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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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benheiten zu erklären; und dies ist eine Schuld,
von der keiner ohne tiefe Selbstprüfung sich
ganz lossprechen sollte; da zumal, wo in der
ganzen Masse sich ein sehr hohes Maaß von
Kraft der Trägheit befindet, dem Einzelnen,
der da durchdringen sollte, ein sehr hoher Grad
von Kraft der Thätigkeit beiwohnen müßte.
Werden daher auch die Fehler der Einzelnen
noch so scharf ausgezeichnet, so ist dadurch der
Grund des Uebels noch keinesweges entdekt,
noch wird er dadurch, daß diese Fehler in der
Zukunft vermieden werden, gehoben. Blei¬
ben die Menschen fehlerhaft, so können sie nicht
anders, denn Fehler machen, und wenn sie
auch die ihrer Vorgänger fliehen, so werden in
dem unendlichen Raume der Fehlerhaftigkeit
gar leicht sich neue finden. Nur eine gänzliche
Umschaffung, nur das Beginnen eines ganz
neuen Geistes, kann uns helfen. Werden sie
auf desselben Entwiklung mit hinarbeiten, dann
wollen wir ihnen neben dem Ruhme des guten
Willens auch noch den des rechten und heil¬
bringenden Verstandes gern zugestehen.

benheiten zu erklaͤren; und dies iſt eine Schuld,
von der keiner ohne tiefe Selbſtpruͤfung ſich
ganz losſprechen ſollte; da zumal, wo in der
ganzen Maſſe ſich ein ſehr hohes Maaß von
Kraft der Traͤgheit befindet, dem Einzelnen,
der da durchdringen ſollte, ein ſehr hoher Grad
von Kraft der Thaͤtigkeit beiwohnen muͤßte.
Werden daher auch die Fehler der Einzelnen
noch ſo ſcharf ausgezeichnet, ſo iſt dadurch der
Grund des Uebels noch keinesweges entdekt,
noch wird er dadurch, daß dieſe Fehler in der
Zukunft vermieden werden, gehoben. Blei¬
ben die Menſchen fehlerhaft, ſo koͤnnen ſie nicht
anders, denn Fehler machen, und wenn ſie
auch die ihrer Vorgaͤnger fliehen, ſo werden in
dem unendlichen Raume der Fehlerhaftigkeit
gar leicht ſich neue finden. Nur eine gaͤnzliche
Umſchaffung, nur das Beginnen eines ganz
neuen Geiſtes, kann uns helfen. Werden ſie
auf deſſelben Entwiklung mit hinarbeiten, dann
wollen wir ihnen neben dem Ruhme des guten
Willens auch noch den des rechten und heil¬
bringenden Verſtandes gern zugeſtehen.

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[441/0447] benheiten zu erklaͤren; und dies iſt eine Schuld, von der keiner ohne tiefe Selbſtpruͤfung ſich ganz losſprechen ſollte; da zumal, wo in der ganzen Maſſe ſich ein ſehr hohes Maaß von Kraft der Traͤgheit befindet, dem Einzelnen, der da durchdringen ſollte, ein ſehr hoher Grad von Kraft der Thaͤtigkeit beiwohnen muͤßte. Werden daher auch die Fehler der Einzelnen noch ſo ſcharf ausgezeichnet, ſo iſt dadurch der Grund des Uebels noch keinesweges entdekt, noch wird er dadurch, daß dieſe Fehler in der Zukunft vermieden werden, gehoben. Blei¬ ben die Menſchen fehlerhaft, ſo koͤnnen ſie nicht anders, denn Fehler machen, und wenn ſie auch die ihrer Vorgaͤnger fliehen, ſo werden in dem unendlichen Raume der Fehlerhaftigkeit gar leicht ſich neue finden. Nur eine gaͤnzliche Umſchaffung, nur das Beginnen eines ganz neuen Geiſtes, kann uns helfen. Werden ſie auf deſſelben Entwiklung mit hinarbeiten, dann wollen wir ihnen neben dem Ruhme des guten Willens auch noch den des rechten und heil¬ bringenden Verſtandes gern zugeſtehen.

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/447>, abgerufen am 22.11.2024.