Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

vorhandenen Seyn anzufassen; sie wollen nur
alles Bestehende vernichten, und außer sich al¬
lenthalben eine leere Stätte hervorbringen, in
der sie nur immer die eigne Gestalt wiederholen
können; selbst ihr anfängliches scheinbares Hin¬
eingehen in fremde Sitte, ist nur die gutmü¬
thige Herablassung des Erziehers zum jezt noch
schwachen, aber gute Hofnung gebenden Lehr¬
linge; selbst die Gestalten der vollendeten Vor¬
welt gefallen ihnen nicht, bis sie dieselben in
ihr Gewand gehüllt haben, und sie würden,
wenn sie könnten, dieselben aus den Gräbern
aufwecken, um sie nach ihrer Weise zu erziehen.
Fern zwar bleibe von mir die Vermessenheit,
irgend eine vorhandene Nation im Ganzen und
ohne Ausnahme, jener Beschränktheit zu be¬
schuldigen. Laßt uns vielmehr annehmen, daß
auch hier diejenigen, die sich nicht äußern, die
bessern sind. Soll man aber die, die unter uns
erschienen sind, und sich geäußert haben, nach
diesen ihren Aeußerungen beurtheilen, so scheint
zu folgen, daß sie in die geschilderte Klasse zu
setzen sind. Eine solche Aeußerung scheint eines
Beleges zu bedürfen, und ich führe, von den

Ee

vorhandenen Seyn anzufaſſen; ſie wollen nur
alles Beſtehende vernichten, und außer ſich al¬
lenthalben eine leere Staͤtte hervorbringen, in
der ſie nur immer die eigne Geſtalt wiederholen
koͤnnen; ſelbſt ihr anfaͤngliches ſcheinbares Hin¬
eingehen in fremde Sitte, iſt nur die gutmuͤ¬
thige Herablaſſung des Erziehers zum jezt noch
ſchwachen, aber gute Hofnung gebenden Lehr¬
linge; ſelbſt die Geſtalten der vollendeten Vor¬
welt gefallen ihnen nicht, bis ſie dieſelben in
ihr Gewand gehuͤllt haben, und ſie wuͤrden,
wenn ſie koͤnnten, dieſelben aus den Graͤbern
aufwecken, um ſie nach ihrer Weiſe zu erziehen.
Fern zwar bleibe von mir die Vermeſſenheit,
irgend eine vorhandene Nation im Ganzen und
ohne Ausnahme, jener Beſchraͤnktheit zu be¬
ſchuldigen. Laßt uns vielmehr annehmen, daß
auch hier diejenigen, die ſich nicht aͤußern, die
beſſern ſind. Soll man aber die, die unter uns
erſchienen ſind, und ſich geaͤußert haben, nach
dieſen ihren Aeußerungen beurtheilen, ſo ſcheint
zu folgen, daß ſie in die geſchilderte Klaſſe zu
ſetzen ſind. Eine ſolche Aeußerung ſcheint eines
Beleges zu beduͤrfen, und ich fuͤhre, von den

Ee
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0439" n="433"/>
vorhandenen Seyn anzufa&#x017F;&#x017F;en; &#x017F;ie wollen nur<lb/>
alles Be&#x017F;tehende vernichten, und außer &#x017F;ich al¬<lb/>
lenthalben eine leere Sta&#x0364;tte hervorbringen, in<lb/>
der &#x017F;ie nur immer die eigne Ge&#x017F;talt wiederholen<lb/>
ko&#x0364;nnen; &#x017F;elb&#x017F;t ihr anfa&#x0364;ngliches &#x017F;cheinbares Hin¬<lb/>
eingehen in fremde Sitte, i&#x017F;t nur die gutmu&#x0364;¬<lb/>
thige Herabla&#x017F;&#x017F;ung des Erziehers zum jezt noch<lb/>
&#x017F;chwachen, aber gute Hofnung gebenden Lehr¬<lb/>
linge; &#x017F;elb&#x017F;t die Ge&#x017F;talten der vollendeten Vor¬<lb/>
welt gefallen ihnen nicht, bis &#x017F;ie die&#x017F;elben in<lb/>
ihr Gewand gehu&#x0364;llt haben, und &#x017F;ie wu&#x0364;rden,<lb/>
wenn &#x017F;ie ko&#x0364;nnten, die&#x017F;elben aus den Gra&#x0364;bern<lb/>
aufwecken, um &#x017F;ie nach ihrer Wei&#x017F;e zu erziehen.<lb/>
Fern zwar bleibe von mir die Verme&#x017F;&#x017F;enheit,<lb/>
irgend eine vorhandene Nation im Ganzen und<lb/>
ohne Ausnahme, jener Be&#x017F;chra&#x0364;nktheit zu be¬<lb/>
&#x017F;chuldigen. Laßt uns vielmehr annehmen, daß<lb/>
auch hier diejenigen, die &#x017F;ich nicht a&#x0364;ußern, die<lb/>
be&#x017F;&#x017F;ern &#x017F;ind. Soll man aber die, die unter uns<lb/>
er&#x017F;chienen &#x017F;ind, und &#x017F;ich gea&#x0364;ußert haben, nach<lb/>
die&#x017F;en ihren Aeußerungen beurtheilen, &#x017F;o &#x017F;cheint<lb/>
zu folgen, daß &#x017F;ie in die ge&#x017F;childerte Kla&#x017F;&#x017F;e zu<lb/>
&#x017F;etzen &#x017F;ind. Eine &#x017F;olche Aeußerung &#x017F;cheint eines<lb/>
Beleges zu bedu&#x0364;rfen, und ich fu&#x0364;hre, von den<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Ee<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[433/0439] vorhandenen Seyn anzufaſſen; ſie wollen nur alles Beſtehende vernichten, und außer ſich al¬ lenthalben eine leere Staͤtte hervorbringen, in der ſie nur immer die eigne Geſtalt wiederholen koͤnnen; ſelbſt ihr anfaͤngliches ſcheinbares Hin¬ eingehen in fremde Sitte, iſt nur die gutmuͤ¬ thige Herablaſſung des Erziehers zum jezt noch ſchwachen, aber gute Hofnung gebenden Lehr¬ linge; ſelbſt die Geſtalten der vollendeten Vor¬ welt gefallen ihnen nicht, bis ſie dieſelben in ihr Gewand gehuͤllt haben, und ſie wuͤrden, wenn ſie koͤnnten, dieſelben aus den Graͤbern aufwecken, um ſie nach ihrer Weiſe zu erziehen. Fern zwar bleibe von mir die Vermeſſenheit, irgend eine vorhandene Nation im Ganzen und ohne Ausnahme, jener Beſchraͤnktheit zu be¬ ſchuldigen. Laßt uns vielmehr annehmen, daß auch hier diejenigen, die ſich nicht aͤußern, die beſſern ſind. Soll man aber die, die unter uns erſchienen ſind, und ſich geaͤußert haben, nach dieſen ihren Aeußerungen beurtheilen, ſo ſcheint zu folgen, daß ſie in die geſchilderte Klaſſe zu ſetzen ſind. Eine ſolche Aeußerung ſcheint eines Beleges zu beduͤrfen, und ich fuͤhre, von den Ee

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/439
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/439>, abgerufen am 25.11.2024.