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Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702.

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tes Kind abgebrochen / was abgebrochen / gar ertödtet / was ertödtet / gar in die Erde verscharret worden / da es vermodern soll. Ja diß muß weh thun / weil dadurch ein Theil von Väterlichen und Mütterlichen Hertzen durch unverhofften Riß wird abgesondert; wehe thun / weil die gehoffte Belohnung der Väterlichen Aufsicht / und fleissige Vorsorge / weil die Ersetzung der mütterlichen Mühe und Gefahr dahin und die geschöpffte Hoffnung zu Grabe getragen ist; O trauriges Grab / Thränenwürdiger Verlust! Allein wenn man nun dasjenige / wozu das was menschlich an uns ist / ich meyne die ihr selbst gelassene Vernunfft uns leitet / beyseite setzet / und das / was übermenschlich / ich meyne unsern Glauben billig zu rahte ziehet / so wird kein Trauren mehr statt finden können; denn da wissen Sie daß der Tod dennoch seinen Willen nicht gehabt / sein Todten-Zettul ist geändert / und heist von seiner Todten-Zahl:

Salvo errore calculi; Was gilts die Zahl ist falsch / in Rechnen ist gefehlet / Es ist nicht alles todt / was hier wird todt gezehlet.

Das ist ja das wenigste von dem Sehl. Kinde / was wir jetzo der Erden anvertrauet ein Bißgen Erde; Das edelste und beste Theil ist die theure Seele / die lebt aber und kan nimmer auf den Todten-Zettul kommen; Nun heist es ja: A potiori fit denominatio, und ist Christoph Richard nicht todt / sondern lebet / er lebet im Himmel / da er nimmer sterben kan. Ja ich halte / daß es nicht ohngefehr geschehen / daß das Sehl. Kind nicht müssen auf dem Todten-Zettul gesetzet werden / um dadurch die Eltern desto gewisser zu machen / daß das Kind nicht todt sondern lebe. Diese Blume ist zwar in ihrer besten Blühte abgepflücket / aber JEsus Hand hat es gethan / doch was sage ich abgepflücket / nur ins Paradieß versetzet. O seeliger Wechsel! Hier mag statt finden was jener über eine

tes Kind abgebrochen / was abgebrochen / gar ertödtet / was ertödtet / gar in die Erde verscharret worden / da es vermodern soll. Ja diß muß weh thun / weil dadurch ein Theil von Väterlichen und Mütterlichen Hertzen durch unverhofften Riß wird abgesondert; wehe thun / weil die gehoffte Belohnung der Väterlichen Aufsicht / und fleissige Vorsorge / weil die Ersetzung der mütterlichen Mühe und Gefahr dahin und die geschöpffte Hoffnung zu Grabe getragen ist; O trauriges Grab / Thränenwürdiger Verlust! Allein wenn man nun dasjenige / wozu das was menschlich an uns ist / ich meyne die ihr selbst gelassene Vernunfft uns leitet / beyseite setzet / und das / was übermenschlich / ich meyne unsern Glauben billig zu rahte ziehet / so wird kein Trauren mehr statt finden können; denn da wissen Sie daß der Tod dennoch seinen Willen nicht gehabt / sein Todten-Zettul ist geändert / und heist von seiner Todten-Zahl:

Salvo errore calculi; Was gilts die Zahl ist falsch / in Rechnen ist gefehlet / Es ist nicht alles todt / was hier wird todt gezehlet.

Das ist ja das wenigste von dem Sehl. Kinde / was wir jetzo der Erden anvertrauet ein Bißgen Erde; Das edelste und beste Theil ist die theure Seele / die lebt aber und kan nimmer auf den Todten-Zettul kommen; Nun heist es ja: A potiori fit denominatio, und ist Christoph Richard nicht todt / sondern lebet / er lebet im Himmel / da er nimmer sterben kan. Ja ich halte / daß es nicht ohngefehr geschehen / daß das Sehl. Kind nicht müssen auf dem Todten-Zettul gesetzet werden / um dadurch die Eltern desto gewisser zu machen / daß das Kind nicht todt sondern lebe. Diese Blume ist zwar in ihrer besten Blühte abgepflücket / aber JEsus Hand hat es gethan / doch was sage ich abgepflücket / nur ins Paradieß versetzet. O seeliger Wechsel! Hier mag statt finden was jener über eine

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                     abgesondert; wehe thun / weil die gehoffte Belohnung der Väterlichen Aufsicht /
                     und fleissige Vorsorge / weil die Ersetzung der mütterlichen Mühe und Gefahr
                     dahin und die geschöpffte Hoffnung zu Grabe getragen ist; O trauriges Grab /
                     Thränenwürdiger Verlust! Allein wenn man nun dasjenige / wozu das was menschlich
                     an uns ist / ich meyne die ihr selbst gelassene Vernunfft uns leitet / beyseite
                     setzet / und das / was übermenschlich / ich meyne unsern Glauben billig zu rahte
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                     der Tod dennoch seinen Willen nicht gehabt / sein Todten-Zettul ist geändert /
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[110/0116] tes Kind abgebrochen / was abgebrochen / gar ertödtet / was ertödtet / gar in die Erde verscharret worden / da es vermodern soll. Ja diß muß weh thun / weil dadurch ein Theil von Väterlichen und Mütterlichen Hertzen durch unverhofften Riß wird abgesondert; wehe thun / weil die gehoffte Belohnung der Väterlichen Aufsicht / und fleissige Vorsorge / weil die Ersetzung der mütterlichen Mühe und Gefahr dahin und die geschöpffte Hoffnung zu Grabe getragen ist; O trauriges Grab / Thränenwürdiger Verlust! Allein wenn man nun dasjenige / wozu das was menschlich an uns ist / ich meyne die ihr selbst gelassene Vernunfft uns leitet / beyseite setzet / und das / was übermenschlich / ich meyne unsern Glauben billig zu rahte ziehet / so wird kein Trauren mehr statt finden können; denn da wissen Sie daß der Tod dennoch seinen Willen nicht gehabt / sein Todten-Zettul ist geändert / und heist von seiner Todten-Zahl: Salvo errore calculi; Was gilts die Zahl ist falsch / in Rechnen ist gefehlet / Es ist nicht alles todt / was hier wird todt gezehlet. Das ist ja das wenigste von dem Sehl. Kinde / was wir jetzo der Erden anvertrauet ein Bißgen Erde; Das edelste und beste Theil ist die theure Seele / die lebt aber und kan nimmer auf den Todten-Zettul kommen; Nun heist es ja: A potiori fit denominatio, und ist Christoph Richard nicht todt / sondern lebet / er lebet im Himmel / da er nimmer sterben kan. Ja ich halte / daß es nicht ohngefehr geschehen / daß das Sehl. Kind nicht müssen auf dem Todten-Zettul gesetzet werden / um dadurch die Eltern desto gewisser zu machen / daß das Kind nicht todt sondern lebe. Diese Blume ist zwar in ihrer besten Blühte abgepflücket / aber JEsus Hand hat es gethan / doch was sage ich abgepflücket / nur ins Paradieß versetzet. O seeliger Wechsel! Hier mag statt finden was jener über eine

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Zitationshilfe: Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/116>, abgerufen am 28.04.2024.