom- men ploͤtzlich erſtarren, und die Bewe- gung des Gebluͤths der Glieder gehem- met wird, ſo, daß dieſe zum Gebrauch untuͤchtig werden, und ſich nicht zu recol- ligiren wiſſen. Wann die Ruͤcke ihren Bock verlohren hat, hohlet ſie Augen- blicklich einen andern, wann aber die Ruͤ- cke wegkoͤmmt, gehet der Bock auch fort. Sie halten ſich, wie gedacht, gerne paar- weiſe alleine auff und ſind nicht gerne bey denen Hirſchen oder anderm Wild- praͤth, ſondern lieber einſam und allein. Jm Jagen und Treiben lauffen ſie ins runde, auch zuweilen durch die Treiber, oder druͤcken ſich in einen Strauch, biß man vorbey iſt, wie die Haſen zur Er- den. Sie faͤrben ihre Haare des Fruͤh- lings wie die Hirſche, laſſen die grauen Winter-Haare fallen, und werden roth. Wann das Wetter ſich aͤndern will, hoͤ- ret man den Bock offte ſchreyen, er bel- let faſt wie ein Hund, aber langſamer und heiſcher. Die Rehe ſcharren einen runden Platz, wann ſie ſich legen wol- len, des Sommers in friſche Erden, des Winters aber kratzen ſie den Schnee weg, umb trocken zu liegen. Sie haben ein ſcharff Geſicht und ſtarcken Geruch. Es treibet zwar im Auguſt-Monat aus groſſer Geylheit der Bock das Reh, da man ihn alsdann auf einem Blatt wohl locken kan, und vermeynen die alten Ja- ger, daß er brunffte, ſo aber nicht ge- ſchicht, ſondern er jaget nur aus Geyl- heit die gelde oder ſchmahle Ruͤcke, brunfft aber nur im Chriſt-Monat, wie ſchon gemeldet. Jn Ungarn ſoll es groſ- ſe Rehe geben, welche, ſonderlich an de- nen Gebuͤrgen, wegen derer trefflichen Kraͤuter, ſehr geſund ſind und lange le- ben. Ein Reh bekommt des Fruͤhjahrs von denen jungen aufgeſchoſſenen ſaffti- gen Sproſſen viele Duͤnſte im Gehirn: Es haͤlt ſich der Bock zu ſeiner Ruͤcke, gleich, als wenn er in einer ordentlichen Ehe lebete, welche nichts, als der Todt ſcheiden mag, und verlaͤſſet ein ſolches Paar einander nimmermehr. Vermer- cket die Ruͤcke ihre Satz-Zeit von Natur, ſo begiebet ſie ſich etliche Tage vorher taͤglich ein paar Stunden von ihm, umb daß er nicht in ander Gehoͤltz von ihr ſcheide. Sind die Jungen geſetzet, fuͤh- ret ſie ihn hin, wann ſie ſchon etwas lauffen koͤnnen, nach etlichen Tagen ihm ſolche zu zeigen, ob er ihnen leids thun werde. Die jungen Rehe ſepariren ſich von denen Alten, wann ſie jaͤhrigt ſind, und paaren ſich gleichfalls. Jm Fall 3. geſetzet ſind, muß das uͤbrige Boͤcklein an- dere Heyrath ſuchen, wann es aber nichts erhalten kan, oder von voriger Ehe getrennet worden, muß es einen im- merwaͤhrenden Wittwen-Stand fuͤh- ren. Von Bemſen. Die Gemſen ſind zwar wohl in Teutſchland, doch aber nur meiſtens in denen Schweitzeriſchen Alpen-Gebuͤrgen zu finden, und wohnen allein in grauſa- men hohen Tyroler-Gebuͤrgen, woſelbſt ſie gar haͤuffig anzutreffen ſeyn ſollen. Es iſt dieſes Thierlein in etwas kleiner, als ein Reh, niedriger und ſchmaͤchtiger vom Leibe: Die Farbe iſt caſtanienbraun. Es hat ſehr helle und ſcharffſehende roͤth- lichte Augen; Das Gehoͤrngen beſtehet in 2. Spitzen, welche oben wie Haacken vor- waͤrts gebogen und ſcharff ſind, und ſol- len ſie ſich oͤffters damit an die Klippen anhaͤngen. Es iſt glatt und ſchwartz und gehet von dieſen Gehoͤrngen am Kopff zu beyden Seiten neben denen Au- gen auf das Maul ein ſchwartzer Strich. Auf der Stirn hat es ein Blaͤßlein. Es genieſſet vortreffliche Kraͤuter und Wur- tzeln, ſo in dergleichen hohen Gebuͤrgen wachſen, welches ihme allen Schwindel benimmt, da es ſonſt in ſolchen hohen fel- ſigten Klippen gefaͤhrlich waͤre. Jn ſei- nem Magen findet man die hochberuͤhm- te Gemſen-Kugel, welche von ſolchen Kraͤutern ihren Uhrſprung haben ſoll, weil ſie innewendig voller unzehlbahr vie- len zuſammen gebackenen Faͤßergen iſt, ſo ſonder Zweiffel von denen genoſſenen Wurtzeln und Kraͤutern geſammlet ſeyn moͤgen. Manche ſind weich und leichte, rund, auch laͤnglicht, dargegen andere haͤrterer, ſchwerer, von Farben lichter und dunckler, nachdem ſie ihre Nahrung gehabt: Einige haben einen lieblichen Ge- ruch und faſt einen Geſchmack, wie Ge- wuͤrtze; Dargegen ſind andere wie hoͤl- tzern: Jhre Groͤſſe iſt wie ein Tauben- Ey, Caſtanie oder welſche Nuß, die Schaalen gemeiniglich Wachsgelb, auch blaſſer, oder Aſchfarb, mit vielen Duͤpff- lein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/198
Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/198>, abgerufen am 21.11.2024.