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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

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Von denen wilden Thieren.
[Spaltenumbruch] fen und mit einer vernünfftigen Seele
begabet worden sind. Die Unvernünff-
tigen sind die Thiere, welche Gott dem
Menschen zu gut erschaffen und ihme un-
terwürffig gemacht hat. Solche sind nun
sowohl zahme, als wilde: Die Zahmen
sind, nachdem besagter maassen das Cli-
ma,
sowohl die frembden z. E. Camele,
Püffel und Maulthiere, als unsere ein-
heimische, nemlich Pferde, Ochsen, Kü-
he, Schaafe, Ziegen und dergleichen.
Derer wilden hingegen giebts eigentlich
dreyerley Arten, als die Fische im Was-
ser, die Thiere auf Erden und die Vö-
gel in der Lufft. Die Fische, weil solche
zu unserm Vorhaben nicht dienen, wer-
de hier billig übergehen; Von denen Vö-
geln des Himmels hingegen bin geson-
nen vom grösten biß zum kleinsten einen
absonderlichen Tractat zu schreiben. Was
aber die Thiere auff Erden betrifft, dar-
von wir uns vorgenommen haben zu
handeln, sind dieselben gar füglich in
drey Classen abzutheilen: zu derer ersten
die grimmig reissende wilde Thiere oder
Bestiae, als der Löwe, das Tiegerthier,
der Bär, der Auer-Ochs und dergleichen
zu rechnen; Dann kommen in der an-
dern Classe die edelen Thiere oder Ani-
malia,
als der Hirsch, das Schwein, die
Gemse, das Rehe, der Dachs, der Hase,
das Caninchen und dergleichen; Und in
der dritten sind die Raub-Thiere, oder
Raptores, als der Wolff, der Luchs, der
[Spaltenumbruch] Fuchs, das Marder, der Bieber, und
Otter, die Katz, das Jltniß, Eichhörn-
lein und dergleichen, von welchen allen
wir in diesem Tractat handeln und eines
jeglichen Natur und Eigenschafft, so viel
menschlicher Vernunfft gemäß, betrachten
wollen. Ob nun wohl zwar, dem Höch-
sten sey Danck, die in der ersten Classe ge-
dachte grimmig und reissende wilde Thie-
re, als Löwen und Tieger, in unsern
Ländern nicht, der Bär und Auer-
Ochs aber nur in Preussen oder Poh-
len zu finden; So werden sie doch al-
lerseits bey Hoher Landes-Herrschafft
Hoff- und Kampff-Jagen am meisten
aestimiret und hochgehalten, dahero wohl
auch rühmlich seyn solte, hiervon einige
Nachricht zu haben. Weiln nun der Lö-
we ein König aller wilden Thiere, sei-
ner Großmüthigkeit wegen, von allen
Physicis, Naturkündigern und Jägern
genennet und als das vornehmste Thier
in unserm Teutschland in besondern Lö-
wen-Häusern zu grosser Rarität von Vor-
nehmen Potentaten, mit grossen Unko-
sten unterhalten wird, wollen wir von
demselben, bey specialer Beschreibung de-
rer Thiere den Anfang machen, damit
auch hierbey kein Mangel seyn möge und
ein Löwen-Wärter hiervon Nachricht
nehmen könne, maassen diese Thiere
zum Hoff- und Kampff-Jagen gerechnet
werden.

