scheint, vernichtet werden müßte, wenn es gelänge, die Menschen ausschließlich für jene reinste und höchste Wirkung der Kunst empfänglich zu machen. Kann man sich auf der einen Seite dieser Consequenz nicht ent¬ ziehen, und will man doch auf der anderen Seite das Vorhandensein einer allgemeinen Bedeutung der Kunst nicht dadurch ganz in Frage stellen, daß man in den¬ jenigen Bedeutungen, die ihr in dem Gesammtleben des Menschen beigelegt zu werden pflegen, doch nur Folgen eines mangelhaften oder falschen Verständnisses anerkennen muß: so scheint es unumgänglich, daß man nunmehr nach demjenigen allgemeinen Werth suche, welchen die Kunst auf Grund des ungetrübten Verständnisses ihres innersten Wesens zu erlangen bestimmt sei. Es scheint dies der nothwendige Abschluß jeder Untersuchung über die Be¬ deutung des künstlerischen Schaffens sein zu müssen. Und doch soll und kann hier diese schließliche Nutzanwendung nicht gezogen werden. Im Gegentheil gelangen wir hier am Ende unserer Untersuchungen zu der Einsicht, daß wir uns gerade deshalb, weil wir in uns die Trübungen zu ver¬ scheuchen gesucht haben, durch die uns der geheime Sinn der künstlerischen Thätigkeit verhüllt blieb, nun auch von dem Vorurtheil frei machen müssen, als ob wir den Werth dieser Thätigkeit in Wirkungen zu suchen hätten, die ganz anderen Gebieten des Daseins zu gute kämen. Wir lassen es dahin gestellt, wie weit man berechtigt ist, den Werth des gesammten Lebens abhängig zu machen von jenen idealen Mächten, in denen man die Bürgschaft einer
ſcheint, vernichtet werden müßte, wenn es gelänge, die Menſchen ausſchließlich für jene reinſte und höchſte Wirkung der Kunſt empfänglich zu machen. Kann man ſich auf der einen Seite dieſer Conſequenz nicht ent¬ ziehen, und will man doch auf der anderen Seite das Vorhandenſein einer allgemeinen Bedeutung der Kunſt nicht dadurch ganz in Frage ſtellen, daß man in den¬ jenigen Bedeutungen, die ihr in dem Geſammtleben des Menſchen beigelegt zu werden pflegen, doch nur Folgen eines mangelhaften oder falſchen Verſtändniſſes anerkennen muß: ſo ſcheint es unumgänglich, daß man nunmehr nach demjenigen allgemeinen Werth ſuche, welchen die Kunſt auf Grund des ungetrübten Verſtändniſſes ihres innerſten Weſens zu erlangen beſtimmt ſei. Es ſcheint dies der nothwendige Abſchluß jeder Unterſuchung über die Be¬ deutung des künſtleriſchen Schaffens ſein zu müſſen. Und doch ſoll und kann hier dieſe ſchließliche Nutzanwendung nicht gezogen werden. Im Gegentheil gelangen wir hier am Ende unſerer Unterſuchungen zu der Einſicht, daß wir uns gerade deshalb, weil wir in uns die Trübungen zu ver¬ ſcheuchen geſucht haben, durch die uns der geheime Sinn der künſtleriſchen Thätigkeit verhüllt blieb, nun auch von dem Vorurtheil frei machen müſſen, als ob wir den Werth dieſer Thätigkeit in Wirkungen zu ſuchen hätten, die ganz anderen Gebieten des Daſeins zu gute kämen. Wir laſſen es dahin geſtellt, wie weit man berechtigt iſt, den Werth des geſammten Lebens abhängig zu machen von jenen idealen Mächten, in denen man die Bürgſchaft einer
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0184"n="172"/>ſcheint, vernichtet werden müßte, wenn es gelänge, die<lb/>
Menſchen ausſchließlich für jene reinſte und höchſte<lb/>
