Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702.ihres Ertz-Hirten Christi JEsu. Diese Weyde aber / wie sie nirgends anzutreffen als in den geschriebenen Worten GOttes / so führete sie durch embsige Beybringunge des Lesens ihre anvertrauete Lämmer dazu an / daß sie hernach selbst auf solcher blumen-reichen Wiese ihre Weide finden kunten. Und wie vielhundert hat Sie nicht so weit in ihrem Christenthum gebracht / daß Sie der HERR ihr Hirte als würdige Gäste an seinem Tisch gehen / mit seinem Fleische speisen und mit seinem Blute träncken können. Wie viel sind noch wol unter dieser Versamlunge / wie viel in dieser wehrten Stadt / die dieser wehrten Schäfferinnen ewig nicht genug vor ihren treuen Unterricht dancken können. Ich gestehe gerne / GOTT muß der Seel. Frauen eine grosse Gedult verliehen haben; Es war schon ein Hartes / daß Er ihr einen lieben Mann / mit dem sie kaum 4. Jahre gelebet / durch den zeitlichen Tod entrissen / und ihr damit ihr halbes Hertz zerrissen; Ja noch ein härters / auch bald dazu ihren eintzigen Sohn sterben lassen; dieses überwand sie doch mit der grössesten Gelassenheit / und entschloß sich in dem einsamen Wittwen-Stand Zeit ihres Lebens zu verbleiben. Frommer GOtt! was für ein Unglück nenne ich nicht / wenn ich den Witwen-Stand nenne. Ist der nicht ein Cörper ohne Kopff? Ein verhaßter Dornstrauch / welcher seine Rosen verlohren? Ein umgefallener Baum / von welchem jeder Mensch sich unterstehet Späne zu hauen? und doch ertrug die Seelige dieses Unglück bey die 30. Jahr. Sie wolte hierin der bekanten Art der Turteltauben folgen / von der man schreibet / daß sie sich / wenn der Tauber todt / mit keinem andern gatte; Uni servo fidem, ihres Ertz-Hirten Christi JEsu. Diese Weyde aber / wie sie nirgends anzutreffen als in den geschriebenen Worten GOttes / so führete sie durch embsige Beybringunge des Lesens ihre anvertrauete Lämmer dazu an / daß sie hernach selbst auf solcher blumen-reichen Wiese ihre Weide finden kunten. Und wie vielhundert hat Sie nicht so weit in ihrem Christenthum gebracht / daß Sie der HERR ihr Hirte als würdige Gäste an seinem Tisch gehen / mit seinem Fleische speisen und mit seinem Blute träncken können. Wie viel sind noch wol unter dieser Versamlunge / wie viel in dieser wehrten Stadt / die dieser wehrten Schäfferinnen ewig nicht genug vor ihren treuen Unterricht dancken können. Ich gestehe gerne / GOTT muß der Seel. Frauen eine grosse Gedult verliehen haben; Es war schon ein Hartes / daß Er ihr einen lieben Mann / mit dem sie kaum 4. Jahre gelebet / durch den zeitlichen Tod entrissen / und ihr damit ihr halbes Hertz zerrissen; Ja noch ein härters / auch bald dazu ihren eintzigen Sohn sterben lassen; dieses überwand sie doch mit der grössesten Gelassenheit / und entschloß sich in dem einsamen Wittwen-Stand Zeit ihres Lebens zu verbleiben. Frommer GOtt! was für ein Unglück nenne ich nicht / wenn ich den Witwen-Stand nenne. Ist der nicht ein Cörper ohne Kopff? Ein verhaßter Dornstrauch / welcher seine Rosen verlohren? Ein umgefallener Baum / von welchem jeder Mensch sich unterstehet Späne zu hauen? und doch ertrug die Seelige dieses Unglück bey die 30. Jahr. Sie wolte hierin der bekanten Art der Turteltauben folgen / von der man schreibet / daß sie sich / wenn der Tauber todt / mit keinem andern gatte; Uni servo fidem, <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0050" n="44"/> ihres Ertz-Hirten Christi JEsu. Diese Weyde aber / wie sie nirgends anzutreffen als in