Von dem Löwen.
[Spaltenumbruch]

Ob wohl dieses grimmig und reissen-
de fremde Thier hier in Teutschland in
unserm kalten Climate und denen nor-
dischen Ländern gar nicht anzutreffen,
weniger desselben Eigenschafft gründlich
zu erforschen; So kan doch nicht umb-
hin, desselben Natur, soviel mir bekant,
mit wenigem zu gedencken. Es wird
der Löwe wegen seiner edelmüthigen
Freudigkeit, tapffern Stärcke und Hertz-
hafftigkeit, auch unerschrockenem Ge-
müthe, der König aller wilden Thiere ge-
nannt, so billig auch den Vorzug dersel-
ben haben muß. Jhr rechtes Vaterland
ist eigentlich Asia, Africa, Persia, und der-
gleichen warme Länder, woselbst sie in
grossen Wildnissen und Einöden zu fin-
den, und ihre Nahrung vom Raub
der Camele, Maulthieren und Rind-
Vieh, auch von der Frucht des Palmen-
baums haben. Jhre Brunfft und strei-
[Spaltenumbruch] chen ist wie bey denen Hunden, und lauf-
fen ihrer viel einer Löwin nach, da es
denn darbey ohne grausamen blutigen
Streit nicht abgehet, biß der schwächere
dem stärckern Platz lassen und wei-
chen muß; Und weil in der grösten Hi-
tze der Sonnen der Löwe zur Brunfft
untüchtig, die Löwin aber sehr begierig
ist, so vermischt sich diese offt mit Thieren
von anderer Gattung. So er anfän-
get zornig zu werden, beginnet er den
langen Wedel gerade auffzurichten, wie
eine Katze, die man über den Rücken
streichet: Wann er aber die Erden oder
wohl gar seinen Rücken darmit schläget,
erbittert er sich durch Grimm: Sonst
wird er niemahls leicht zornig werden,
es sey denn, daß man Jhn eingesperret
Hunger leyden lässet, oder durch Zer-
chen, Näcken und Schläge verletzet und
beleydiget. Die Menschen, welche ihnen

in
L 2

Von denen wilden Thieren.
[Spaltenumbruch] fen und mit einer vernuͤnfftigen Seele
begabet worden ſind. Die Unvernuͤnff-
tigen ſind die Thiere, welche Gott dem
Menſchen zu gut erſchaffen und ihme un-
terwuͤrffig gemacht hat. Solche ſind nun
ſowohl zahme, als wilde: Die Zahmen
ſind, nachdem beſagter maaſſen das Cli-
ma,
ſowohl die frembden z. E. Camele,
Puͤffel und Maulthiere, als unſere ein-
heimiſche, nemlich Pferde, Ochſen, Kuͤ-
he, Schaafe, Ziegen und dergleichen.
Derer wilden hingegen giebts eigentlich
dreyerley Arten, als die Fiſche im Waſ-
ſer, die Thiere auf Erden und die Voͤ-
gel in der Lufft. Die Fiſche, weil ſolche
zu unſerm Vorhaben nicht dienen, wer-
de hier billig uͤbergehen; Von denen Voͤ-
geln des Himmels hingegen bin geſon-
nen vom groͤſten biß zum kleinſten einen
abſonderlichen Tractat zu ſchreiben. Was
aber die Thiere auff Erden betrifft, dar-
von wir uns vorgenommen haben zu
handeln, ſind dieſelben gar fuͤglich in
drey Claſſen abzutheilen: zu derer erſten
die grimmig reiſſende wilde Thiere oder
Beſtiæ, als der Loͤwe, das Tiegerthier,
der Baͤr, der Auer-Ochs und dergleichen
zu rechnen; Dann kommen in der an-
dern Claſſe die edelen Thiere oder Ani-
malia,
als der Hirſch, das Schwein, die
Gemſe, das Rehe, der Dachs, der Haſe,
das Caninchen und dergleichen; Und in
der dritten ſind die Raub-Thiere, oder
Raptores, als der Wolff, der Luchs, der
[Spaltenumbruch] Fuchs, das Marder, der Bieber, und
Otter, die Katz, das Jltniß, Eichhoͤrn-
lein und dergleichen, von welchen allen
wir in dieſem Tractat handeln und eines
jeglichen Natur und Eigenſchafft, ſo viel
menſchlicheꝛ Vernunfft gemaͤß, betrachten
wollen. Ob nun wohl zwar, dem Hoͤch-
ſten ſey Danck, die in der erſten Claſſe ge-
dachte grimmig und reiſſende wilde Thie-
re, als Loͤwen und Tieger, in unſern
Laͤndern nicht, der Baͤr und Auer-
Ochs aber nur in Preuſſen oder Poh-
len zu finden; So werden ſie doch al-
lerſeits bey Hoher Landes-Herrſchafft
Hoff- und Kampff-Jagen am meiſten
æſtimiret und hochgehalten, dahero wohl
auch ruͤhmlich ſeyn ſolte, hiervon einige
Nachricht zu haben. Weiln nun der Loͤ-
we ein Koͤnig aller wilden Thiere, ſei-
ner Großmuͤthigkeit wegen, von allen
Phyſicis, Naturkuͤndigern und Jaͤgern
genennet und als das vornehmſte Thier
in unſerm Teutſchland in beſondern Loͤ-
wen-Haͤuſern zu groſſer Raritaͤt von Vor-
nehmen Potentaten, mit groſſen Unko-
ſten unterhalten wird, wollen wir von
demſelben, bey ſpecialer Beſchreibung de-
rer Thiere den Anfang machen, damit
auch hierbey kein Mangel ſeyn moͤge und
ein Loͤwen-Waͤrter hiervon Nachricht
nehmen koͤnne, maaſſen dieſe Thiere
zum Hoff- und Kampff-Jagen gerechnet
werden.

