Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887.welcher sich in ihr verwirklicht, befreit sie unseren Geist Es mag dies denen nur als eine geringe aus der welcher ſich in ihr verwirklicht, befreit ſie unſeren Geiſt Es mag dies denen nur als eine geringe aus der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0186" n="174"/> welcher ſich in ihr verwirklicht, befreit ſie unſeren Geiſt<lb/> unwillkürlich von allen den bedingenden Rückſichten, unter<lb/> denen ſich uns das Bild des Lebens darſtellt, und erzeugt<lb/> in uns eine Klarheit des Wirklichkeitsbewußtſeins, in der<lb/> nichts anderes mehr lebt als die an keine Zeit gebundene,<lb/> keinem Zuſammenhange des Geſchehens unterworfene Ge¬<lb/> wißheit des Seins.</p><lb/> <p>Es mag dies denen nur als eine geringe aus der<lb/> Kunſt gewonnene Ausbeute erſcheinen, die das menſchliche<lb/> Leben unter dem Geſichtspunkt einer Geſammtarbeit be¬<lb/> trachten, in der ſich das einzelne individuelle Streben nur<lb/> als Glied in der großen Verkettung einer nach dem Geſetz<lb/> von Urſache und Wirkung ſich vollziehenden Entwickelung<lb/> darſtelle. Dieſe Anſicht wird jeder Erſcheinung nur einen<lb/> relativen Werth beilegen und ſich damit tröſten, daß der<lb/> unabſehbare Fortſchritt ſchließlich doch zu abſoluten Werthen<lb/> führen werde. Soviel auch dieſe Anſchauungsweiſe zum<lb/> Verſtändniß menſchlicher Vorgänge beitragen mag, ſo ver¬<lb/> mag ſie allein doch nicht, den Erſcheinungen des Lebens<lb/> gerecht zu werden; es tritt ihr eine andere Auffaſſung<lb/> gegenüber, die ſich zwar der Thatſache nicht verſchließt,<lb/> daß in dem Leben des menſchlichen Geſchlechts jener große<lb/> Zuſammenhang zu erkennen ſei, in dem jedes Einzelne nur<lb/> als Mitwirkendes auftrete, der es aber doch nicht entgeht,<lb/> daß es ganz unmöglich iſt, die Erſcheinungen ihrem ganzen<lb/> Umfange und ihrem vollen Weſen nach in jenen Zuſammen¬<lb/> hang einzuordnen. Kunſtwerke mögen mit manchen ihrer<lb/> Seiten und Eigenſchaften mitten in jener ununterbrochenen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [174/0186]
welcher ſich in ihr verwirklicht, befreit ſie unſeren Geiſt
unwillkürlich von allen den bedingenden Rückſichten, unter
denen ſich uns das Bild des Lebens darſtellt, und erzeugt
in uns eine Klarheit des Wirklichkeitsbewußtſeins, in der
nichts anderes mehr lebt als die an keine Zeit gebundene,
keinem Zuſammenhange des Geſchehens unterworfene Ge¬
wißheit des Seins.
Es mag dies denen nur als eine geringe aus der
Kunſt gewonnene Ausbeute erſcheinen, die das menſchliche
Leben unter dem Geſichtspunkt einer Geſammtarbeit be¬
trachten, in der ſich das einzelne individuelle Streben nur
als Glied in der großen Verkettung einer nach dem Geſetz
von Urſache und Wirkung ſich vollziehenden Entwickelung
darſtelle. Dieſe Anſicht wird jeder Erſcheinung nur einen
relativen Werth beilegen und ſich damit tröſten, daß der
unabſehbare Fortſchritt ſchließlich doch zu abſoluten Werthen
führen werde. Soviel auch dieſe Anſchauungsweiſe zum
Verſtändniß menſchlicher Vorgänge beitragen mag, ſo ver¬
mag ſie allein doch nicht, den Erſcheinungen des Lebens
gerecht zu werden; es tritt ihr eine andere Auffaſſung
gegenüber, die ſich zwar der Thatſache nicht verſchließt,
daß in dem Leben des menſchlichen Geſchlechts jener große
Zuſammenhang zu erkennen ſei, in dem jedes Einzelne nur
als Mitwirkendes auftrete, der es aber doch nicht entgeht,
daß es ganz unmöglich iſt, die Erſcheinungen ihrem ganzen
Umfange und ihrem vollen Weſen nach in jenen Zuſammen¬
hang einzuordnen. Kunſtwerke mögen mit manchen ihrer
Seiten und Eigenſchaften mitten in jener ununterbrochenen
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