schon längst wo anders den gründlichen Be¬ scheid erhalten, daß diese sokratischen Räson¬ nements gleichfals nur mechanisch auswendig gelernt werden, und daß dies ein um so ge¬ fährlicheres Auswendiglernen ist, da es dem Zöglinge, der nicht denkt, dennoch den Schein giebt, daß er denken könne; daß dies bei dem Stoffe, den sie zur Entwickelung des Selbstdenkens anwenden wollte, nicht an¬ ders erfolgen konnte, und daß man für die¬ sen Zweck mit einem ganz andern Stoffe an¬ heben müsse. Aus dieser Beschaffenheit des bisherigen Unterrichts erhellet, theils warum in der Regel der Zögling bisher ungern, und darum langsam und spärlich lernte, und in Ermangelung des Reizes aus dem Lernen selber, fremdartige Antriebe untergelegt wer¬ den mußten, theils geht daraus hervor der Grund von bisherigen Ausnahmen von der Regel. Das Gedächtniß, wenn es allein, und ohne irgend einem andern geistigen Zwecke dienen zu sollen, in Anspruch genommen wird, ist vielmehr ein Leiden des Gemüths, als eine Thätigkeit desselben, und es läßt sich ein¬ sehen, daß der Zögling dieses Leiden höchst
ſchon laͤngſt wo anders den gruͤndlichen Be¬ ſcheid erhalten, daß dieſe ſokratiſchen Raͤſon¬ nements gleichfals nur mechaniſch auswendig gelernt werden, und daß dies ein um ſo ge¬ faͤhrlicheres Auswendiglernen iſt, da es dem Zoͤglinge, der nicht denkt, dennoch den Schein giebt, daß er denken koͤnne; daß dies bei dem Stoffe, den ſie zur Entwickelung des Selbſtdenkens anwenden wollte, nicht an¬ ders erfolgen konnte, und daß man fuͤr die¬ ſen Zweck mit einem ganz andern Stoffe an¬ heben muͤſſe. Aus dieſer Beſchaffenheit des bisherigen Unterrichts erhellet, theils warum in der Regel der Zoͤgling bisher ungern, und darum langſam und ſpaͤrlich lernte, und in Ermangelung des Reizes aus dem Lernen ſelber, fremdartige Antriebe untergelegt wer¬ den mußten, theils geht daraus hervor der Grund von bisherigen Ausnahmen von der Regel. Das Gedaͤchtniß, wenn es allein, und ohne irgend einem andern geiſtigen Zwecke dienen zu ſollen, in Anſpruch genommen wird, iſt vielmehr ein Leiden des Gemuͤths, als eine Thaͤtigkeit deſſelben, und es laͤßt ſich ein¬ ſehen, daß der Zoͤgling dieſes Leiden hoͤchſt
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ſchon laͤngſt wo anders den gruͤndlichen Be¬
ſcheid erhalten, daß dieſe ſokratiſchen Raͤſon¬
nements gleichfals nur mechaniſch auswendig
gelernt werden, und daß dies ein um ſo ge¬
faͤhrlicheres Auswendiglernen iſt, da es dem
Zoͤglinge, der nicht denkt, dennoch den Schein
giebt, daß er denken koͤnne; daß dies bei
dem Stoffe, den ſie zur Entwickelung des
Selbſtdenkens anwenden wollte, nicht an¬
ders erfolgen konnte, und daß man fuͤr die¬
ſen Zweck mit einem ganz andern Stoffe an¬
heben muͤſſe. Aus dieſer Beſchaffenheit des
bisherigen Unterrichts erhellet, theils warum
in der Regel der Zoͤgling bisher ungern, und
darum langſam und ſpaͤrlich lernte, und in
Ermangelung des Reizes aus dem Lernen
ſelber, fremdartige Antriebe untergelegt wer¬
den mußten, theils geht daraus hervor der
Grund von bisherigen Ausnahmen von der
Regel. Das Gedaͤchtniß, wenn es allein,
und ohne irgend einem andern geiſtigen Zwecke
dienen zu ſollen, in Anſpruch genommen wird,
iſt vielmehr ein Leiden des Gemuͤths, als
eine Thaͤtigkeit deſſelben, und es laͤßt ſich ein¬
ſehen, daß der Zoͤgling dieſes Leiden hoͤchſt
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/74>, abgerufen am 24.11.2024.
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