Von dem Loͤwen.
[Spaltenumbruch]

Ob wohl dieſes grimmig und reiſſen-
de fremde Thier hier in Teutſchland in
unſerm kalten Climate und denen nor-
diſchen Laͤndern gar nicht anzutreffen,
weniger deſſelben Eigenſchafft gruͤndlich
zu erforſchen; So kan doch nicht umb-
hin, deſſelben Natur, ſoviel mir bekant,
mit wenigem zu gedencken. Es wird
der Loͤwe wegen ſeiner edelmuͤthigen
Freudigkeit, tapffern Staͤrcke und Hertz-
hafftigkeit, auch unerſchrockenem Ge-
muͤthe, der Koͤnig aller wilden Thiere ge-
nannt, ſo billig auch den Vorzug derſel-
ben haben muß. Jhr rechtes Vaterland
iſt eigentlich Aſia, Africa, Perſia, und der-
gleichen warme Laͤnder, woſelbſt ſie in
groſſen Wildniſſen und Einoͤden zu fin-
den, und ihre Nahrung vom Raub
der Camele, Maulthieren und Rind-
Vieh, auch von der Frucht des Palmen-
baums haben. Jhre Brunfft und ſtrei-
[Spaltenumbruch] chen iſt wie bey denen Hunden, und lauf-
fen ihrer viel einer Loͤwin nach, da es
denn darbey ohne grauſamen blutigen
Streit nicht abgehet, biß der ſchwaͤchere
dem ſtaͤrckern Platz laſſen und wei-
chen muß; Und weil in der groͤſten Hi-
tze der Sonnen der Loͤwe zur Brunfft
untuͤchtig, die Loͤwin aber ſehr begierig
iſt, ſo vermiſcht ſich dieſe offt mit Thieren
von anderer Gattung. So er anfaͤn-
get zornig zu werden, beginnet er den
langen Wedel gerade auffzurichten, wie
eine Katze, die man uͤber den Ruͤcken
ſtreichet: Wann er aber die Erden oder
wohl gar ſeinen Ruͤcken darmit ſchlaͤget,
erbittert er ſich durch Grimm: Sonſt
wird er niemahls leicht zornig werden,
es ſey denn, daß man Jhn eingeſperret
Hunger leyden laͤſſet, oder durch Zer-
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beleydiget. Die Menſchen, welche ihnen

in
L 2
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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/171>, abgerufen am 28.11.2024.