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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

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Von denen wilden Thieren.
[Spaltenumbruch] Spuhr einer Bachen, wann sie tragend
worden und schon umb die Helffte ist,
kan man desto leichter mercken und vor
gewiß tragend ansprechen, wenn die bey-
den Hinter-Läufft eine gute Qver-Hand
hinter denen Vordern zurücke bleiben,
weit von einander sind und zu beyden
Seiten auswärts stehen. Wenn auch
viel Jungen im Leibe sind, so sie sperren
und schwer machen, schleppen sie offte ei-
nen Hinter-Laufft um den andern,
[Spaltenumbruch] welches mehr als zu gewiß ist, wiewohl
auch hierinnen leicht zu fehlen, daher es
gar genau observiret werden muß. Die
Lohsung eines wilden Schweins, wann
es in der Feiste und Mastzeit, ist schlei-
migt beysammen und von starckem Ge-
ruch, im Sommer von Früchten als ein
Dann-Zapffen getrungen; der Bachen
Lohsung aber ist kleckweise, jedennoch
auch unterschiedlich.

Von dem Rehe.
[Spaltenumbruch]

Dieses liebliche und anmuthige Thier-
lein, ob es wohl klein vom Leibe ist, er-
setzet es doch solches umb desto mehr, mit
der Güte seines zarten und wohlge-
schmackten Wildpräths. Es hat mit
seinen Gehörngen, Natur, Eigenschafft
und Spuhr oder Gefährd einige Gleich-
heit mit denen Hirschen, doch wie gemel-
det, von kleinerer Art: Auch hat es der
Ziegen Eigenschafft und ist von geyler
Natur sehr hitzig. Seine Brunfft wäh-
ret im December ungefehr vierzehen Ta-
ge und hat der Rehebock nur eine Rücke
bey sich, auch bleiben Männlein und
Weiblein gerne beysammen, biß die Zeit
kömmt, daß das Weiblein setzen soll.
Dann gehet die Rücke ziemlich weit seit-
wärts, aus Furcht, daß der Bock die
Jungen umbbringen möchte. So lan-
ge, biß die kleinen selber fressen können,
erziehet sie solche, alsdann begiebt sie
sich wieder zu ihrem Rehbock. Meisten-
theils bringen sie im Majo auf einmahl
zwey Jungen, ein Böcklein und ein
Rücklein, die denn gemeiniglich beysam-
men bleiben. Ein Reh-Kalb ist auch
bundfleckigt, wie ein Hirsch oder Wild-
Kalb, nur daß es kleiner ist, welches die
Alte sauget und bey sich behält, biß übers
Jahr, hernach wechseln sie weiter. Der
Rehebock, wann er ein Jahr alt ist, se-
tzet sein Gehörngen mit zwey Spitzen,
wie die Hirsche. Jm andern und drit-
ten Jahre vier Enden oder Gabeln, auch
wohl sechs Enden, bey welcher Zahl er
verbleibet, wiewohl man Rehbocks-Ge-
hörne von acht und mehr Enden ange-
troffen hat. Es wird aber solches nie-
mahls, wieviel es Enden habe, ange-
sprochen, sondern nur ein Gehörn genen-
net. Sie werffen dasselbige im Christ-
Monat und noch zeitlicher ab, setzen
auch balde wieder ihre Kolben auf, daß
sie im Januario oder Februario ihr Ge-
[Spaltenumbruch] hörn vollkommen haben. Doch werf-
fen die alten Böcke eher als die Jungen
ab, und setzen auch eher wieder auf. Jm
Frühling und Sommer sind sie gerne in
denen jung aufgeschossenen Höltzern, wo
sie nahe die Saat-Felder finden und des
Nachts sich weiden können. Jm Win-
ter aber verstecken sie sich in tieffe Wäl-
der, wo es Brunnquellen, grüne Kräu-
ter, Brombeer-Sträucher, Werfften
und Bimsen giebt, da sie die Knospen,
grüne Blätter, und Schößlinge, der neu
wachsenden Sträucher abbeissen. Der
Bock hat einen stärckern Fuß, rundere
Schaalen und einen völlern Ballen, als
das Weiblein, bey welchem alles spitzi-
ger. Der Bock tritt allezeit am ersten
aus dem Holtze umb zu kundschafften,
ob keine Gefahr verhanden und die Rü-
cke folget hernach: Hingegen wann sie ge-
jaget und geschrecket werden, bleibt das
Böcklein allezeit zurücke. Die Rehe
halten sich nicht zusammen wie die Hir-
sche in einem Troupp, sondern paarwei-
se und theilen sich breiter aus, daß sie
mehr Nahrung haben. Sie können ü-
ber drey hundert Schritt Menschen und
Hunde wittern. Sie brunfften, wie
bereits oben gesaget, im Christ-Monat,
und jagt der Bock die Rücke so lange her-
umb, biß sie müde wird. Wann die
Rücke empfangen hat, trägt sie zwantzig
Wochen. Jn ihrer Fährd, so sie flüch-
tig ist, oder gejaget wird, machet sie viel
krumme Sprünge; Wenn ein Rehbock
erschrickt, springt er sehr hoch, daß es
auff die Erde putzet und schreyet zugleich
hefftig. Wann das Reh von einem
Wolff, Hunde oder Fuchß jähling er-
schrecket wird, daß es sich flüchtig salvi-
r
en will, sogleich aber und in continenti
confus
wird, so kommet es aus dem
Sprung, hüpffet hin und her, und wird
dahero leichte ergriffen: Ratio physica

