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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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die Kette nicht abreiße: machet, daß auch wir
uns eurer rühmen können, und durch euch, als
untadeliches Mittelglied hindurch, uns anschlies¬
sen an dieselbe glorreiche Reihe. Veranlasset
nicht, daß wir uns der Abkunft von euch schä¬
men müssen, als einer niedern, barbarischen,
sklavischen, daß wir unsre Abstammung verber¬
gen, oder einen fremden Namen, und eine
fremde Abkunft erlügen müssen, um nicht sogleich,
ohne weitere Prüfung, weggeworfen und zertre¬
ten zu werden. Wie das nächste Geschlecht, das
von euch ausgehen wird, seyn wird, also wird
euer Andenken ausfallen in der Geschichte;
ehrenvoll, wenn dieses ehrenvoll für euch zeugt:
sogar über die Gebühr schmählich, wenn ihr
keine laute Nachkommenschaft habt, und der
Sieger eure Geschichte macht. Noch niemals
hat ein Sieger Neigung, oder Kunde genug
gehabt, um die Ueberwundenen gerecht zu be¬
urtheilen. Je mehr er sie herabwürdigt, desto
gerechter steht er selbst da. Wer kann wissen,
welche Grosthaten, welche trefliche Einrichtun¬
gen, welche edle Sitten, manches Volkes der

die Kette nicht abreiße: machet, daß auch wir
uns eurer ruͤhmen koͤnnen, und durch euch, als
untadeliches Mittelglied hindurch, uns anſchlieſ¬
ſen an dieſelbe glorreiche Reihe. Veranlaſſet
nicht, daß wir uns der Abkunft von euch ſchaͤ¬
men muͤſſen, als einer niedern, barbariſchen,
ſklaviſchen, daß wir unſre Abſtammung verber¬
gen, oder einen fremden Namen, und eine
fremde Abkunft erluͤgen muͤſſen, um nicht ſogleich,
ohne weitere Pruͤfung, weggeworfen und zertre¬
ten zu werden. Wie das naͤchſte Geſchlecht, das
von euch ausgehen wird, ſeyn wird, alſo wird
euer Andenken ausfallen in der Geſchichte;
ehrenvoll, wenn dieſes ehrenvoll fuͤr euch zeugt:
ſogar uͤber die Gebuͤhr ſchmaͤhlich, wenn ihr
keine laute Nachkommenſchaft habt, und der
Sieger eure Geſchichte macht. Noch niemals
hat ein Sieger Neigung, oder Kunde genug
gehabt, um die Ueberwundenen gerecht zu be¬
urtheilen. Je mehr er ſie herabwuͤrdigt, deſto
gerechter ſteht er ſelbſt da. Wer kann wiſſen,
welche Grosthaten, welche trefliche Einrichtun¬
gen, welche edle Sitten, manches Volkes der

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[485/0491] die Kette nicht abreiße: machet, daß auch wir uns eurer ruͤhmen koͤnnen, und durch euch, als untadeliches Mittelglied hindurch, uns anſchlieſ¬ ſen an dieſelbe glorreiche Reihe. Veranlaſſet nicht, daß wir uns der Abkunft von euch ſchaͤ¬ men muͤſſen, als einer niedern, barbariſchen, ſklaviſchen, daß wir unſre Abſtammung verber¬ gen, oder einen fremden Namen, und eine fremde Abkunft erluͤgen muͤſſen, um nicht ſogleich, ohne weitere Pruͤfung, weggeworfen und zertre¬ ten zu werden. Wie das naͤchſte Geſchlecht, das von euch ausgehen wird, ſeyn wird, alſo wird euer Andenken ausfallen in der Geſchichte; ehrenvoll, wenn dieſes ehrenvoll fuͤr euch zeugt: ſogar uͤber die Gebuͤhr ſchmaͤhlich, wenn ihr keine laute Nachkommenſchaft habt, und der Sieger eure Geſchichte macht. Noch niemals hat ein Sieger Neigung, oder Kunde genug gehabt, um die Ueberwundenen gerecht zu be¬ urtheilen. Je mehr er ſie herabwuͤrdigt, deſto gerechter ſteht er ſelbſt da. Wer kann wiſſen, welche Grosthaten, welche trefliche Einrichtun¬ gen, welche edle Sitten, manches Volkes der

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/491>, abgerufen am 23.11.2024.