also hart von euch geredet haben. Wie viel besser hätten sie es sodann mit euch gemeint, als diejenigen, die euch schmeicheln, damit ihr erhalten werdet in der trägen Ruhe, und in der nichts achtenden Gedankenlosigkeit!
So schwach und so kraftlos ihr auch immer seyn möget, man hat in dieser Zeit euch die klare und ruhige Besinnung so leicht gemacht, als sie vorher niemals war. Das, was eigent¬ lich in die Verworrenheit über unsre Lage, in unsre Gedankenlosigkeit, in unser blindes Gehenlassen, uns stürzte, wir die süße Selbst¬ zufriedenheit mit uns, und unsrer Weise da zu seyn. Es war bisher gegangen, und ging eben so fort; wer uns zum Nachdenken auffor¬ derte, dem zeigten wir, statt einer andern Widerlegung, triumphirend unser Daseyn und Fortbestehen, das sich ohne alles unser Nach¬ denken ergab. Es ging aber nur darum, weil wir nicht auf die Probe gestellt wurden. Wir sind seitdem durch sie hindurch gegangen. Seit dieser Zeit sollten doch wohl die Täuschungen, die Blendwerke, der falsche Trost, durch die wir alle uns gegenseitig verwirrten, zusam¬
alſo hart von euch geredet haben. Wie viel beſſer haͤtten ſie es ſodann mit euch gemeint, als diejenigen, die euch ſchmeicheln, damit ihr erhalten werdet in der traͤgen Ruhe, und in der nichts achtenden Gedankenloſigkeit!
So ſchwach und ſo kraftlos ihr auch immer ſeyn moͤget, man hat in dieſer Zeit euch die klare und ruhige Beſinnung ſo leicht gemacht, als ſie vorher niemals war. Das, was eigent¬ lich in die Verworrenheit uͤber unſre Lage, in unſre Gedankenloſigkeit, in unſer blindes Gehenlaſſen, uns ſtuͤrzte, wir die ſuͤße Selbſt¬ zufriedenheit mit uns, und unſrer Weiſe da zu ſeyn. Es war bisher gegangen, und ging eben ſo fort; wer uns zum Nachdenken auffor¬ derte, dem zeigten wir, ſtatt einer andern Widerlegung, triumphirend unſer Daſeyn und Fortbeſtehen, das ſich ohne alles unſer Nach¬ denken ergab. Es ging aber nur darum, weil wir nicht auf die Probe geſtellt wurden. Wir ſind ſeitdem durch ſie hindurch gegangen. Seit dieſer Zeit ſollten doch wohl die Taͤuſchungen, die Blendwerke, der falſche Troſt, durch die wir alle uns gegenſeitig verwirrten, zuſam¬
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alſo hart von euch geredet haben. Wie viel
beſſer haͤtten ſie es ſodann mit euch gemeint,
als diejenigen, die euch ſchmeicheln, damit ihr
erhalten werdet in der traͤgen Ruhe, und in
der nichts achtenden Gedankenloſigkeit!
So ſchwach und ſo kraftlos ihr auch immer
ſeyn moͤget, man hat in dieſer Zeit euch die
klare und ruhige Beſinnung ſo leicht gemacht,
als ſie vorher niemals war. Das, was eigent¬
lich in die Verworrenheit uͤber unſre Lage, in
unſre Gedankenloſigkeit, in unſer blindes
Gehenlaſſen, uns ſtuͤrzte, wir die ſuͤße Selbſt¬
zufriedenheit mit uns, und unſrer Weiſe da zu
ſeyn. Es war bisher gegangen, und ging
eben ſo fort; wer uns zum Nachdenken auffor¬
derte, dem zeigten wir, ſtatt einer andern
Widerlegung, triumphirend unſer Daſeyn und
Fortbeſtehen, das ſich ohne alles unſer Nach¬
denken ergab. Es ging aber nur darum, weil
wir nicht auf die Probe geſtellt wurden. Wir
ſind ſeitdem durch ſie hindurch gegangen. Seit
dieſer Zeit ſollten doch wohl die Taͤuſchungen,
die Blendwerke, der falſche Troſt, durch die
wir alle uns gegenſeitig verwirrten, zuſam¬
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/464>, abgerufen am 24.11.2024.
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