ist,
N 3

Von denen wilden Thieren.
[Spaltenumbruch] Spuhr einer Bachen, wann ſie tragend
worden und ſchon umb die Helffte iſt,
kan man deſto leichter mercken und vor
gewiß tragend anſprechen, wenn die bey-
den Hinter-Laͤufft eine gute Qver-Hand
hinter denen Vordern zuruͤcke bleiben,
weit von einander ſind und zu beyden
Seiten auswaͤrts ſtehen. Wenn auch
viel Jungen im Leibe ſind, ſo ſie ſperren
und ſchwer machen, ſchleppen ſie offte ei-
nen Hinter-Laufft um den andern,
[Spaltenumbruch] welches mehr als zu gewiß iſt, wiewohl
auch hierinnen leicht zu fehlen, daher es
gar genau obſerviret werden muß. Die
Lohſung eines wilden Schweins, wann
es in der Feiſte und Maſtzeit, iſt ſchlei-
migt beyſammen und von ſtarckem Ge-
ruch, im Sommer von Fruͤchten als ein
Dann-Zapffen getrungen; der Bachen
Lohſung aber iſt kleckweiſe, jedennoch
auch unterſchiedlich.

Von dem Rehe.
[Spaltenumbruch]

Dieſes liebliche und anmuthige Thier-
lein, ob es wohl klein vom Leibe iſt, er-
ſetzet es doch ſolches umb deſto mehr, mit
der Guͤte ſeines zarten und wohlge-
ſchmackten Wildpraͤths. Es hat mit
ſeinen Gehoͤrngen, Natur, Eigenſchafft
und Spuhr oder Gefaͤhrd einige Gleich-
heit mit denen Hirſchen, doch wie gemel-
det, von kleinerer Art: Auch hat es der
Ziegen Eigenſchafft und iſt von geyler
Natur ſehr hitzig. Seine Brunfft waͤh-
ret im December ungefehr vierzehen Ta-
ge und hat der Rehebock nur eine Ruͤcke
bey ſich, auch bleiben Maͤnnlein und
Weiblein gerne beyſammen, biß die Zeit
koͤmmt, daß das Weiblein ſetzen ſoll.
Dann gehet die Ruͤcke ziemlich weit ſeit-
waͤrts, aus Furcht, daß der Bock die
Jungen umbbringen moͤchte. So lan-
ge, biß die kleinen ſelber freſſen koͤnnen,
erziehet ſie ſolche, alsdann begiebt ſie
ſich wieder zu ihrem Rehbock. Meiſten-
theils bringen ſie im Majo auf einmahl
zwey Jungen, ein Boͤcklein und ein
Ruͤcklein, die denn gemeiniglich beyſam-
men bleiben. Ein Reh-Kalb iſt auch
bundfleckigt, wie ein Hirſch oder Wild-
Kalb, nur daß es kleiner iſt, welches die
Alte ſauget und bey ſich behaͤlt, biß uͤbers
Jahr, hernach wechſeln ſie weiter. Der
Rehebock, wann er ein Jahr alt iſt, ſe-
tzet ſein Gehoͤrngen mit zwey Spitzen,
wie die Hirſche. Jm andern und drit-