den geschriebenen Worten GOttes / so führete sie durch embsige Beybringunge des Lesens ihre anvertrauete Lämmer dazu an / daß sie hernach selbst auf solcher blumen-reichen Wiese ihre Weide finden kunten. Und wie vielhundert hat Sie nicht so weit in ihrem Christenthum gebracht / daß Sie der HERR ihr Hirte als würdige Gäste an seinem Tisch gehen / mit seinem Fleische speisen und mit seinem Blute träncken können. Wie viel sind noch wol unter dieser Versamlunge / wie viel in dieser wehrten Stadt / die dieser wehrten Schäfferinnen ewig nicht genug vor ihren treuen Unterricht dancken können. Ich gestehe gerne / GOTT muß der Seel. Frauen eine grosse Gedult verliehen haben; Es war schon ein Hartes / daß Er ihr einen lieben Mann / mit dem sie kaum 4. Jahre gelebet / durch den zeitlichen Tod entrissen / und ihr damit ihr halbes Hertz zerrissen; Ja noch ein härters / auch bald dazu ihren eintzigen Sohn sterben lassen; dieses überwand sie doch mit der grössesten Gelassenheit / und entschloß sich in dem einsamen Wittwen-Stand Zeit ihres Lebens zu verbleiben. Frommer GOtt! was für ein Unglück nenne ich nicht / wenn ich den Witwen-Stand nenne. Ist der nicht ein Cörper ohne Kopff? Ein verhaßter Dornstrauch / welcher seine Rosen verlohren? Ein umgefallener Baum / von welchem jeder Mensch sich unterstehet Späne zu hauen? und doch ertrug die Seelige dieses Unglück bey die 30. Jahr. Sie wolte hierin der bekanten Art der Turteltauben folgen / von der man schreibet / daß sie sich / wenn der Tauber todt / mit keinem andern gatte; Uni servo fidem,</p> <l>Nur einer soll allein Mein Mann gewesen seyn.</l> </div> </body> </text> </TEI> [44/0050]
ihres Ertz-Hirten Christi JEsu. Diese Weyde aber / wie sie nirgends anzutreffen als in den geschriebenen Worten GOttes / so führete sie durch embsige Beybringunge des Lesens ihre anvertrauete Lämmer dazu an / daß sie hernach selbst auf solcher blumen-reichen Wiese ihre Weide finden kunten. Und wie vielhundert hat Sie nicht so weit in ihrem Christenthum gebracht / daß Sie der HERR ihr Hirte als würdige Gäste an seinem Tisch gehen / mit seinem Fleische speisen und mit seinem Blute träncken können. Wie viel sind noch wol unter dieser Versamlunge / wie viel in dieser wehrten Stadt / die dieser wehrten Schäfferinnen ewig nicht genug vor ihren treuen Unterricht dancken können. Ich gestehe gerne / GOTT muß der Seel. Frauen eine grosse Gedult verliehen haben; Es war schon ein Hartes / daß Er ihr einen lieben Mann / mit dem sie kaum 4. Jahre gelebet / durch den zeitlichen Tod entrissen / und ihr damit ihr halbes Hertz zerrissen; Ja noch ein härters / auch bald dazu ihren eintzigen Sohn sterben lassen; dieses überwand sie doch mit der grössesten Gelassenheit / und entschloß sich in dem einsamen Wittwen-Stand Zeit ihres Lebens zu verbleiben. Frommer GOtt! was für ein Unglück nenne ich nicht / wenn ich den Witwen-Stand nenne. Ist der nicht ein Cörper ohne Kopff? Ein verhaßter Dornstrauch / welcher seine Rosen verlohren? Ein umgefallener Baum / von welchem jeder Mensch sich unterstehet Späne zu hauen? und doch ertrug die Seelige dieses Unglück bey die 30. Jahr. Sie wolte hierin der bekanten Art der Turteltauben folgen / von der man schreibet / daß sie sich / wenn der Tauber todt / mit keinem andern gatte; Uni servo fidem,
Nur einer soll allein Mein Mann gewesen seyn.
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Zitationshilfe: | Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/50>, abgerufen am 16.07.2024. |