Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887.pfänglichkeit für alle die Reize des Eigenthümlichen, An¬ pfänglichkeit für alle die Reize des Eigenthümlichen, An¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0108" n="96"/> pfänglichkeit für alle die Reize des Eigenthümlichen, An¬<lb/> muthigen, Schönen, die einem offenen Auge überall be¬<lb/> gegnen, bald zu einer ſentimentalen Annäherung an die<lb/> Natur, die in Gefühlserlebniſſen und Stimmungen aus¬<lb/> läuft. Beides hat mit dem künſtleriſchen Intereſſe an der<lb/> Natur noch nichts zu thun; keines von beiden führt über<lb/> die Natur hinaus. Jenes oberflächliche, in der Beobachtung<lb/> ſich erſchöpfende Bedürfniß thut ſich im Grunde an dem,<lb/> was ihm Natur und Leben bietet, Genüge, und vermag<lb/> der Kunſt gegenüber nicht über die kindiſche Freude an<lb/> der Wiederholung deſſen hinauszukommen, was ihm ſchon<lb/> bekannt iſt. Der Antheil, der an den Leiſtungen der Kunſt<lb/> genommen wird, läßt ſich in ſehr weitem Umfange auf<lb/> dieſes harmloſe Vergnügen zurückführen. Unſtreitig beruht<lb/> die Fähigkeit, die Anſchauung zu einem ſentimentalen Er¬<lb/> lebniß werden zu laſſen, auf reicheren und tieferen Seiten<lb/> der menſchlichen Natur. Hier trifft die Gewohnheit, ſich<lb/> in das Anſchauen der Natur zu verſenken, zuſammen mit<lb/> einer leichten Erregbarkeit des Gemüths und mit der<lb/> hohen Gabe, die Schranke gleichſam niederzureißen, die<lb/> den Einzelnen von allem trennt, was ein Gegenſtand<lb/> ſeiner Wahrnehmung iſt. In beſonders geſteigerten Augen¬<lb/> blicken tritt ein Gefühl der Naturnähe ein, durch welches<lb/> wir in die allerinnigſte Beziehung zu der ganzen Herrlich¬<lb/> keit der ſichtbaren Welt zu treten meinen. Mit einer<lb/> wunderbaren Klarheit des Schauens vereinigt ſich das Ge¬<lb/> fühl, einem Unendlichen, Unergründlichen gegenüberzuſtehen,<lb/> ſelbſt dieſem Unendlichen, Unergründlichen anzugehören.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [96/0108]
pfänglichkeit für alle die Reize des Eigenthümlichen, An¬
muthigen, Schönen, die einem offenen Auge überall be¬
gegnen, bald zu einer ſentimentalen Annäherung an die
Natur, die in Gefühlserlebniſſen und Stimmungen aus¬
läuft. Beides hat mit dem künſtleriſchen Intereſſe an der
Natur noch nichts zu thun; keines von beiden führt über
die Natur hinaus. Jenes oberflächliche, in der Beobachtung
ſich erſchöpfende Bedürfniß thut ſich im Grunde an dem,
was ihm Natur und Leben bietet, Genüge, und vermag
der Kunſt gegenüber nicht über die kindiſche Freude an
der Wiederholung deſſen hinauszukommen, was ihm ſchon
bekannt iſt. Der Antheil, der an den Leiſtungen der Kunſt
genommen wird, läßt ſich in ſehr weitem Umfange auf
dieſes harmloſe Vergnügen zurückführen. Unſtreitig beruht
die Fähigkeit, die Anſchauung zu einem ſentimentalen Er¬
lebniß werden zu laſſen, auf reicheren und tieferen Seiten
der menſchlichen Natur. Hier trifft die Gewohnheit, ſich
in das Anſchauen der Natur zu verſenken, zuſammen mit
einer leichten Erregbarkeit des Gemüths und mit der
hohen Gabe, die Schranke gleichſam niederzureißen, die
den Einzelnen von allem trennt, was ein Gegenſtand
ſeiner Wahrnehmung iſt. In beſonders geſteigerten Augen¬
blicken tritt ein Gefühl der Naturnähe ein, durch welches
wir in die allerinnigſte Beziehung zu der ganzen Herrlich¬
keit der ſichtbaren Welt zu treten meinen. Mit einer
wunderbaren Klarheit des Schauens vereinigt ſich das Ge¬
fühl, einem Unendlichen, Unergründlichen gegenüberzuſtehen,
ſelbſt dieſem Unendlichen, Unergründlichen anzugehören.
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