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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887.

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die Erfahrung machen, daß über das anscheinend Kleinste,
das anscheinend Fernste hinaus unserer Gesichtswahr¬
nehmung ein noch Kleineres, ein noch Ferneres zugäng¬
lich wird. Mit ahnenden Schauern stehen wir vor dem
Anblick dieser Welten, hinter denen sich immer fernere
und fernere Welten zu verbergen scheinen, um vielleicht
dereinst einem helleren und vordringenderen Blick sich zu
enthüllen. Aber diese Unendlichkeit ist eine gedachte; sie
ist thatsächlich nicht für das Auge vorhanden, sondern für
den denkenden Verstand. Für das Auge giebt es streng
genommen keine Unendlichkeit; vielmehr sieht es sich immer
nur einer Endlichkeit gegenüber. Die Welt ist für dasselbe
vollständig zu Ende, wo es an die jeweiligen Grenzen
seiner Tragweite gelangt ist. So lange wir uns nur
sehend verhalten, kann uns die Welt nur endlich, niemals
unendlich erscheinen. Und dennoch giebt es eine Unendlich¬
keit, die nichts mit dem Gebiet des Denkens zu thun hat,
die sich lediglich als eine Unendlichkeit der sichtbaren Welt
offenbart. Vor dieser Unendlichkeit steht nur der Künstler
und wer ihm zu folgen vermag. Sie eröffnet sich nur da,
wo in der Wahrnehmung des Auges jenes Streben seinen
Ursprung nimmt, die empfangenen Vorstellungen zu immer
höherer Klarheit und Bestimmtheit emporzubilden. Hier
ist das Reich des Sichtbaren in der That ein unendliches,
weil es sich in einer Thätigkeit darstellt, für die es nur
ein immer sich erneuendes Streben, nicht aber eine zu
lösende Aufgabe, ein zu erreichendes Ziel giebt.


die Erfahrung machen, daß über das anſcheinend Kleinſte,
das anſcheinend Fernſte hinaus unſerer Geſichtswahr¬
nehmung ein noch Kleineres, ein noch Ferneres zugäng¬
lich wird. Mit ahnenden Schauern ſtehen wir vor dem
Anblick dieſer Welten, hinter denen ſich immer fernere
und fernere Welten zu verbergen ſcheinen, um vielleicht
dereinſt einem helleren und vordringenderen Blick ſich zu
enthüllen. Aber dieſe Unendlichkeit iſt eine gedachte; ſie
iſt thatſächlich nicht für das Auge vorhanden, ſondern für
den denkenden Verſtand. Für das Auge giebt es ſtreng
genommen keine Unendlichkeit; vielmehr ſieht es ſich immer
nur einer Endlichkeit gegenüber. Die Welt iſt für daſſelbe
vollſtändig zu Ende, wo es an die jeweiligen Grenzen
ſeiner Tragweite gelangt iſt. So lange wir uns nur
ſehend verhalten, kann uns die Welt nur endlich, niemals
unendlich erſcheinen. Und dennoch giebt es eine Unendlich¬
keit, die nichts mit dem Gebiet des Denkens zu thun hat,
die ſich lediglich als eine Unendlichkeit der ſichtbaren Welt
offenbart. Vor dieſer Unendlichkeit ſteht nur der Künſtler
und wer ihm zu folgen vermag. Sie eröffnet ſich nur da,
wo in der Wahrnehmung des Auges jenes Streben ſeinen
Urſprung nimmt, die empfangenen Vorſtellungen zu immer
höherer Klarheit und Beſtimmtheit emporzubilden. Hier
iſt das Reich des Sichtbaren in der That ein unendliches,
weil es ſich in einer Thätigkeit darſtellt, für die es nur
ein immer ſich erneuendes Streben, nicht aber eine zu
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[119/0131] die Erfahrung machen, daß über das anſcheinend Kleinſte, das anſcheinend Fernſte hinaus unſerer Geſichtswahr¬ nehmung ein noch Kleineres, ein noch Ferneres zugäng¬ lich wird. Mit ahnenden Schauern ſtehen wir vor dem Anblick dieſer Welten, hinter denen ſich immer fernere und fernere Welten zu verbergen ſcheinen, um vielleicht dereinſt einem helleren und vordringenderen Blick ſich zu enthüllen. Aber dieſe Unendlichkeit iſt eine gedachte; ſie iſt thatſächlich nicht für das Auge vorhanden, ſondern für den denkenden Verſtand. Für das Auge giebt es ſtreng genommen keine Unendlichkeit; vielmehr ſieht es ſich immer nur einer Endlichkeit gegenüber. Die Welt iſt für daſſelbe vollſtändig zu Ende, wo es an die jeweiligen Grenzen ſeiner Tragweite gelangt iſt. So lange wir uns nur ſehend verhalten, kann uns die Welt nur endlich, niemals unendlich erſcheinen. Und dennoch giebt es eine Unendlich¬ keit, die nichts mit dem Gebiet des Denkens zu thun hat, die ſich lediglich als eine Unendlichkeit der ſichtbaren Welt offenbart. Vor dieſer Unendlichkeit ſteht nur der Künſtler und wer ihm zu folgen vermag. Sie eröffnet ſich nur da, wo in der Wahrnehmung des Auges jenes Streben ſeinen Urſprung nimmt, die empfangenen Vorſtellungen zu immer höherer Klarheit und Beſtimmtheit emporzubilden. Hier iſt das Reich des Sichtbaren in der That ein unendliches, weil es ſich in einer Thätigkeit darſtellt, für die es nur ein immer ſich erneuendes Streben, nicht aber eine zu löſende Aufgabe, ein zu erreichendes Ziel giebt.

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Zitationshilfe: Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/131>, abgerufen am 23.11.2024.