ten Jahre vier Enden oder Gabeln, auch
wohl ſechs Enden, bey welcher Zahl er
verbleibet, wiewohl man Rehbocks-Ge-
hoͤrne von acht und mehr Enden ange-
troffen hat. Es wird aber ſolches nie-
mahls, wieviel es Enden habe, ange-
ſprochen, ſondern nur ein Gehoͤrn genen-
net. Sie werffen daſſelbige im Chriſt-
Monat und noch zeitlicher ab, ſetzen
auch balde wieder ihre Kolben auf, daß
ſie im Januario oder Februario ihr Ge-
[Spaltenumbruch] hoͤrn vollkommen haben. Doch werf-
fen die alten Boͤcke eher als die Jungen
ab, und ſetzen auch eher wieder auf. Jm
Fruͤhling und Sommer ſind ſie gerne in
denen jung aufgeſchoſſenen Hoͤltzern, wo
ſie nahe die Saat-Felder finden und des
Nachts ſich weiden koͤnnen. Jm Win-
ter aber verſtecken ſie ſich in tieffe Waͤl-
der, wo es Brunnquellen, gruͤne Kraͤu-
ter, Brombeer-Straͤucher, Werfften
und Bimſen giebt, da ſie die Knoſpen,
gruͤne Blaͤtter, und Schoͤßlinge, der neu
wachſenden Straͤucher abbeiſſen. Der
Bock hat einen ſtaͤrckern Fuß, rundere
Schaalen und einen voͤllern Ballen, als
das Weiblein, bey welchem alles ſpitzi-
ger. Der Bock tritt allezeit am erſten
aus dem Holtze umb zu kundſchafften,
ob keine Gefahr verhanden und die Ruͤ-
cke folget hernach: Hingegen wann ſie ge-
jaget und geſchrecket werden, bleibt das
Boͤcklein allezeit zuruͤcke. Die Rehe
halten ſich nicht zuſammen wie die Hir-
ſche in einem Troupp, ſondern paarwei-
ſe und theilen ſich breiter aus, daß ſie
mehr Nahrung haben. Sie koͤnnen uͤ-
ber drey hundert Schritt Menſchen und
Hunde wittern. Sie brunfften, wie
bereits oben geſaget, im Chriſt-Monat,
und jagt der Bock die Ruͤcke ſo lange her-
umb, biß ſie muͤde wird. Wann die
Ruͤcke empfangen hat, traͤgt ſie zwantzig
Wochen. Jn ihrer Faͤhrd, ſo ſie fluͤch-
tig iſt, oder gejaget wird, machet ſie viel
krumme Spruͤnge; Wenn ein Rehbock
erſchrickt, ſpringt er ſehr hoch, daß es
auff die Erde putzet und ſchreyet zugleich
hefftig. Wann das Reh von einem
Wolff, Hunde oder Fuchß jaͤhling er-
ſchrecket wird, daß es ſich fluͤchtig ſalvi-
r
en will, ſogleich aber und in continenti
confus
wird, ſo kommet es aus dem
Sprung, huͤpffet hin und her, und wird
dahero leichte ergriffen: Ratio phyſica

