weder vermöge, noch wolle oder begehre, und daß sie dies überhaupt für unmöglich halte. Dagegen würde die neue Erziehung gerade darin bestehen müssen, daß sie auf dem Bo¬ den, dessen Bearbeitung sie übernähme, die Freiheit des Willens gänzlich vernichtete, und dagegen strenge Nothwendigkeit der Entschlies¬ sungen, und die Unmöglichkeit des entgegen¬ gesezten in dem Willen hervorbrächte, auf welchen Willen man nunmehro sicher rechnen und auf ihn sich verlassen könnte.
Alle Bildung strebt an die Hervorbrin¬ gung eines festen bestimmten und beharrli¬ chen Seyns, das nun nicht mehr wird, son¬ dern ist, und nicht anders seyn kann, denn so wie es ist. Strebte sie nicht an ein sol¬ ches Seyn, so wäre sie nicht Bildung, son¬ dern irgend ein zweckloses Spiel; hätte sie ein solches Seyn nicht hervorgebracht, so wäre sie eben noch nicht vollendet. Wer sich noch ermahnen muß, und ermahnt werden, das Gute zu wollen, der hat noch kein bestimm¬ tes, und stets bereit stehendes Wollen, son¬ dern er will sich dieses erst jedesmal im Falle des Gebrauches machen; wer ein solches festes
weder vermoͤge, noch wolle oder begehre, und daß ſie dies uͤberhaupt fuͤr unmoͤglich halte. Dagegen wuͤrde die neue Erziehung gerade darin beſtehen muͤſſen, daß ſie auf dem Bo¬ den, deſſen Bearbeitung ſie uͤbernaͤhme, die Freiheit des Willens gaͤnzlich vernichtete, und dagegen ſtrenge Nothwendigkeit der Entſchlieſ¬ ſungen, und die Unmoͤglichkeit des entgegen¬ geſezten in dem Willen hervorbraͤchte, auf welchen Willen man nunmehro ſicher rechnen und auf ihn ſich verlaſſen koͤnnte.
Alle Bildung ſtrebt an die Hervorbrin¬ gung eines feſten beſtimmten und beharrli¬ chen Seyns, das nun nicht mehr wird, ſon¬ dern iſt, und nicht anders ſeyn kann, denn ſo wie es iſt. Strebte ſie nicht an ein ſol¬ ches Seyn, ſo waͤre ſie nicht Bildung, ſon¬ dern irgend ein zweckloſes Spiel; haͤtte ſie ein ſolches Seyn nicht hervorgebracht, ſo waͤre ſie eben noch nicht vollendet. Wer ſich noch ermahnen muß, und ermahnt werden, das Gute zu wollen, der hat noch kein beſtimm¬ tes, und ſtets bereit ſtehendes Wollen, ſon¬ dern er will ſich dieſes erſt jedesmal im Falle des Gebrauches machen; wer ein ſolches feſtes
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weder vermoͤge, noch wolle oder begehre, und
daß ſie dies uͤberhaupt fuͤr unmoͤglich halte.
Dagegen wuͤrde die neue Erziehung gerade
darin beſtehen muͤſſen, daß ſie auf dem Bo¬
den, deſſen Bearbeitung ſie uͤbernaͤhme, die
Freiheit des Willens gaͤnzlich vernichtete, und
dagegen ſtrenge Nothwendigkeit der Entſchlieſ¬
ſungen, und die Unmoͤglichkeit des entgegen¬
geſezten in dem Willen hervorbraͤchte, auf
welchen Willen man nunmehro ſicher rechnen
und auf ihn ſich verlaſſen koͤnnte.
Alle Bildung ſtrebt an die Hervorbrin¬
gung eines feſten beſtimmten und beharrli¬
chen Seyns, das nun nicht mehr wird, ſon¬
dern iſt, und nicht anders ſeyn kann, denn
ſo wie es iſt. Strebte ſie nicht an ein ſol¬
ches Seyn, ſo waͤre ſie nicht Bildung, ſon¬
dern irgend ein zweckloſes Spiel; haͤtte ſie
ein ſolches Seyn nicht hervorgebracht, ſo waͤre
ſie eben noch nicht vollendet. Wer ſich noch
ermahnen muß, und ermahnt werden, das
Gute zu wollen, der hat noch kein beſtimm¬
tes, und ſtets bereit ſtehendes Wollen, ſon¬
dern er will ſich dieſes erſt jedesmal im Falle
des Gebrauches machen; wer ein ſolches feſtes
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/58>, abgerufen am 24.11.2024.
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