Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

bleiben, so wie wir sind, ja, wenn wir es ver¬
möchten, noch stärker und entschiedener werden,
also wie wir seyn sollen! Möchten wir der
Ausstellungen, die man uns zu machen pflegt,
daß es uns gar sehr an Schnelligkeit und leich¬
ter Fertigkeit gebreche, und daß wir über allem
zu ernst, zu schwer, und zu gewichtig werden,
uns so wenig schämen, daß wir uns vielmehr
bestrebten, sie immer mit größerem Rechte, und
in weiterer Ausdehnung zu verdienen. Es be¬
festige uns in diesem Entschluße die leicht zu er¬
langende Ueberzeugung, daß wir mit aller
unsrer Mühe dennoch niemals jenen recht seyn
werden, wenn wir nicht ganz aufhören wir sel¬
ber zu seyn, was dem überhaupt gar nicht
mehr da seyn gleich gilt. Es giebt nemlich
Völker, welche, indem sie selbst ihre Eigen¬
thümlichkeit beibehalten, und dieselbe geehrt
wissen wollen, auch den andern Völkern die
ihrigen zugestehen, und sie ihnen gönnen, und
verstatten; zu diesen gehören ohne Zweifel die
Deutschen, und es ist dieser Zug in ihrem gan¬
zen vergangenen, und gegenwärtigen Weltleben
so tief begründet, daß sie sehr oft, um gerecht

bleiben, ſo wie wir ſind, ja, wenn wir es ver¬
moͤchten, noch ſtaͤrker und entſchiedener werden,
alſo wie wir ſeyn ſollen! Moͤchten wir der
Ausſtellungen, die man uns zu machen pflegt,
daß es uns gar ſehr an Schnelligkeit und leich¬
ter Fertigkeit gebreche, und daß wir uͤber allem
zu ernſt, zu ſchwer, und zu gewichtig werden,
uns ſo wenig ſchaͤmen, daß wir uns vielmehr
beſtrebten, ſie immer mit groͤßerem Rechte, und
in weiterer Ausdehnung zu verdienen. Es be¬
feſtige uns in dieſem Entſchluße die leicht zu er¬
langende Ueberzeugung, daß wir mit aller
unſrer Muͤhe dennoch niemals jenen recht ſeyn
werden, wenn wir nicht ganz aufhoͤren wir ſel¬
ber zu ſeyn, was dem uͤberhaupt gar nicht
mehr da ſeyn gleich gilt. Es giebt nemlich
Voͤlker, welche, indem ſie ſelbſt ihre Eigen¬
thuͤmlichkeit beibehalten, und dieſelbe geehrt
wiſſen wollen, auch den andern Voͤlkern die
ihrigen zugeſtehen, und ſie ihnen goͤnnen, und
verſtatten; zu dieſen gehoͤren ohne Zweifel die
Deutſchen, und es iſt dieſer Zug in ihrem gan¬
zen vergangenen, und gegenwaͤrtigen Weltleben
ſo tief begruͤndet, daß ſie ſehr oft, um gerecht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0437" n="431"/>
bleiben, &#x017F;o wie wir &#x017F;ind, ja, wenn wir es ver¬<lb/>
mo&#x0364;chten, noch &#x017F;ta&#x0364;rker und ent&#x017F;chiedener werden,<lb/>
al&#x017F;o wie wir &#x017F;eyn &#x017F;ollen! Mo&#x0364;chten wir der<lb/>
Aus&#x017F;tellungen, die man uns zu machen pflegt,<lb/>
daß es uns gar &#x017F;ehr an Schnelligkeit und leich¬<lb/>
ter Fertigkeit gebreche, und daß wir u&#x0364;ber allem<lb/>
zu ern&#x017F;t, zu &#x017F;chwer, und zu gewichtig werden,<lb/>
uns &#x017F;o wenig &#x017F;cha&#x0364;men, daß wir uns vielmehr<lb/>
be&#x017F;trebten, &#x017F;ie immer mit gro&#x0364;ßerem Rechte, und<lb/>
in weiterer Ausdehnung zu verdienen. Es be¬<lb/>
fe&#x017F;tige uns in die&#x017F;em Ent&#x017F;chluße die leicht zu er¬<lb/>
langende Ueberzeugung, daß wir mit aller<lb/>
un&#x017F;rer Mu&#x0364;he dennoch niemals jenen recht &#x017F;eyn<lb/>
werden, wenn wir nicht ganz aufho&#x0364;ren wir &#x017F;el¬<lb/>
ber zu &#x017F;eyn, was dem u&#x0364;berhaupt gar nicht<lb/>
mehr da &#x017F;eyn gleich gilt. Es giebt nemlich<lb/>
Vo&#x0364;lker, welche, indem &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t ihre Eigen¬<lb/>
thu&#x0364;mlichkeit beibehalten, und die&#x017F;elbe geehrt<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en wollen, auch den andern Vo&#x0364;lkern die<lb/>
ihrigen zuge&#x017F;tehen, und &#x017F;ie ihnen go&#x0364;nnen, und<lb/>
ver&#x017F;tatten; zu die&#x017F;en geho&#x0364;ren ohne Zweifel die<lb/>
Deut&#x017F;chen, und es i&#x017F;t die&#x017F;er Zug in ihrem gan¬<lb/>
zen vergangenen, und gegenwa&#x0364;rtigen Weltleben<lb/>
&#x017F;o tief begru&#x0364;ndet, daß &#x017F;ie &#x017F;ehr oft, um gerecht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[431/0437] bleiben, ſo wie wir ſind, ja, wenn wir es ver¬ moͤchten, noch ſtaͤrker und entſchiedener werden, alſo wie wir ſeyn ſollen! Moͤchten wir der Ausſtellungen, die man uns zu machen pflegt, daß es uns gar ſehr an Schnelligkeit und leich¬ ter Fertigkeit gebreche, und daß wir uͤber allem zu ernſt, zu ſchwer, und zu gewichtig werden, uns ſo wenig ſchaͤmen, daß wir uns vielmehr beſtrebten, ſie immer mit groͤßerem Rechte, und in weiterer Ausdehnung zu verdienen. Es be¬ feſtige uns in dieſem Entſchluße die leicht zu er¬ langende Ueberzeugung, daß wir mit aller unſrer Muͤhe dennoch niemals jenen recht ſeyn werden, wenn wir nicht ganz aufhoͤren wir ſel¬ ber zu ſeyn, was dem uͤberhaupt gar nicht mehr da ſeyn gleich gilt. Es giebt nemlich Voͤlker, welche, indem ſie ſelbſt ihre Eigen¬ thuͤmlichkeit beibehalten, und dieſelbe geehrt wiſſen wollen, auch den andern Voͤlkern die ihrigen zugeſtehen, und ſie ihnen goͤnnen, und verſtatten; zu dieſen gehoͤren ohne Zweifel die Deutſchen, und es iſt dieſer Zug in ihrem gan¬ zen vergangenen, und gegenwaͤrtigen Weltleben ſo tief begruͤndet, daß ſie ſehr oft, um gerecht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/437
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/437>, abgerufen am 25.11.2024.