iſt,
N 3
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[101/0197] Von denen wilden Thieren. Spuhr einer Bachen, wann ſie tragend worden und ſchon umb die Helffte iſt, kan man deſto leichter mercken und vor gewiß tragend anſprechen, wenn die bey- den Hinter-Laͤufft eine gute Qver-Hand hinter denen Vordern zuruͤcke bleiben, weit von einander ſind und zu beyden Seiten auswaͤrts ſtehen. Wenn auch viel Jungen im Leibe ſind, ſo ſie ſperren und ſchwer machen, ſchleppen ſie offte ei- nen Hinter-Laufft um den andern, welches mehr als zu gewiß iſt, wiewohl auch hierinnen leicht zu fehlen, daher es gar genau obſerviret werden muß. Die Lohſung eines wilden Schweins, wann es in der Feiſte und Maſtzeit, iſt ſchlei- migt beyſammen und von ſtarckem Ge- ruch, im Sommer von Fruͤchten als ein Dann-Zapffen getrungen; der Bachen Lohſung aber iſt kleckweiſe, jedennoch auch unterſchiedlich. Von dem Rehe. Dieſes liebliche und anmuthige Thier- lein, ob es wohl klein vom Leibe iſt, er- ſetzet es doch ſolches umb deſto mehr, mit der Guͤte ſeines zarten und wohlge- ſchmackten Wildpraͤths. Es hat mit ſeinen Gehoͤrngen, Natur, Eigenſchafft und Spuhr oder Gefaͤhrd einige Gleich- heit mit denen Hirſchen, doch wie gemel- det, von kleinerer Art: Auch hat es der Ziegen Eigenſchafft und iſt von geyler Natur ſehr hitzig. Seine Brunfft waͤh- ret im December ungefehr vierzehen Ta- ge und hat der Rehebock nur eine Ruͤcke bey ſich, auch bleiben Maͤnnlein und Weiblein gerne beyſammen, biß die Zeit koͤmmt, daß das Weiblein ſetzen ſoll. Dann gehet die Ruͤcke ziemlich weit ſeit- waͤrts, aus Furcht, daß der Bock die Jungen umbbringen moͤchte. So lan- ge, biß die kleinen ſelber freſſen koͤnnen, erziehet ſie ſolche, alsdann begiebt ſie ſich wieder zu ihrem Rehbock. Meiſten- theils bringen ſie im Majo auf einmahl zwey Jungen, ein Boͤcklein und ein Ruͤcklein, die denn gemeiniglich beyſam- men bleiben. Ein Reh-Kalb iſt auch bundfleckigt, wie ein Hirſch oder Wild- Kalb, nur daß es kleiner iſt, welches die Alte ſauget und bey ſich behaͤlt, biß uͤbers Jahr, hernach wechſeln ſie weiter. Der Rehebock, wann er ein Jahr alt iſt, ſe- tzet ſein Gehoͤrngen mit zwey Spitzen, wie die Hirſche. Jm andern und drit- ten Jahre vier Enden oder Gabeln, auch wohl ſechs Enden, bey welcher Zahl er verbleibet, wiewohl man Rehbocks-Ge- hoͤrne von acht und mehr Enden ange- troffen hat. Es wird aber ſolches nie- mahls, wieviel es Enden habe, ange- ſprochen, ſondern nur ein Gehoͤrn genen- net. Sie werffen daſſelbige im Chriſt- Monat und noch zeitlicher ab, ſetzen auch balde wieder ihre Kolben auf, daß ſie im Januario oder Februario ihr Ge- hoͤrn vollkommen haben. Doch werf- fen die alten Boͤcke eher als die Jungen ab, und ſetzen auch eher wieder auf. Jm Fruͤhling und Sommer ſind ſie gerne in denen jung aufgeſchoſſenen Hoͤltzern, wo ſie nahe die Saat-Felder finden und des Nachts ſich weiden koͤnnen. Jm Win- ter aber verſtecken ſie ſich in tieffe Waͤl- der, wo es Brunnquellen, gruͤne Kraͤu- ter, Brombeer-Straͤucher, Werfften und Bimſen giebt, da ſie die Knoſpen, gruͤne Blaͤtter, und Schoͤßlinge, der neu wachſenden Straͤucher abbeiſſen. Der Bock hat einen ſtaͤrckern Fuß, rundere Schaalen und einen voͤllern Ballen, als das Weiblein, bey welchem alles ſpitzi- ger. Der Bock tritt allezeit am erſten aus dem Holtze umb zu kundſchafften, ob keine Gefahr verhanden und die Ruͤ- cke folget hernach: Hingegen wann ſie ge- jaget und geſchrecket werden, bleibt das Boͤcklein allezeit zuruͤcke. Die Rehe halten ſich nicht zuſammen wie die Hir- ſche in einem Troupp, ſondern paarwei- ſe und theilen ſich breiter aus, daß ſie mehr Nahrung haben. Sie koͤnnen uͤ- ber drey hundert Schritt Menſchen und Hunde wittern. Sie brunfften, wie bereits oben geſaget, im Chriſt-Monat, und jagt der Bock die Ruͤcke ſo lange her- umb, biß ſie muͤde wird. Wann die Ruͤcke empfangen hat, traͤgt ſie zwantzig Wochen. Jn ihrer Faͤhrd, ſo ſie fluͤch- tig iſt, oder gejaget wird, machet ſie viel krumme Spruͤnge; Wenn ein Rehbock erſchrickt, ſpringt er ſehr hoch, daß es auff die Erde putzet und ſchreyet zugleich hefftig. Wann das Reh von einem Wolff, Hunde oder Fuchß jaͤhling er- ſchrecket wird, daß es ſich fluͤchtig ſalvi- ren will, ſogleich aber und in continenti confus wird, ſo kommet es aus dem Sprung, huͤpffet hin und her, und wird dahero leichte ergriffen: Ratio phyſica iſt, N 3

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/197>, abgerufen am 26.11.2024.