Wirkung der Kunſt empfänglich zu machen. Kann man<lb/>ſich auf der einen Seite dieſer Conſequenz nicht ent¬<lb/>
ziehen, und will man doch auf der anderen Seite das<lb/>
Vorhandenſein einer allgemeinen Bedeutung der Kunſt<lb/>
nicht dadurch ganz in Frage ſtellen, daß man in den¬<lb/>
jenigen Bedeutungen, die ihr in dem Geſammtleben des<lb/>
Menſchen beigelegt zu werden pflegen, doch nur Folgen<lb/>
eines mangelhaften oder falſchen Verſtändniſſes anerkennen<lb/>
muß: ſo ſcheint es unumgänglich, daß man nunmehr nach<lb/>
demjenigen allgemeinen Werth ſuche, welchen die Kunſt<lb/>
auf Grund des ungetrübten Verſtändniſſes ihres innerſten<lb/>
Weſens zu erlangen beſtimmt ſei. Es ſcheint dies der<lb/>
nothwendige Abſchluß jeder Unterſuchung über die Be¬<lb/>
deutung des künſtleriſchen Schaffens ſein zu müſſen. Und<lb/>
doch ſoll und kann hier dieſe ſchließliche Nutzanwendung<lb/>
nicht gezogen werden. Im Gegentheil gelangen wir hier<lb/>
am Ende unſerer Unterſuchungen zu der Einſicht, daß wir<lb/>
uns gerade deshalb, weil wir in uns die Trübungen zu ver¬<lb/>ſcheuchen geſucht haben, durch die uns der geheime Sinn der<lb/>
künſtleriſchen Thätigkeit verhüllt blieb, nun auch von dem<lb/>
Vorurtheil frei machen müſſen, als ob wir den Werth<lb/>
dieſer Thätigkeit in Wirkungen zu ſuchen hätten, die ganz<lb/>
anderen Gebieten des Daſeins zu gute kämen. Wir<lb/>
laſſen es dahin geſtellt, wie weit man berechtigt iſt, den<lb/>
Werth des geſammten Lebens abhängig zu machen von<lb/>
jenen idealen Mächten, in denen man die Bürgſchaft einer<lb/></p></div></body></text></TEI>
[172/0184]
ſcheint, vernichtet werden müßte, wenn es gelänge, die
Menſchen ausſchließlich für jene reinſte und höchſte
Wirkung der Kunſt empfänglich zu machen. Kann man
ſich auf der einen Seite dieſer Conſequenz nicht ent¬
ziehen, und will man doch auf der anderen Seite das
Vorhandenſein einer allgemeinen Bedeutung der Kunſt
nicht dadurch ganz in Frage ſtellen, daß man in den¬
jenigen Bedeutungen, die ihr in dem Geſammtleben des
Menſchen beigelegt zu werden pflegen, doch nur Folgen
eines mangelhaften oder falſchen Verſtändniſſes anerkennen
muß: ſo ſcheint es unumgänglich, daß man nunmehr nach
demjenigen allgemeinen Werth ſuche, welchen die Kunſt
auf Grund des ungetrübten Verſtändniſſes ihres innerſten
Weſens zu erlangen beſtimmt ſei. Es ſcheint dies der
nothwendige Abſchluß jeder Unterſuchung über die Be¬
deutung des künſtleriſchen Schaffens ſein zu müſſen. Und
doch ſoll und kann hier dieſe ſchließliche Nutzanwendung
nicht gezogen werden. Im Gegentheil gelangen wir hier
am Ende unſerer Unterſuchungen zu der Einſicht, daß wir
uns gerade deshalb, weil wir in uns die Trübungen zu ver¬
ſcheuchen geſucht haben, durch die uns der geheime Sinn der
künſtleriſchen Thätigkeit verhüllt blieb, nun auch von dem
Vorurtheil frei machen müſſen, als ob wir den Werth
dieſer Thätigkeit in Wirkungen zu ſuchen hätten, die ganz
anderen Gebieten des Daſeins zu gute kämen. Wir
laſſen es dahin geſtellt, wie weit man berechtigt iſt, den
Werth des geſammten Lebens abhängig zu machen von
jenen idealen Mächten, in denen man die Bürgſchaft einer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/184>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.